di 1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Januar 2022, Teil 6

Redaktion

London (Weltexpresso) - "Königin der Herzen“, das ist der Ausdruck, der zum beliebtesten Etikett für Prinzessin Diana wurde.Und tatsächlich: Exakt diese Formulierung ist der Schlüssel für das Phänomen der Princess of Wales, die bis zu ihrem Tod am 31. August 1997 die Sehnsüchte und Fantasien einer ganzen Nation, wenn nicht der ganzen Welt befeuerte. Doch es sind nicht die drei Worte allein, mit denen sich die Bedeutung dieses Titels verstehen lässt. Man muss sich auch die genauen Umstände ansehen, unter denen er geprägt wurde.

Sie entstammen aus dem mittlerweile berüchtigten Interview mit dem BBC-Journalisten Martin Bashir, der Diana im November 1995 mit manipulativen Methoden hoch persönliche Statements entlockte. Zwischendrin stellte er, die Hand in Denkerpose am Gesicht, mit einem inquisitorischen Unterton eine Frage, die sich angesichts der damals längst vollzogenen Trennung von Prince Charles eigentlich nur als zynisch verstehen ließ: „Glauben Sie, Sie werden jemals Königin werden?“

Die Reaktion der damals 34-jährigen ist in mehrfacher Hinsicht bezeichnend. Zuerst tritt ein verlegenes Lächeln in ihr Gesicht, gefolgt von einem schüchternen Kopfschütteln, das eher zu einem ertappten Schulmädchen passen würde: „Nein, das glaube ich nicht.“ Die Zwischenfrage „Warum glauben Sie das?“ kann bestenfalls rhetorisch gemeint sein. Die Mimik der Befragten ist fast angsterfüllt, die Augen, mit Kajal noch akzentuiert, geweitet. Aber gleichzeitig ist sie souverän genug, die Frage nicht zu beantworten. Stattdessen setzt sie ihr ein anderes Narrativ entgegen: „Ich möchte die Königin der Herzen sein, im Herzen der Menschen.“ Doch sie sagt das nicht mit egozentrischer Emphase. Ihre Stimme klingt immer noch wie dahingehaucht, der Blick ist verletzlich, ein wenig traurig sogar. Zu dieser Anmutung passt dann auch der Nachsatz: „Aber ich sehe mich nicht als Königin dieses Landes. Ich glaube, dass viele Leute nicht wollen, dass ich Königin sein werde.“

Das indes ist noch nicht das Ende ihres Statements, denn sie präzisiert ihren Satz, und ihre Haltung verändert sich kaum merklich, aber entscheidend. Den Kopf leicht nach vorne drückend, wie in einer vorsichtigen Angriffshaltung meint sie – im gleichen sanft-fragilen Tonfall – „Wenn ich ‚viele Leute‘ sagte, dann meine ich das Establishment, in das ich eingeheiratet habe. Denn sie haben entschieden, dass ich eine Versagerin (im Original ‚Non-starter‘ – jemand ohne Chance auf Erfolg) bin.“ Bei diesem Satz schaut sie den Interviewer offen an, und in dem Moment kann man, wenn man will, ein leises ironisches Lächeln aufblitzen sehen. Das wäre auch logisch. Diana betrachtet sich selbst ganz sicher nicht als ‚Non-starter‘, und so setzt sie auf die Nachfrage selbstbewusst hinzu: „Weil ich die Dinge anders mache. Weil ich mich nicht an ein Regelbuch halte, weil ich aus meinem Herzen und nicht vom Kopf her führe.“ Und die Antwort endet mit dem Satz: „Denn jemand muss da rausgehen, die Menschen lieben
und das auch zeigen".

In diesen rund 50 Sekunden, so könnte man interpretieren, zeigen sich Phänomen und Person der Diana Spencer ‚in a nuthshell‘ – als feinfühlige und mitfühlende Ikone, die seinerseits zum Opfer des Establishments wurde und die aus dieser Rolle gleichzeitig die Kraft schöpft, um sich gegen dieses
aufzulehnen. Und sie hält sich mit ihren Überzeugungen nicht bedeckt, sie will sie „zeigen“. Einerseits wirkt sie auf erfrischende Weise natürlich, aber gleichzeitig besitzt sie die Souveränität, um sich mit einprägsamen Formeln selbst zu stilisieren. Es könnte sogar sein, dass der Ausdruck „Königin der Herzen“ nicht etwa spontan fiel, sondern gezielt gewählt wurde. Denn Diana liebte die Bestsellerromanzen ihrer Stief-Großmutter Barbara Cartland, und die hatte – Zufall oder nicht – zwei Jahre zuvor den Roman „Queen of Hearts“ veröffentlicht. So verbanden sich in der Princess of Wales Eigenschaften und Fähigkeiten, die sie streng genommen zur idealen Real-Queen gemacht hätten: Authentizität, Empathie und Selbstinszenierung. Und weil sie diese Persönlichkeit mit modernen medialen Mitteln präsentierte, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie anders als die tatsächliche
Königin zum Vorbild junger Frauengenerationen wurde. Und sie dürfte das vermutlich länger bleiben als manche Mitglieder ihrer Familie, die zwar über die gleichen Stilmittel, aber nicht dieselben Charaktereigenschaften verfügen.

Es gibt ungezählte Versuche, eben diesen Charakter der Diana Spencer zu erklären, doch eigentlich reicht ein Blick auf die Grundgegebenheiten ihrer Biografie, um zu verstehen, wie aus einem – laut verschiedensten Quellen - schüchternen Teenager eine derart prägende Person der Zeitgeschichte
werden konnte. Die Verletzlichkeit, wie sie auch im BBC-Interview erkennbar ist, scheint schon in frühen Jahren angelegt: Die Eltern, der 8. Earl of Spencer und dessen erste Ehefrau Frances Fermoy, hatten nach zwei Töchtern auf einen Stammhalter gehofft. Ein 1960 geborener Junge war kurz nach der Geburt verstorben. Als am 1. Juli 1961 mit Diana wieder ein Mädchen zur Welt kam, dauerte es eine Woche, bis man sich für ihren Namen entschied. Weil immer noch ein männlicher Erbe gewünscht war, musste die Mutter offenbar erniedrigende ärztliche Behandlungen über sich ergehen lassen. Das zerrüttete Verhältnis der Eltern führte zu permanenten Streitigkeiten, die die kleine Diana nach eigener Aussage mitverfolgte, bis Frances Fermoy die Familie 1967 verließ. Das Sorgerecht wurde dem Vater zugesprochen. Dessen zweite Frau erlebte Diana als „Tyrannin“ bzw. „Bully“ und versuchte sie angeblich einmal die Treppe hinunterzustoßen. Mit anderen – genauer gesagt Dianas Worten: „eine sehr unglückliche, instabile Kindheit“. Und garantiert kein Umfeld, um ein stabiles Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Fortsetzung folgt

Foto:
©Verleih

Info:
Spencer (Deutschland, Großbritannien 2021)
Originaltitel: Spencer
Genre: Drama, Biopic
Filmlänge: ca. 117 Min.
Regie: Pablo Larraín
Drehbuch: Steven Knight
Darsteller: Kristen Stewart, Timothy Spall, Jack Farthing, Sally Hawkins, Sean Harris, Richard Sammel, Amy Manson, Jack Nielen, Freddie Spry u.a.

Abdruck aus dem Presseheft