Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. April 2022, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zwei Besonderheiten prägen den Film. Zum einen geht es um eine Lebensbiographie, wobei die kurzen Jahre der Ehe, begleitet vom Kater Peter zentral sind. Wains Leben (1860-1939) wird nicht von außen erzählt, sondern von innen. Das andere ist die Art und Weise des Erzählens und die filmische Umsetzung, zu der auch die Maske gehört. Der von Cumberbatch dargestellte Maler – ach was, man glaubt einfach, er sei der Maler, schon weil er anders aussieht als sonst – wirkt wie eine Märchenfigur, die Bilder oft leicht verschwommen, was nicht nur märchenhaft wirkt, sondern ins Surreale kippt, was ja nicht falsch ist, lebt Wain doch durchaus auch vom Wahn. Wain und Wahn.
Diese spezielle Künstlichkeit, die gerade normal, nämlich wie von gestern wirken soll, kann man auch auf den Filmbildern erkennen. Daß gerade zwei Wochen hintereinander Filme anlaufen, bei denen ich mir sagen muß und deshalb auch darüber schreibe, daß ich nicht objektiv bin, ist schon komisch. Aber es stimmt. Bei Katzen bin ich so was von zugewandt, ja süchtig, da gefällt mir schon jeder Film, der diese so klugen wie schönen wie unberechenbare Tiere zeigt. Es sind nämlich Tiere und keine Schmusekissen. Nur manchmal. Aber in diesem Fall mit Kater Peter geht es um eine Wiedergeburt, denn unsere Redaktionskatze Burli sieht doch genauso aus. Aber als echter Katzenfan weiß ich, daß die Schwarzweißen sich alle ähneln.Trotzdem müssen seine Fotos - winters und sommers - in diesen Artikel.
Und weil ich eigentlich in jede Katze verschossen bin, sind mir die Katzen im Film viel zu wenig. Sowohl als Filmkatzen wie auch in den Bildern von Louis Wain. Der Maler ist zwar auch als Mensch interessant, aber er hatte ja zu seiner Zeit eine immense Bedeutung, denn er hat in England eine Katzenmanie ausgelöst, in jedem besseren Haus hingen die wild- zärtlichen Gefährtinnen. Das ist deshalb so erwähnenswert, weil – siehe die Queen – sich die englische Oberschicht eher mit Hunden und mit Pferden umgab, was auf die Vorliebe des Bürgertums abfärbte. Katzen aber sind grundsätzlich das Gegenteil von dressier- und zähmbar.
Doch wird dies kein Thema, was daran liegt, daß es im Film zu wenig um Kunst geht. Für mich. Wir kennen doch den Künstler Louis Wain kaum und wir lernen ihn auch nicht kennen. Wir lernen den Menschen Wain kennen und das ist interessant genug. Deshalb gefällt mir der Film trotz der Fehlstellen als eine eigene Gattung von Künstlerfilm, wo das eigene Leben versponnen mit der Zeit erscheint. In den Vorartikeln wurde soviel zum Biographischen geschrieben, daß wir das kurzfassen können: Früher Tod des Vaters, der Wain zum Ernährer der Mutter und fünf Schwestern machte. Was gelang. Sogar eine Gouvernante für die Schwestern war drin, in die er sich verliebt und sie trotz familiärer und gesellschaftlicher Widerstände heiratet. Doch eigentlich ist es ein Dreier! Die Liebes- und schnelle Krankengeschichte spielt nämlich zwischen den Eheleuten und Kater Peter, den er auf abgehobene Weise, schräg und farbenfroh psychedelisch darstellt, der Wain zum Ruhm und Einkommen verhilft und der kurzen Ehe gewissermaßen als Kind dient. Schnell stirbt die Gouvernante an Krebs. Das ist in den 1880er Jahren.
Und jetzt tut sich eine weitere Fehlstelle im Film auf. Der Zusammenhang oder der fehlende Zusammenhang zwischen Kunst und Wahn, hier Schizophrenie, erst posthum diagnostiziert, deretwegen er 1924 in einer Armenabteilung eines Hospitals eingeliefert wurde und bis zum Tod 15 Jahre blieb. Im Film werden seine Katzendarstellungen auf seine immanente Krankheit zurückgeführt, so als ob sich in den Bildern schon seine psychische Verfassung manifestiere, bzw. ankündige.
Das verschweigt aber Wains Künstlerschaffen, der schon ganz früh als Lehrer an der Akademie tätig war, aber dann nach dem Tod des Vaters mehr Geld verdienen mußte, was ihm mit den Katzenbildern gelang. Seine späten, zur Abstraktion verdichteten Katzenbildnisse müssen nicht Wahn sein, sondern reihen sich ein in die Geschichte der Abstraktion. Diese Katzen sehen erst aus, als ob sie einen Stromschlag erhalten hätten, woraus dann später nur noch Farbexplosionen werden.
Und nun kommt noch etwas ganz Wichtiges, was im Film verloren ging. Wain lebte drei Jahre, von 1907 bis 1910 in New York, wo er Katzencomics malte und eine Tradition begründete, bzw. verstärkte, die bis heute im New Yorker Museum für Moderne Kunst zu bewundern ist. Die Comics über Katzen. Je doller, desto lieber. Die Katzenhasser Comics als Widerspiegelung der Abhängigkeit von diesem Tier, haben dort Kultcharakter. Die Fotos der Comicbücher, die dann auch in Deutschland populär wurden, können dies auf der linken Seite zeigen.
Mit einem Wort. Der Künstler Louis Wain kommt im Film viel zu kurz! Aber für die Darstellung des versponnenen Genies und den herausgesuchten Höhepunkten seines Lebens ist dieser Film jeden Besuch wert. Jeden!
P.S. Wie sehr die Redaktionskatzen und die kätzische Kunst sich auf den Redaktionswänden verteilen, kann die untere Darstellung zeigen.
Fotos:
Titelbild
©Verleih
andere Fotos
©Redaktion
Info:
STAB
Regie WILL SHARPE
Drehbuch SIMON STEPHENSON UND WILL SHARPE
basierend auf der Geschichte von SIMON STEPHENSON
BESETZUNG
Louis Wain BENEDICT CUMBERBATCH
Emily Wain CLAIRE FOY
Caroline Wain ANDREA RISEBOROUGH
Sir William Ingram TOBY JONES
Josephine Wain SHARON ROONEY
Claire Wain AIMEE LOU WOOD
Marie Wain HAYLEY SQUIRES
Felicie Wain STACY MARTIN
Mrs Wain PHOEBE NICHOLLS
H.G. Wells NICK CAVE
Narrator OLIVIA COLMAN