Das 19. Filmfestival VERSO SUD vom 29. November bis 8. Dezember im Deutschen Filmmuseum, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine anrührende Lehrer-Schüler-Geschichte war Auftakt des Festivals, zu dem Regisseur Giuseppe Piccioni extra nach Frankfurt gekommen war und so auch die herzlichen Eröffnungsworte vom Italienischen Generalkonsul und Monika Haas, seitens des Filmmuseums erstmals verantwortlich für VERSO SUD mitbekam, die im von Ehrengästen vollgefüllten Saal begeistert aufgenommen wurden.
Es ist halt eine ganz eigene Atmosphäre, die VERSO SUD ausmacht, und diesen kontinuierlichen Erfolg verdankt das Festival auch, so Monika Haas – und auch das wurde langanhaltend beklatscht – der bisherigen Festivalleiterin Ulrike Stiefelmayer für deren „Begleitung zum Erwachsenwerden von VERSO SUD“. Denn in der Tat kann das 19. Festival auf 18 erfolgreiche Jahre zurückblicken, da alle Jahre aktuelle und hochkarätige Filme aus Italien gezeigt wurden, meist in der Originalversion mit deutschen Untertiteln. Den heute anwesenden Regisseur nannte Generalkonsul Christiano Cottafavi eine der interessantesten Stimmen des gegenwärtigen italienischen Kinos und einen filmischen Meister im Zeigen gefühlter Daseinszustände, die einfach anspruchsvolle gute Unterhaltung ergäben.
Der so Gelobte sprach schon vor dem Film, an den sich eine Podiumsdiskussion mit dem Regisseur und mit dem Publikum anschloß. Für ihn sei Frankfurt immer sehr wichtig gewesen, denn er hätte eine besondere Beziehungen zu dieser Stadt, die ihm zudem immer Glück gebracht habe. In seinem Film habe er nicht alle Schulprobleme ansprechen können, aber es sei ihm um das Herz der Schule gegangen, das Vermitteln und Lehren sei, weshalb das Lehrer-Schüler-Verhältnis Kernpunkt des Film sei. In Italien sei die gegenwärtige Schule sehr problematisch. Er habe aber im Sinne von Truffaut verwirklichen wollen: „ Man muß im Film wichtige Dinge sagen, aber so, daß man nicht schwergewichtig den Eindruck von Wichtigkeit vermittelt, sondern Freude.“
Nach 98 Minuten sah das auch das Publikum so und der Regisseur erhielt Ovationen. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit in diesem Film schwerwiegende Probleme von Jugendlichen und ihren Lehrern angesprochen werden. Schulthemen sind in Italien inzwischen ein eigenes Genre, hieß es. Das ist in Deutschland anders. Es gibt hier sehr wenige Schulfilme und der gerade angelaufene FUCK JU GÖTHE rollt das schwierige Thema von einer solch grotesken Seite auf, daß nur über die absolute Verweigerung irgendeiner politischen Korrektheit der Spaß an diesem Film die eigentlichen Probleme durch Lachen registriert, was schon mal ein Fortschritt ist, wenn man Schule für ein wichtiges gesellschaftliches Thema hält, was wir tuen, obwohl wir lieber von Schülern und Lehrern reden, denn die leiden miteinander und gegenseitig an der Schule, so wie sie meistens ist.
Aber, daß man von „der Schule“ generalisierend schon gar nicht reden kann, das zeigt dieser Film auch, der eine Anzahl unterschiedlicher Lehrerpersönlichkeiten und ebenso die so unterschiedlichen Schülerpersönlichkeiten vorstellt, deren Schicksale miteinander verwickelt werden. Das sind die Direktorin der Schule (Margherita Buy), ein neuer und junger Aushilfslehrer (Ricardo Scamarcio), Roberto Herlitzka als alternder, müder, zynischer Lehrer Fiorito, und der junge Rumäne, der der ewige nicht zu lösende pädagogische Fall für Schulen bleiben wird.
Der Film beginnt damit, daß die Direktorin der Schule die Rollen Klosettpapier in den Schülertoiletten auffüllt. Ein wunderbarer, weil realistischer Anfang einer Tätigkeit, die als Direktor eigentlich herausgehoben wäre, hier auch sogar mit viel Pädagogik einhergeht, aber mit soviel Kleinkram und Organisatorischem belastet ist, daß sich fragt, an welchen Institutionen noch derart hochkarätige Leute für mindere Arbeiten von ihrer eigentlichen Arbeit abgelenkt werden. Das ist wirklich Schule wie sie weitlang ist. Hervorragend beobachtet.
Überhaupt die Direktorin, der Margherita Buy - die als beste Schauspielerin Italiens bezeichnet wurde, was wir nicht beurteilen können, aber gerne glauben – ihr ewig besorgtes, und jeden pädagogischen Mißerfolg als Niederlage wertendes, sich total neutral gebendes, ansonsten liebliches Antlitz bot. Aber ein ganz schöner Kontrollfix ist sie auch. Das zeigen die Szenen in der Schule, was noch angeht, aber auch die zu Hause mit dem Ehemann, der übrigens sehr gut kocht. Aber dieser Direktorin verzeiht man ihre manchmal auftretende Engstirnigkeit, weil man direkt miterlebt, wie sie zwar ganz schön spröde, dafür aber nachhaltig und auch mit Witz sich auf den problematischen, weil problembelasteten Schüler einlassen kann.Fortsetzung folgt.