Über den Film und im Gespräch mit dem Regisseur Aron Lehmann
Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - „Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde!“ Nach dieser Devise handelt der Pferdehändler Michael Kohlhaas in der Novelle Heinrich von Kleists, als er gegen ihn zugefügtes Unrecht rebelliert. Bei seinem Rachefeldzug steckt er Städte in Brand und begeht weitere Verbrechen, dem viele Unschuldige zum Opfer fallen.
Der Film „Michael Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ (2013) des Jungfilmers Aron Lehmann beginnt mit einer monumentalen Kohlhaas-Szene. Die bricht plötzlich ab, der Regisseur des Films erscheint im Film; er heißt ebenfalls Lehmann und verkündet, die Produzenten hätten ihm die Fördergelder entzogen. Wild entschlossen will er den Film mit einfachsten Mitteln und der Unterstützung des Dorfes, in dem gedreht wurde, fortsetzen. Etliche Schauspieler verlassen das Set, weil Lehmann sie nicht bezahlen kann.
Nun beginnt ein Wechselspiel zwischen der scheinbaren Realitätsebene der Dreharbeiten und des Films im Film mit den übrig gebliebenen Darstellern. Das Filmteam streitet sich ständig über die Verhältnismäßigkeit der einfachen Mittel, in der Verfilmung reitet Pferdehändler Kohlhaas auf einem Ochsen herum. Als der Darsteller des Kohlhaas’ aussteigt, spielt Regisseur Lehmann ihn selbst. Was sich hier etwas trocken und kompliziert liest, ist im „echten“ Film einfach zu durchschauen und zugleich ziemlich grotesk.
Der „wirkliche Regisseur“ Aron Lehmann kam am Samstag den 23. November zur Präsentation seines Films nach Osthessen: „Ich reise überall hin, auch ins Ausland, das macht viel Spaß“, sagt er. „Der Erfolg des Films hat es mir ermöglicht, dass ich in meinem Beruf arbeiten und neue Projekte planen kann. Außerdem soll ich ein Drehbuch für eine Komödie schreiben.“
Wie kam es zu diesem schrägen Film?
„Ich hatte schon jahrelang an meinem Abschlussfilm für die Filmhochschule gearbeitet, als plötzlich die Mittel drastisch gekürzt wurden und wir schnell zu Ende studieren mussten. Meine Ideen konnte ich nicht weiter realisieren, ich musste schnell handeln und habe unter Zeit- und Gelddruck produziert. Meine trotzige Idee war, was kann man mit wenig Geld realisieren? Der Film ist wirklich aus der Not geboren worden!“
Das ist ja wie in Ihrem Kohlhaas-Film…
„…Ja, genau, wir haben wirklich in meinem Heimatort gedreht, die Menschen dort haben mitgespielt. Mich hat natürlich auch gereizt, die Entstehung mit zu erzählen. Und ich mag es sehr, wenn sich Fiktion und Realität auf verwirrende Weise verweben. Dafür habe ich einen starken Stoff gesucht und den Kohlhaas gefunden. Ich habe zwar eine inhaltliche Affinität zu ihm, aber ich wollte mich nicht an seinen Themen abarbeiten, beispielsweise an der Frage von Gerechtigkeit und Selbstjustiz.
Wieso sind Erstlingsfilme wie „Finsterworld“ mit solchen Stars wie Corinna Harfouch oder Ronald Zehrfeld besetzt…
Mein Cast kann sich aber auch sehen lassen! Vielleicht haben die Abschlussfilme oft so tolle Besetzungen, weil dort noch viel ausprobiert werden kann und mehr Mut drinsteckt. Die Freiheit ist größer solange kein Geld da ist!“
Der Lehmann im Film plädiert ja auch für die extreme Einfachheit…
„…Na ja, aber so einen Film möchte ich nicht noch einmal machen. Einerseits ist so ziemlich alles schief gegangen was schief gehen konnte, andererseits ist Filmemachen kein Hobby, als Beruf geht das so nicht. Wir haben während des Drehs wirklich so ähnlich gelebt wie im Film, haben in der Jugendherberge übernachtet, hatten eine große Nähe zueinander, das schweißt schon zusammen.“
INFO:
„Michael Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ D, 2013, 93 Minuten
von Aron Lehmann (Regie) mit Robert Gwisdek, Jan Messutat, Thorsten Merten u. a
Filmstart August 2013,