Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 31. Oktober 2013, Teil 4
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Schon wieder eine Literaturverfilmung und noch dazu eine des Klassikers Denis Diderot, der als Oberaufklärer aus den Briefen der unglücklichen Nonne Suzanne Simonin einen Roman fertigte, der erst nach seinem Tod 1796 veröffentlicht wurde.
DIE NONNE
Guillaume Nicloux wollte die Geschichte der Nonne verfilmen, schrieb am Drehbuch mit und hat so viele gute Gedanken mit trögen gemischt, daß ein merkwürdiger Film herausgekommen ist, der auf jeden Fall überhaupt nichts mehr mit der Aufklärung zu tun hat, denn eigentlich ist dies die Geschichte eines aufmüpfigen Mädchens und ihrer gesellschaftlichen und familiären Ruhestellung mit bösem Ende. Hier aber gibt es sogar ein Happy End.
Eigentlich sollte man das nicht vorher sagen, denn dann sind die Peinigungen für diese junge Frau nicht mehr so ernst zu nehmen, denn sie sind vorübergehend. Dies aber nur im Film. Deshalb von vorne. Es handelt sich bei der NONNE um die junge selbstbewußte Suzanne, der Pauline Etienne, eine berührende Präsenz gibt, denn man spürt auf der Leinwand der 16jährigen Tochter angeblich reicher, in Wahrheit aber nun verarmter Adliger deutlich an, daß sie frei leben will und das Kloster als Knechtschaft ansieht, worin sie Recht hat.
Denn sie wird von Kloster zu Kloster verschickt, da sie immer wieder Probleme auslöst, deren Ursache und die Wirkung auf das junge Mädchen wir Zuschauer gut verstehen können, denn der Regisseur macht uns zu Mitwissern der Befindlichkeiten der jungen Frau, wobei die Kamera die Rolle der Wahrheit einnimmt, denn eigentlich sehen wir alles aus ihren Augen, aber die Kamera behauptet: ich bin die Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist in aller Opulenz und aller Grausamkeit zu sehen, denn die Geschichte spielt im Ancien Régime, also vor der Französischen Revolution. So sind wir in einem Kostümrausch, denn einerseits spielt das Drama in der besseren Gesellschaft, also Luxus pur, was Ausstattung der Schlösser und Klöster angeht, andererseits gibt es unzählige Frauen, die in den tollsten Kostümen agieren, denn Bälle und gesellschaftliche Ereignisse gehören dazu.
Vom Stil her geht da manches durcheinander, aber das wäre unwichtig, wenn die Geschichte stimmt. Die aber ist mehr als löchrig erzählt und zählt auf die Abfolge von Grausamkeiten, die der Novizin angetan werden. Dabei geht es um drei Sünden, die die jeweiligen Oberinnen ihr gegenüber begehen: die erste kümmert sich nicht richtig um sie, versteht vieles miß, die zweite quält sie besonders sadistisch und die dritte verfolgt sie mit erotischen Avancen, die mehr sind als lüsterne Blicke. Letztere ist Isabelle Huppert und die macht das eindrucksvoll getrieben. Das alles wäre ja eigentlich eine Kritik an der Kirche und ihrem Unterdrückungsapparat, wird in diesem Film aber völlig privatistisch abgehandelt als persönliches Problem von Frauen.
Überhaupt die Frauen, der Anfang alles Elends. Hätte nämlich die Mutter der Suzanne nicht mit dem Mann geschlafen, den sie wirklich liebte, wäre Suzanne nicht entstanden und als Kuckuckskind dem Ehemann untergeschoben worden. Eine überhaupt nicht passende Rolle für Martina Gedeck, die sie aber wie immer bravourös meistert.Deshalb nämlich muß die Tochter ins Kloster und was mit dem herrlichen Liebhaber und Vater nun ist, das werden wir hier nicht verraten, empfehlen aber ernsthaft, das Buch von Diderot zu lesen.
OUT IN OST-BERLIN
Jochen Hick und Andreas Strohfeldt bringen fünf Lesben und Schwule mit ihren Erinnerungen an ihr Leben in der DDR.
THE HUMAN SCALE
Vorstellung des Stadtplaners Jan Gehl, in der es um die lebenswerte Großstadt geht und beides, die Vorführung der Person und des gewünschten Stadtraums geht nur schwer zusammen.
ALPHABET
Erwin Wagenhofer, der schon die Themen Ernährung und Bankenkrise aufs Korn nahm,zeigt uns hier deutlich und völlig zu Recht, welche menschlichen Probleme eine nur auf Leistung getrimmte Pädagogik anrichtet und wie Bildung und Erziehung aussehen könnte. Beispiele aus der ganzen Welt und nicht immer so, wie man denkt.
DER TEUFELSGEIGER
Ein absolutes Muß für Liebhaberinnen des David Garrett, der hier angeblich Paganini verkörpert, aber leider nicht spielten kann, was Mimik und Gestik angeht. Es ist zu gewollt für den Zuschauer, der den Fall Paganini kennen lernen will, aber absolut passend für den Fall David Garrett, dessen Haare so bewegt sind wie sein Spiel, aber leider nur das Geigenspiel. Aber das gefällt.
P.S. Daß allerdings das Rechtschreibprogramm beim Namen GARRETT vorschlägt GARROTTE zu verwenden, finden wir fies.
Unsere Besprechung DIE NONNE zur Berlinale
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/1382-la-religieuse-die-nonne