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Redaktion
London (Weltexpresso) - Das Gelingen von BELFAST stand und fiel ohne Frage mit der Besetzung des neunjährigen Buddy, der in praktisch jeder Szene des Films zu sehen ist und dessen Perspektive und Fantasie dem Film im Kern zugrunde liegen. „Ich fand es immer schon faszinierend, großartigen Kinderdarstellern dabei zuzusehen, wenn sie jenen Moment im Leben verkörpern, an dem sie – wie es der Priester bei uns im Film sagt – die kindischen Dinge wegpacken müssen“, gibt Branagh zu Protokoll.
„Das war der Fall in John Boormans Hope and Glory, in dem die Kindheit vor dem Hintergrund des Blitzes zu Ende geht. Christian Bale war fantastisch in Spielbergs Empire of the Sun. Wie das Kind in Auf Wiedersehen, Kinder von Louis Malle einem das Herz bricht, ist erschütternd. Und in all diesen Fällen spürt man, wie unglaublich wichtig diese Geschichten den jeweiligen Regisseuren waren. Sie mussten diese sehr persönlichen Geschichten einfach erzählen. All diese Filmemacher und ihre Werke hatten großen Einfluss auf meinen Film.“
Dank des weltweiten Erfolgs der Serie Game of Thrones, die in Nordirland gedreht wurde, stieß das BELFAST-Team für das Casting des Films auf eine großartige Infrastruktur vor Ort. Die erste Liste der Jungen, die für die Hauptrolle vorsprachen, umfasste rund 300 Kinder. In einem intensiven und ausführlichen Casting-Prozess, der natürlich virtuell und gemäß dem Social Distancing stattfand, reduzierte das Besetzungsteam sie schließlich auf dreißig und dann auf zwölf, bevor man sich für eine Shortlist entschied, deren Kandidaten via Zoom erneut vorsprachen, bevor die finale Entscheidung getroffen wurde.
„Mit Jude Hill fanden wir einen Jungen, dessen Talent unübersehbar zu erblühen begann, der aber gleichzeitig noch viel Freude daran hatte, ein ganz normaler Junge zu sein“, sagt Branagh. „Fußballspielen war ihm genauso wichtig wie der Film – und genau das wollten wir. Gleichzeitig war er mit großem Ernst bei der Sache, bestens vorbereitet und offen für alles. Das war wichtig, schließlich verlangte ich von ihm im Grunde Paradoxes: Einerseits sollte er ganz er selbst sein und andererseits erwartete ich, dass er all die kleinen Anweisungen umsetzte, die ich ihm zu seiner Performance gab. Aber er hat das ganz wunderbar
hinbekommen. Er legte eine solche Offenheit an den Tag und war vor der Kamera so unglaublich natürlich, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass dies sein erster Film war.“
Was die erwachsenen Rollen angeht, war für Branagh Authentizität das oberste Gebot. „Caitríona Balfe, die Ma spielt, stammt aus Irland, aber sie ist nahe der Grenze aufgewachsen und versteht nicht nur den Dialekt, sondern kennt auch den Alltag irischer Großfamilien“, fasst Branagh zusammen. „Jamie Dornan, dem ich die Rolle des Pa gab, ist ein echter Belfaster Junge, der in einem Vorort der Stadt aufgewachsen ist. Und Ciarán Hinds, der Buddys Großvater Pop spielt, lebte kaum eine Meile entfernt von meinem Zuhause in Belfast.“
„Selbst Judi Dench hat irische Wurzeln, schließlich stammt ihre Mutter aus Dublin“, fährt der Regisseur fort. „Abgesehen davon ist sie natürlich eine absolute Vollblutschauspielerin, deren Recherche stets akribisch ist und die alles spielen kann. Insgesamt hatte diese Gruppe von Schauspieler*innen eine Energie, die mir extrem gut gefiel. Eine Offenheit und Extrovertiertheit im Umgang miteinander, die dazu führten, dass sie sehr schnell zu einer echten Familieneinheit wurden.“
Mit Belfast als Drehort bot sich für Branagh darüber hinaus natürlich auch die Gelegenheit, mit einigen exzellenten nordirischen Schauspielern wie Colin Morgan, Turlough Convery und Conor MacNeill zusammenzuarbeiten.
Die Figuren
Buddy (Jude Hill) ist ein neunjähriger Junge und der jüngere von zwei Brüdern. Er liebt seine Eltern und Großeltern und hat, bis zu den Ereignissen des Films, im Grunde das perfekte Leben. Er kann sorglos in den Straßen spielen, wo ihn jeder kennt, sammelt die Spielzeugautos, die sein Vater ihm aus England mitbringt, guckt im Fernsehen seine geliebten Filme und geht mit der Familie regelmäßig ins örtliche Kino. Wenn es nach ihm ginge, gäbe es in seinem Leben etwas mehr Schokolade und etwas weniger Kirchenbesuche. In der Grundschule gehört er regelmäßig zu den Klassenbesten, was auch bedeutet, dass er
womöglich bald neben der von ihm angehimmelten Catherine sitzen kann. Die möchte er einmal heiraten, wenn er dafür alt genug ist – und endlich mal den Mut zusammenbekommt, mit ihr zu sprechen.
„Als ich das erste Mal das Drehbuch gelesen habe, war ich gleich begeistert“, berichtet Jude. „Ich habe dann alles nachgeschlagen, was ich nicht auf Anhieb verstanden habe. Zum Beispiel einige der typischen Belfast-Ausdrücke, denn ich bin nicht in der Stadt groß geworden. Da habe ich einiges dazugelernt. Buddy ist wie ich, schließlich hat auch er blonde Haare und liebt Fußball. Nur dass er das falsche Team unterstützt.“ Während der junge Schauspieler leidenschaftlicher Liverpool-Anhänger ist, ist Buddy genau wie Branagh ein Fan der Tottenham Hotspurs. „Außerdem hat er natürlich durch die Ereignisse, in die er verwickelt wird, keine immer ganz leichte Kindheit. Aber am Ende wird dann doch noch alles gut.“
Von der Arbeit an BELFAST war Jude begeistert: „Mir hat das so viel Spaß gemacht. Früher wollte ich eigentlich Softwareentwickler werden. Aber jetzt träume ich davon, Schauspieler zu sein, wenn ich groß bin.“
Ma (Caitríona Balfe) ist die Mutter von Buddy und seinem älteren Bruder Will. Sie ist eine typische Belfaster Arbeiterklasse-Mutter, die ebenso schnell zum Lachen zu bringen ist wie sie wütend werden kann. Sie ist eine liebevolle Ehefrau, doch es kann auch schon mal vorkommen, dass sie den einen oder anderen Teller zerschmettert, wenn ihr Ehemann sie mal wieder auf die Palme bringt. Ihren Kindern widmet sie sich mit genauso viel Hingabe wie der Nachbarschaft, in der sie aufgewachsen ist, und den Freunden und Familienmitgliedern in ihrem Umfeld. Ma umgibt dabei ein gewisser Glamour, der sie von den anderen ein wenig abhebt. Auch ohne viel Geld und trotz mangelnder modischer Optionen gelingt es ihr nämlich stets, sich auf schlichte und bescheidene Weise elegant zu kleiden.
„Sie ist eine wirklich wundervolle und ziemlich komplexe Figur“, schwärmt Balfe. „In ihrem Reich gibt sie letztlich den Ton an und auch in der fest zusammenhaltenden nachbarschaftlichen Gemeinschaft kommt ihr eine Schlüsselrolle zu. Sie meistert die meisten Aufgaben des Lebens problemlos, allerdings ist der Radius ihres Erfahrungshorizonts auch nicht allzu groß. Entsprechend verängstigt beobachtet sie, wie ihre kleine Welt plötzlich vor riesigen Veränderungen steht.“
Balfe identifizierte sich auf vielen Ebenen mit ihrer Rolle, nicht zuletzt weil ihre eigene Mu tter früher in einer ganz ähnlichen Position war. „Wir wohnten eigentlich in der Nähe ihrer Familie, doch als mein Vater in die Nähe der nordirischen Grenze versetzt wurde, war sie gezwungen umzuziehen“, erklärt die Schauspielerin. „Beim Lesen des Drehbuchs dachte ich viel darüber nach, wie es ihr damals wohl ging, als ich noch ganz klein war. Ich selbst habe Irland verlassen, als ich 18 Jahre alt war, und habe seither nicht mehr dort gelebt. Die Vorstellung, einen Punkt in seinem Leben zu erreichen, an dem man auf die eigene Kindheit und die Menschen und Orte zurückblickt, die einen zu dem gemacht haben, der man ist, sprach mich deswegen besonders an. Ich fand das Drehbuch wunderschön, und bei so vielen Erinnerungen, die es allein in mir ausgelöst hat, kann ich mir gut vorstellen, wie emotional die Arbeit am Film für
Kenneth gewesen sein muss. Dass er seine eigenen Erfahrungen in etwas verwandelt hat, das nicht nur das Drama des Moments einfängt, sondern auch voller Freude, Humor und Liebe steckt, finde ich bemerkenswert.“
Pa (Jamie Dornan) ist Buddys Vater, der als Tischler gezwungen ist, in England nach Arbeit zu suchen, wo es mehr Jobs gibt und die Bezahlung besser ist. Letzteres ist nicht zuletzt deswegen wichtig, weil es wenig Ärger mit dem Finanzamt gibt. Alle ein bis zwei Wochen kehrt er zu seiner geliebten Familie in Belfast zurück, wo er ein hingebungsvoller Vater für seine beiden Söhne ist, mit denen er spielt, sie zur Schule bringt oder mit der Familie ins Kino geht.
Auch seinen Eltern Pop und Granny, die ganz in der Nähe wohnen, ist er tief verbunden. Es ist Pa, der als Erster begreift, welchen Gefahren seine Familie in Belfast ausgesetzt ist, und wegen seiner unfreiwilligen Abwesenheit ist er um ihre Sicherheit besorgt. Schließlich braucht er nichts mehr als seine Familie und will sie um jeden Preis beschützen.
„Er ist ein guter Mensch, der auch in schwierigen Zeiten versucht, für seine Familie das Richtige zu tun“, sagt Jamie Dornan. „Und weil ich aus der Gegend stamme, weiß ich, was einen Belfaster ausmacht. Ich erkannte diesen Typ Mann beim Lesen des Drehbuchs sofort. Man kann in Belfast in Angst leben und trotzdem eigentlich in jeder Situation die Freude und das Lachen finden. Dieser ganz besondere Belfaster Sinn für Humor zieht sich nicht nur durch das komplette Drehbuch, sondern war auch zwischen uns Schauspielern und in der Crew immer präsent. Unter anderem deswegen habe ich jede einzelne Minute der Arbeit an diesem Film so geliebt.“
Granny (Judi Dench) ist Buddys Großmutter und die Mutter von Pa. In der Erziehung und Betreuung ihres Enkels spielt sie eine unverzichtbare Rolle. Jeden Tag kommt er nach der Schule zu seinen Großeltern und berichtet ihnen von seinen Problemen mit Mädchen oder seinen Sorgen um seine Eltern. Granny, die als starke, widerstandsfähige Frau natürlich zu Hause die Zügel in der Hand hält, ist als Realistin für scharfsinnige Weisheiten zuständig, als Gegengewicht zu Pops eher romantischem Blick auf das Leben.
„Sie vergöttert Buffy“, sagt Dench. „Ich selbst habe einen Enkel, dem ich sehr nahestehe, deswegen verstehe ich diese Beziehung nur allzu gut. Und was für einen tollen Jungen Ken für die Rolle gefunden hat. Jude hat ein ganz natürliches, instinktives Feingefühl für alles, was vor der Kamera geschieht, und nichts scheint ihn aus der Fassung zu bringen. Er ist einfach sensationell. Ich hoffe wirklich sehr, noch eine Weile mitansehen zu können, zu was für einem
fantastischen Schauspieler er heranwächst.“
Mit Branagh arbeitet Dench regelmäßig zusammen und stand für ihn als Regisseur nicht nur schon mehrfach vor der Kamera, sondern auch auf der Theaterbühne. „Es macht immer sehr viel Spaß, mit Ken zu arbeiten“, berichtet die Schauspielerin. „Ich würde überall mitspielen, wenn er mich darum bittet. Ich weiß noch, wie er mir mal eine Nachricht aus einem Meeting schrieb, mit der Frage, ob er anschließend vorbeikommen könne, um über eine Rolle zu
sprechen, die er mir anbieten wolle. Ich antwortete, dass er auch in dem Meeting bleiben und sich den Weg sparen könne. Denn ich sage sowieso zu, wenn er mir etwas anbietet. Auch ohne zu wissen, worum es geht.“
Im Fall von BELFAST stand er mit dem Drehbuch bei ihr vor der Haustür, erinnert sich Dench: „Ich kann nicht mehr gut genug gucken um selbst zu lesen, also kam Ken vorbei und las mir das komplette Skript vor, ohne Pause. Schon bevor er anfing, hatte ich natürlich wieder zugesagt. Es war ganz offensichtlich, wie viel ihm dieser Stoff bedeutet. Und nun, wo der Film fertig ist, würde ich mit der Arbeit gerne noch einmal von vorne anfangen, so wundervoll war
sie.“
Pop (Ciarán Hinds) ist Buddys Großvater und Pas Vater, ein echter Belfaster durch und durch. Er ist ein charmanter, romantischer, warmherziger, ausgeglichener Mann mit einem trockenen Humor, der seiner Frau zu Füßen liegt, seit sie ihm das erste Mal ins Auge gefallen war. Auch für seinen Enkel ist er mit Hingabe da und gibt sogar manchmal fragwürdige Ratschläge, wie man beim Mathe-Test schummeln kann. Genau wie sein Sohn arbeitete auch er als junger Mann in England, weil man dort besser verdiente, doch seine Arbeit als Bergmann hat Spuren nicht zuletzt an seiner Lunge hinterlassen. In Familie, Nachbarschaft und Gemeinde ist Pop gleichermaßen beliebt.
„Schon das Anziehen meines Kostüms hatte eine enorme Wirkung auf mich“, erinnert sich Hinds. „Die Kleidung erinnerte mich an das, was mein eigener Vater in den Neunzigern getragen hat, was vom Stil her dem entsprach, was er in den Sechzigern getragen hätte.“ Hinds wuchs in Belfast praktisch in der gleichen Nachbarschaft auf wie Kenneth Branagh, auch wenn die beiden sich damals nicht kannten. „Ich bin katholisch aufgewachsen und Ken protestantisch, deswegen hätten sich unsere Wege damals nicht gekreuzt. Ganz zu schweigen davon, dass ich einige Jahre älter bin“, erklärt der Schauspieler. „Sein Film hat mir wirklich das Herz geöffnet mit Blick auf die Geschichte unserer Stadt, die damalige Zeit und meine Kindheit. Das Drehbuch war so zart, sympathisch und witzig – und fing nicht zuletzt die Wärme und den Humor der Menschen und den Zusammenhalt in der Gemeinschaft bestechend gut ein. Und natürlich habe auch ich nicht vergessen, wie damals plötzlich die Gewalt ausbrach, genau wie es nun am Anfang des Films zu sehen ist. Gerade noch war erstmals ein Mensch auf dem Mond gelandet, als einen Monat später Belfast in Flammen stand. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie sich das damals für jemanden in Pops Alter angefühlt haben muss.“
Der Look des Films: Zurück ins Belfast der Sechzigerjahre
Um eine so persönliche Umgebung wie die Straßen seine Kindheit wieder auferstehen zu lassen, wandte sich Kenneth Branagh an den Produktionsdesigner Jim Clay, mit dem er bereits bei seinen drei vorangegangenen Filmen Tod auf dem Nil, Artemis Fowl und Mord im Orient Express zusammengearbeitet hatte.
„Wir spazierten gemeinsam durch die Straßen von Belfast“, berichtet Clay. „Die Straße, die wir schließlich für den Film gebaut haben, existiert heute nicht, aber es gibt noch genug Ecken in der Stadt, wo man ein Gefühl dafür bekommt, wie Belfast in den späten Sechzigerjahren gewesen sein könnte. Ich entdeckte außerdem, wie klein die Stadt letztlich ist. Es war auffällig, in wie vielen Straßen man auf der einen Seite Hügel und Wiesen hinter den Dächern sehen
konnte und auf der anderen die Schiffbauwerften. So weiß man eigentlich immer, wo man gerade ist.“
Er fährt fort: „Natürlich drehten wir auch vor Ort in Belfast, doch wegen der Pandemie war es uns nicht möglich, eine komplette echte Straße in Beschlag zu nehmen und die Menschen zu bitten, für eine Weile aus ihren Häusern auszuziehen. Aber wir fanden eine große freie Fläche am Farnborough Airport im englischen Hampshire, wo wir einen ganzen Straßenzug bauen konnten. Es erscheint verrückt, dass wir unsere Kulissen am Ende einer Start- und Landebahn
eines kleinen internationalen Flughafens errichteten, der durchaus noch in Betrieb war. Aber es funktionierte bestens. Außerdem konnten wir eine nahegelegene leere Schule für etliche Krankenhaus- und Schulszenen nutzen.“
Branagh war begeistert von den Freiheiten, die ihm das eigens erbaute Set bot. „So konnten wir wirklich alles exakt so aussehen lassen, wie ich es wollte, und hatten außerdem genug Platz, das aus allen Richtungen und Winkeln zu filmen“, erklärt er. „Vor allem konnte ich die Straße genau so filmen, wie sie aus der Perspektive des neunjährigen Buddy aussah, mit allen Dingen, die in seinen Augen besonders auffällig waren. Dieser Widerspruch, dass er einerseits in einer sehr realen, harten Umgebung lebt, die für ihn aber je nach Situation auch wie ein Märchenschloss, eine Wild-West-Stadt oder ein Gebirge voller Dinosaurier wirken konnte, ließ sich so wunderbar umsetzen. Die Fantasie eines Neunjährigen kennt eben keine Grenzen – und dafür waren unsere Kulissen Gold wert.“
Gedreht wurde BELFAST in Schwarz-Weiß-Bildern von Branaghs langjährigem Kameramann Haris Zambarloukos, mit dem er schon bei Tod auf dem Nil, Mord im Orient Express, Cinderella und Thor zusammengearbeitet hatte. „Ich bin mit Schwarz-Weiß- und Farbfilmen gleichermaßen aufgewachsen“, sagt Branagh. „Dabei gab es auch das, was ich später als ‚Hollywood-Schwarz-Weiß‘ kannte, samtig-seidig glänzende Schwarz-Weiß-Bilder, in denen jeder und alles automatisch glamouröser aussah. Genau diesen Look wollte ich nun auch für meinen Film, schließlich wirken auf einen Neunjährigen die eigenen Eltern bisweilen sehr glamourös. Außerdem konnte dadurch alles irgendwie überlebensgroß wirken. Wenn wir heute schwarz-weiße Reportage-Fotografien etwa von Cartier-Bresson sehen, wirken die gerade in ihrer Farblosigkeit besonders authentisch, auch wenn für unsere Augen die Welt ja ganz anders aussieht. Das ist ein spannendes Paradox, das gerade durch die Anwendung eines solchen stilistischen, künstlerischen Eingriffs eine Sache letztlich in vielerlei Hinsicht
echter wirkt. Deswegen wollte ich unbedingt, dass dieses Hollywood-Schwarz-Weiß Teil der Mythologie dieser Geschichte ist, um selbst die nüchternste Umgebung noch glamourös und episch wirken zu lassen.“
Im gleichen Kontext wollte Branagh auch Buddys Eltern aus der Sicht ihres Sohnes zeigen, weswegen seine Ansage an Kostümdesignerin Charlotte Walker und Make-up-Designerin Wakana Yoshihara war, dass sie sich zwar an den Möglichkeiten der damaligen Zeit orientieren sollten, doch ohne allzu pedantisch sein zu müssen. „Ich weiß noch, dass Wakana für den Look von Ma mit einem Moodboard ankam, das ausschließlich aus Bildern von Brigitte Bardot in den Sechzigern bestand“, lacht der Regisseur. „Und für Jamie Dornan war es Marlon Brando. Mir gefiel der Gedanke, dass wir dieser Arbeiterklassenfamilie in Belfast einen Hauch dieses Glamours verleihen konnten, ohne zwingend Authentizität einzubüßen. Kleidung und Frisuren können Geschichten auf eine Weise erzählen, die gleichermaßen unsichtbar, aber eben doch greifbar genug ist, um uns eine Zeitreise zurück in diese Welt erleben zu lassen."
Foto:
©Verleih
Info:
Belfast (Großbritannien 2022)
Originaltitel: Belfast
Genre: Drama
Filmlänge: 99 Min.
Drehbuch und Regie: Kenneth Branagh
Darsteller: Jude Hill, Caitriona Balfe, Jamie Dornan, Ciarán Hinds, Judi Dench, Lewis McAskie, Colin Morgan, Lara McDonnell, John Sessions u.a.
Verleih: Universal Pictures International Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 24.02.2022
Abdruck aus dem Presseheft
Dank des weltweiten Erfolgs der Serie Game of Thrones, die in Nordirland gedreht wurde, stieß das BELFAST-Team für das Casting des Films auf eine großartige Infrastruktur vor Ort. Die erste Liste der Jungen, die für die Hauptrolle vorsprachen, umfasste rund 300 Kinder. In einem intensiven und ausführlichen Casting-Prozess, der natürlich virtuell und gemäß dem Social Distancing stattfand, reduzierte das Besetzungsteam sie schließlich auf dreißig und dann auf zwölf, bevor man sich für eine Shortlist entschied, deren Kandidaten via Zoom erneut vorsprachen, bevor die finale Entscheidung getroffen wurde.
„Mit Jude Hill fanden wir einen Jungen, dessen Talent unübersehbar zu erblühen begann, der aber gleichzeitig noch viel Freude daran hatte, ein ganz normaler Junge zu sein“, sagt Branagh. „Fußballspielen war ihm genauso wichtig wie der Film – und genau das wollten wir. Gleichzeitig war er mit großem Ernst bei der Sache, bestens vorbereitet und offen für alles. Das war wichtig, schließlich verlangte ich von ihm im Grunde Paradoxes: Einerseits sollte er ganz er selbst sein und andererseits erwartete ich, dass er all die kleinen Anweisungen umsetzte, die ich ihm zu seiner Performance gab. Aber er hat das ganz wunderbar
hinbekommen. Er legte eine solche Offenheit an den Tag und war vor der Kamera so unglaublich natürlich, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass dies sein erster Film war.“
Was die erwachsenen Rollen angeht, war für Branagh Authentizität das oberste Gebot. „Caitríona Balfe, die Ma spielt, stammt aus Irland, aber sie ist nahe der Grenze aufgewachsen und versteht nicht nur den Dialekt, sondern kennt auch den Alltag irischer Großfamilien“, fasst Branagh zusammen. „Jamie Dornan, dem ich die Rolle des Pa gab, ist ein echter Belfaster Junge, der in einem Vorort der Stadt aufgewachsen ist. Und Ciarán Hinds, der Buddys Großvater Pop spielt, lebte kaum eine Meile entfernt von meinem Zuhause in Belfast.“
„Selbst Judi Dench hat irische Wurzeln, schließlich stammt ihre Mutter aus Dublin“, fährt der Regisseur fort. „Abgesehen davon ist sie natürlich eine absolute Vollblutschauspielerin, deren Recherche stets akribisch ist und die alles spielen kann. Insgesamt hatte diese Gruppe von Schauspieler*innen eine Energie, die mir extrem gut gefiel. Eine Offenheit und Extrovertiertheit im Umgang miteinander, die dazu führten, dass sie sehr schnell zu einer echten Familieneinheit wurden.“
Mit Belfast als Drehort bot sich für Branagh darüber hinaus natürlich auch die Gelegenheit, mit einigen exzellenten nordirischen Schauspielern wie Colin Morgan, Turlough Convery und Conor MacNeill zusammenzuarbeiten.
Die Figuren
Buddy (Jude Hill) ist ein neunjähriger Junge und der jüngere von zwei Brüdern. Er liebt seine Eltern und Großeltern und hat, bis zu den Ereignissen des Films, im Grunde das perfekte Leben. Er kann sorglos in den Straßen spielen, wo ihn jeder kennt, sammelt die Spielzeugautos, die sein Vater ihm aus England mitbringt, guckt im Fernsehen seine geliebten Filme und geht mit der Familie regelmäßig ins örtliche Kino. Wenn es nach ihm ginge, gäbe es in seinem Leben etwas mehr Schokolade und etwas weniger Kirchenbesuche. In der Grundschule gehört er regelmäßig zu den Klassenbesten, was auch bedeutet, dass er
womöglich bald neben der von ihm angehimmelten Catherine sitzen kann. Die möchte er einmal heiraten, wenn er dafür alt genug ist – und endlich mal den Mut zusammenbekommt, mit ihr zu sprechen.
„Als ich das erste Mal das Drehbuch gelesen habe, war ich gleich begeistert“, berichtet Jude. „Ich habe dann alles nachgeschlagen, was ich nicht auf Anhieb verstanden habe. Zum Beispiel einige der typischen Belfast-Ausdrücke, denn ich bin nicht in der Stadt groß geworden. Da habe ich einiges dazugelernt. Buddy ist wie ich, schließlich hat auch er blonde Haare und liebt Fußball. Nur dass er das falsche Team unterstützt.“ Während der junge Schauspieler leidenschaftlicher Liverpool-Anhänger ist, ist Buddy genau wie Branagh ein Fan der Tottenham Hotspurs. „Außerdem hat er natürlich durch die Ereignisse, in die er verwickelt wird, keine immer ganz leichte Kindheit. Aber am Ende wird dann doch noch alles gut.“
Von der Arbeit an BELFAST war Jude begeistert: „Mir hat das so viel Spaß gemacht. Früher wollte ich eigentlich Softwareentwickler werden. Aber jetzt träume ich davon, Schauspieler zu sein, wenn ich groß bin.“
Ma (Caitríona Balfe) ist die Mutter von Buddy und seinem älteren Bruder Will. Sie ist eine typische Belfaster Arbeiterklasse-Mutter, die ebenso schnell zum Lachen zu bringen ist wie sie wütend werden kann. Sie ist eine liebevolle Ehefrau, doch es kann auch schon mal vorkommen, dass sie den einen oder anderen Teller zerschmettert, wenn ihr Ehemann sie mal wieder auf die Palme bringt. Ihren Kindern widmet sie sich mit genauso viel Hingabe wie der Nachbarschaft, in der sie aufgewachsen ist, und den Freunden und Familienmitgliedern in ihrem Umfeld. Ma umgibt dabei ein gewisser Glamour, der sie von den anderen ein wenig abhebt. Auch ohne viel Geld und trotz mangelnder modischer Optionen gelingt es ihr nämlich stets, sich auf schlichte und bescheidene Weise elegant zu kleiden.
„Sie ist eine wirklich wundervolle und ziemlich komplexe Figur“, schwärmt Balfe. „In ihrem Reich gibt sie letztlich den Ton an und auch in der fest zusammenhaltenden nachbarschaftlichen Gemeinschaft kommt ihr eine Schlüsselrolle zu. Sie meistert die meisten Aufgaben des Lebens problemlos, allerdings ist der Radius ihres Erfahrungshorizonts auch nicht allzu groß. Entsprechend verängstigt beobachtet sie, wie ihre kleine Welt plötzlich vor riesigen Veränderungen steht.“
Balfe identifizierte sich auf vielen Ebenen mit ihrer Rolle, nicht zuletzt weil ihre eigene Mu tter früher in einer ganz ähnlichen Position war. „Wir wohnten eigentlich in der Nähe ihrer Familie, doch als mein Vater in die Nähe der nordirischen Grenze versetzt wurde, war sie gezwungen umzuziehen“, erklärt die Schauspielerin. „Beim Lesen des Drehbuchs dachte ich viel darüber nach, wie es ihr damals wohl ging, als ich noch ganz klein war. Ich selbst habe Irland verlassen, als ich 18 Jahre alt war, und habe seither nicht mehr dort gelebt. Die Vorstellung, einen Punkt in seinem Leben zu erreichen, an dem man auf die eigene Kindheit und die Menschen und Orte zurückblickt, die einen zu dem gemacht haben, der man ist, sprach mich deswegen besonders an. Ich fand das Drehbuch wunderschön, und bei so vielen Erinnerungen, die es allein in mir ausgelöst hat, kann ich mir gut vorstellen, wie emotional die Arbeit am Film für
Kenneth gewesen sein muss. Dass er seine eigenen Erfahrungen in etwas verwandelt hat, das nicht nur das Drama des Moments einfängt, sondern auch voller Freude, Humor und Liebe steckt, finde ich bemerkenswert.“
Pa (Jamie Dornan) ist Buddys Vater, der als Tischler gezwungen ist, in England nach Arbeit zu suchen, wo es mehr Jobs gibt und die Bezahlung besser ist. Letzteres ist nicht zuletzt deswegen wichtig, weil es wenig Ärger mit dem Finanzamt gibt. Alle ein bis zwei Wochen kehrt er zu seiner geliebten Familie in Belfast zurück, wo er ein hingebungsvoller Vater für seine beiden Söhne ist, mit denen er spielt, sie zur Schule bringt oder mit der Familie ins Kino geht.
Auch seinen Eltern Pop und Granny, die ganz in der Nähe wohnen, ist er tief verbunden. Es ist Pa, der als Erster begreift, welchen Gefahren seine Familie in Belfast ausgesetzt ist, und wegen seiner unfreiwilligen Abwesenheit ist er um ihre Sicherheit besorgt. Schließlich braucht er nichts mehr als seine Familie und will sie um jeden Preis beschützen.
„Er ist ein guter Mensch, der auch in schwierigen Zeiten versucht, für seine Familie das Richtige zu tun“, sagt Jamie Dornan. „Und weil ich aus der Gegend stamme, weiß ich, was einen Belfaster ausmacht. Ich erkannte diesen Typ Mann beim Lesen des Drehbuchs sofort. Man kann in Belfast in Angst leben und trotzdem eigentlich in jeder Situation die Freude und das Lachen finden. Dieser ganz besondere Belfaster Sinn für Humor zieht sich nicht nur durch das komplette Drehbuch, sondern war auch zwischen uns Schauspielern und in der Crew immer präsent. Unter anderem deswegen habe ich jede einzelne Minute der Arbeit an diesem Film so geliebt.“
Granny (Judi Dench) ist Buddys Großmutter und die Mutter von Pa. In der Erziehung und Betreuung ihres Enkels spielt sie eine unverzichtbare Rolle. Jeden Tag kommt er nach der Schule zu seinen Großeltern und berichtet ihnen von seinen Problemen mit Mädchen oder seinen Sorgen um seine Eltern. Granny, die als starke, widerstandsfähige Frau natürlich zu Hause die Zügel in der Hand hält, ist als Realistin für scharfsinnige Weisheiten zuständig, als Gegengewicht zu Pops eher romantischem Blick auf das Leben.
„Sie vergöttert Buffy“, sagt Dench. „Ich selbst habe einen Enkel, dem ich sehr nahestehe, deswegen verstehe ich diese Beziehung nur allzu gut. Und was für einen tollen Jungen Ken für die Rolle gefunden hat. Jude hat ein ganz natürliches, instinktives Feingefühl für alles, was vor der Kamera geschieht, und nichts scheint ihn aus der Fassung zu bringen. Er ist einfach sensationell. Ich hoffe wirklich sehr, noch eine Weile mitansehen zu können, zu was für einem
fantastischen Schauspieler er heranwächst.“
Mit Branagh arbeitet Dench regelmäßig zusammen und stand für ihn als Regisseur nicht nur schon mehrfach vor der Kamera, sondern auch auf der Theaterbühne. „Es macht immer sehr viel Spaß, mit Ken zu arbeiten“, berichtet die Schauspielerin. „Ich würde überall mitspielen, wenn er mich darum bittet. Ich weiß noch, wie er mir mal eine Nachricht aus einem Meeting schrieb, mit der Frage, ob er anschließend vorbeikommen könne, um über eine Rolle zu
sprechen, die er mir anbieten wolle. Ich antwortete, dass er auch in dem Meeting bleiben und sich den Weg sparen könne. Denn ich sage sowieso zu, wenn er mir etwas anbietet. Auch ohne zu wissen, worum es geht.“
Im Fall von BELFAST stand er mit dem Drehbuch bei ihr vor der Haustür, erinnert sich Dench: „Ich kann nicht mehr gut genug gucken um selbst zu lesen, also kam Ken vorbei und las mir das komplette Skript vor, ohne Pause. Schon bevor er anfing, hatte ich natürlich wieder zugesagt. Es war ganz offensichtlich, wie viel ihm dieser Stoff bedeutet. Und nun, wo der Film fertig ist, würde ich mit der Arbeit gerne noch einmal von vorne anfangen, so wundervoll war
sie.“
Pop (Ciarán Hinds) ist Buddys Großvater und Pas Vater, ein echter Belfaster durch und durch. Er ist ein charmanter, romantischer, warmherziger, ausgeglichener Mann mit einem trockenen Humor, der seiner Frau zu Füßen liegt, seit sie ihm das erste Mal ins Auge gefallen war. Auch für seinen Enkel ist er mit Hingabe da und gibt sogar manchmal fragwürdige Ratschläge, wie man beim Mathe-Test schummeln kann. Genau wie sein Sohn arbeitete auch er als junger Mann in England, weil man dort besser verdiente, doch seine Arbeit als Bergmann hat Spuren nicht zuletzt an seiner Lunge hinterlassen. In Familie, Nachbarschaft und Gemeinde ist Pop gleichermaßen beliebt.
„Schon das Anziehen meines Kostüms hatte eine enorme Wirkung auf mich“, erinnert sich Hinds. „Die Kleidung erinnerte mich an das, was mein eigener Vater in den Neunzigern getragen hat, was vom Stil her dem entsprach, was er in den Sechzigern getragen hätte.“ Hinds wuchs in Belfast praktisch in der gleichen Nachbarschaft auf wie Kenneth Branagh, auch wenn die beiden sich damals nicht kannten. „Ich bin katholisch aufgewachsen und Ken protestantisch, deswegen hätten sich unsere Wege damals nicht gekreuzt. Ganz zu schweigen davon, dass ich einige Jahre älter bin“, erklärt der Schauspieler. „Sein Film hat mir wirklich das Herz geöffnet mit Blick auf die Geschichte unserer Stadt, die damalige Zeit und meine Kindheit. Das Drehbuch war so zart, sympathisch und witzig – und fing nicht zuletzt die Wärme und den Humor der Menschen und den Zusammenhalt in der Gemeinschaft bestechend gut ein. Und natürlich habe auch ich nicht vergessen, wie damals plötzlich die Gewalt ausbrach, genau wie es nun am Anfang des Films zu sehen ist. Gerade noch war erstmals ein Mensch auf dem Mond gelandet, als einen Monat später Belfast in Flammen stand. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie sich das damals für jemanden in Pops Alter angefühlt haben muss.“
Der Look des Films: Zurück ins Belfast der Sechzigerjahre
Um eine so persönliche Umgebung wie die Straßen seine Kindheit wieder auferstehen zu lassen, wandte sich Kenneth Branagh an den Produktionsdesigner Jim Clay, mit dem er bereits bei seinen drei vorangegangenen Filmen Tod auf dem Nil, Artemis Fowl und Mord im Orient Express zusammengearbeitet hatte.
„Wir spazierten gemeinsam durch die Straßen von Belfast“, berichtet Clay. „Die Straße, die wir schließlich für den Film gebaut haben, existiert heute nicht, aber es gibt noch genug Ecken in der Stadt, wo man ein Gefühl dafür bekommt, wie Belfast in den späten Sechzigerjahren gewesen sein könnte. Ich entdeckte außerdem, wie klein die Stadt letztlich ist. Es war auffällig, in wie vielen Straßen man auf der einen Seite Hügel und Wiesen hinter den Dächern sehen
konnte und auf der anderen die Schiffbauwerften. So weiß man eigentlich immer, wo man gerade ist.“
Er fährt fort: „Natürlich drehten wir auch vor Ort in Belfast, doch wegen der Pandemie war es uns nicht möglich, eine komplette echte Straße in Beschlag zu nehmen und die Menschen zu bitten, für eine Weile aus ihren Häusern auszuziehen. Aber wir fanden eine große freie Fläche am Farnborough Airport im englischen Hampshire, wo wir einen ganzen Straßenzug bauen konnten. Es erscheint verrückt, dass wir unsere Kulissen am Ende einer Start- und Landebahn
eines kleinen internationalen Flughafens errichteten, der durchaus noch in Betrieb war. Aber es funktionierte bestens. Außerdem konnten wir eine nahegelegene leere Schule für etliche Krankenhaus- und Schulszenen nutzen.“
Branagh war begeistert von den Freiheiten, die ihm das eigens erbaute Set bot. „So konnten wir wirklich alles exakt so aussehen lassen, wie ich es wollte, und hatten außerdem genug Platz, das aus allen Richtungen und Winkeln zu filmen“, erklärt er. „Vor allem konnte ich die Straße genau so filmen, wie sie aus der Perspektive des neunjährigen Buddy aussah, mit allen Dingen, die in seinen Augen besonders auffällig waren. Dieser Widerspruch, dass er einerseits in einer sehr realen, harten Umgebung lebt, die für ihn aber je nach Situation auch wie ein Märchenschloss, eine Wild-West-Stadt oder ein Gebirge voller Dinosaurier wirken konnte, ließ sich so wunderbar umsetzen. Die Fantasie eines Neunjährigen kennt eben keine Grenzen – und dafür waren unsere Kulissen Gold wert.“
Gedreht wurde BELFAST in Schwarz-Weiß-Bildern von Branaghs langjährigem Kameramann Haris Zambarloukos, mit dem er schon bei Tod auf dem Nil, Mord im Orient Express, Cinderella und Thor zusammengearbeitet hatte. „Ich bin mit Schwarz-Weiß- und Farbfilmen gleichermaßen aufgewachsen“, sagt Branagh. „Dabei gab es auch das, was ich später als ‚Hollywood-Schwarz-Weiß‘ kannte, samtig-seidig glänzende Schwarz-Weiß-Bilder, in denen jeder und alles automatisch glamouröser aussah. Genau diesen Look wollte ich nun auch für meinen Film, schließlich wirken auf einen Neunjährigen die eigenen Eltern bisweilen sehr glamourös. Außerdem konnte dadurch alles irgendwie überlebensgroß wirken. Wenn wir heute schwarz-weiße Reportage-Fotografien etwa von Cartier-Bresson sehen, wirken die gerade in ihrer Farblosigkeit besonders authentisch, auch wenn für unsere Augen die Welt ja ganz anders aussieht. Das ist ein spannendes Paradox, das gerade durch die Anwendung eines solchen stilistischen, künstlerischen Eingriffs eine Sache letztlich in vielerlei Hinsicht
echter wirkt. Deswegen wollte ich unbedingt, dass dieses Hollywood-Schwarz-Weiß Teil der Mythologie dieser Geschichte ist, um selbst die nüchternste Umgebung noch glamourös und episch wirken zu lassen.“
Im gleichen Kontext wollte Branagh auch Buddys Eltern aus der Sicht ihres Sohnes zeigen, weswegen seine Ansage an Kostümdesignerin Charlotte Walker und Make-up-Designerin Wakana Yoshihara war, dass sie sich zwar an den Möglichkeiten der damaligen Zeit orientieren sollten, doch ohne allzu pedantisch sein zu müssen. „Ich weiß noch, dass Wakana für den Look von Ma mit einem Moodboard ankam, das ausschließlich aus Bildern von Brigitte Bardot in den Sechzigern bestand“, lacht der Regisseur. „Und für Jamie Dornan war es Marlon Brando. Mir gefiel der Gedanke, dass wir dieser Arbeiterklassenfamilie in Belfast einen Hauch dieses Glamours verleihen konnten, ohne zwingend Authentizität einzubüßen. Kleidung und Frisuren können Geschichten auf eine Weise erzählen, die gleichermaßen unsichtbar, aber eben doch greifbar genug ist, um uns eine Zeitreise zurück in diese Welt erleben zu lassen."
Foto:
©Verleih
Info:
Belfast (Großbritannien 2022)
Originaltitel: Belfast
Genre: Drama
Filmlänge: 99 Min.
Drehbuch und Regie: Kenneth Branagh
Darsteller: Jude Hill, Caitriona Balfe, Jamie Dornan, Ciarán Hinds, Judi Dench, Lewis McAskie, Colin Morgan, Lara McDonnell, John Sessions u.a.
Verleih: Universal Pictures International Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 24.02.2022
Abdruck aus dem Presseheft