Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. Februar 2022, Teil 4
Claus Wecker
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt eine Menge Probleme in dieser Geschichte aus den neuen Bundesländern zur Zeit der Jahrtausendwende. Gudrun, eine resolute Lehrerin für Mathematik und Sport, ist ohne Eltern in einem Kinderheim in der Provinz aufgewachsen. Sie weigert sich standhaft, ihrer erwachsenen Tochter zu verraten, wer ihr leiblicher Vater ist. Dazu kommen noch die Spätfolgen des DDR-Sozialismus.
Corinna Harfouch geht die Rolle der Lehrerin mit großem Elan an. Gudrun bereitet mit vollem Einsatz die Feier zu ihrem 60. Geburtstag vor. Ihr gutmütiger Ehemann Werner (Peter René Lüdecke) hat nicht viel zu sagen, und Tochter Lara (Birte Schnöink), die aus Berlin in das heimatliche Städtchen angereist ist, bekommt sogleich eine neue Gratulationsrede diktiert.
Laras Beschwerden lässt die Mutter nicht gelten: »Du hattest immer ne warme Stube, wenn's draußen kalt war, bin mit dir zum Arzt gegangen, wenn du krank warst, hattest immer genug zu essen, wenn du Hunger hattest.« Sie hingegen habe keine Eltern gehabt, ihr Geburtsdatum sei nicht einmal bekannt, sondern einfach festgelegt worden. (Darin kann man auch eine versteckte politische Anspielung de Drehbuchs sehen.)
Gefeiert wird im verfallenen, in der DDR als Kinderheim genutzten Herrenhaus, in dem Gudrun aufgewachsen ist und das sie, zumindest teilweise, wieder herrichten will. Es ist für sie ein besonderer Ort der Erinnerung, und deshalb trifft es sie wie ein Stromschlag, als sie mitten in der Geburtstagsfeier erfährt, dass Bürgermeister Jens (Jörg Schüttauf) das Anwesen an einen westdeutschen Investor verkaufen will, der die Umwandlung in ein Hotel plant.
Gudrun verlässt Hals über Kopf die Geburtstagsfeier und radelt dem davongefahrenen Bürgermeister hinterher. Sie beginnt einen aussichtslosen Kampf gegen den Verkauf der maroden Immobilie, die symbolisch für die Vergangenheit der einstigen DDR-Bürger steht.
Der Filialleiter der ansässigen Bank (Christian Koerner) erklärt ihr, das Anwesen koste eine Mark. Als die naive Gudrun zwei Mark auf den Tisch legt, muss sie sich anhören, die Millionen für die Gebäudesanierung seien der eigentliche Kaufpreis. Die begehrte »Westmark« bringt keine Privilegien mehr, wenn man nicht ein paar Millionen davon hat.
Unterdessen nach Berlin zurückgekehrt, ist Lara auf Vatersuche. Es gelingt ihr tatsächlich, einen Mann namens Peter Melzner (Stephen Bissmeier) ausfindig zu machen, und der versucht auch gleich, ihr gegenüber den Frauenheld zu geben. Er steht für die »Republikflüchtigen«, die Leerstellen in den Biografien anderer hinterlassen haben. Die unsichere Lara versäumt es, ihn zu konfrontieren und herauszufinden, ob er tatsächlich ihr leiblicher Vater ist.
»Das Mädchen mit den goldenen Händen« ist der erste Langfilm der Schauspielerin Katharina Marie Schubert, die in TV- und Kinofilmen, aber auch an den Münchner Kammerspielen aufgetreten ist. Der Film wirkt theaterhaft, wenn etwa die Harfouch anfangs wie ein weiblicher Emil Jannings herumpoltert, oder überdeutlich, wenn ein junges Wessi-Paar sich über die witzig klingenden Ortsnamen in der Gegend von Berlin lustig macht. Dann übertreibt Schubert bei ihrer Milieu-Zeichnung.
Insgesamt bemüht sie sich aber um einen unaufgeregten Erzählstil. Das unterstreicht die Ernsthaftigkeit des ganzen Unternehmens. Ihr Regie- und Drehbuchdebüt ist ein beachtenswerter Beitrag zur deutschen Befindlichkeit. Das Grimmsche Märchen von dem Mädchen ohne Hände, auf das sie sich auch bezieht, mag ein jeder selbst nachlesen.
Foto:
© Wild Bunch Germany 2021
Info:
DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN
von Katharina Marie Schubert, D 2021, 107 Min.
mit Corinna Harfouch, Birte Schnöink, Peter René Lüdicke, Jörg Schüttauf, Gabriela Maria Schmeide, Ulrike Krumbiegel
Drama / Start: 17.02.2022