northman2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. April 2022, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ehrlich gesagt ist das höherer Schwachsinn und ein irrsinniges Gemetzel, aber mit solch überwältigenden Naturaufnahmen von Island gepflastert, daß für mich THE NORTHMAN schon als eindrücklicher Naturfilm durchgeht. Und dann gibt es noch einen Dreh mitten in der Geschichte, wo dem Helden eine sehr sehr unliebsame Wahrheit präsentiert wird. Das hat was, weil es das so gewaltig-furchtbare, wie dann doch 08/15 Gemetzelgeschehen eindeutig konterkarriert. Stark.

Aber von vorne, wobei doch vorneweg gesagt werden muß, daß es sich um einen Wikingerfilm handelt, der im 10. Jahrhundert spielt, dessen Besonderheit aber ist, daß er historisch daherkommt und nicht mit den albernen Wikingerutensilien spielt, die ansonsten seit dem 19. Jahrhundert deren Geschichte zum Kitsch machen. Da ist die glückliche Familie, zumindest erlebt das der Sohn Amleth (Oscar Novak) so, als er im väterlichen Königreich im Nordatlantik, nahe den Orkneyinseln auf Geheiß des Vaters, König Aurvandil (Ethan Hawke) von seinem Vater in einem Ritual als dessen potentieller Stellvertreter gekürt wird und die Mutter, Königin Gudrún (Nicole Kidman) glückselig dazu lächelt. Doch mitten in die Feier hinein sprengt des Königs eifersüchtiger, ja neidischer Halbbruder und Amleths Onkel Fjölnir (Claes Bang) diese und ermordet den König. Der zehnjährige Amleth kann fliehen und der Film erzählt nun seine Geschichte, die eine der Rache sein muß und auch eine des Wiedererlangens der Königswürde, denn er ist der rechtmäßige Nachfolger seines ermordeten Vaters.

Stimmt, das kommt Ihnen bekannt vor. Solche Geschichten gibt es immer wieder, hier aber liegt der gemeinsame Urspung im  Heldenepos von Hamlet, dem dänischen Prinzen, der sich von Amleth aber mehr als nur im veränderten 't' unterscheidet, das von vorne nach hinten gerutscht ist. 

Vater- und vaterlandslos schließt sich Amleth marodierenden Wikingern an, wobei er alle militärischen Techniken perfekt erlernt, die die Voraussetzung zum Überleben sind, wobei das Schwert die wichtigste Waffe ist. Ja, stimmt, wenn man Wagners Ring kennt, dann kommen einem viele der Symbole im Film sehr bekannt vor.

Nach 20 Jahren ist nun Amleth(Alexander Skarsgård) durch die Raubzüge durch Nord- und Osteuropa als mächtiger Waffenmann gestählt. Bei den nach den Raubzügen mit vielen Toten stattfindenden Besäufnissen mahnt ihn eine Seherin (Björk), daß er doch eine Mission zu erfüllen habe.

Ja, stimmt und schon erfüllen Amleth erneut seine Rachepläne, erst recht, nachdem er weiß, daß sein Onkel Fjölnir auf Island lebt und dort einen Hof bewirtschaftet. Wo ist das Königreich geblieben? In den grundsätzlich kriegerischen Zeiten wechseln die Orte und Herrschaften ständig. 

Amleth läßt sich als Sklave für Island kaufen, lernt dabei Olga von Birkenwald (Anya Taylor-Joy) kennen, die die menschliche und emotionale Seite in ihm weckt, zusammen treffen sie als Sklaven also auf Fjölnirs Hof ein, wo sein Bruder und ein neuer Halbbruder leben und er seine nach 20 Jahren alterslose schöne Mutter wiedersieht. .

Nun wartet er auf die Gelegenheit, sich zu rächen – und sie kommt.

Doch als er freudig seine Mutter angesichts des Todes ihres Gattenmörders begrüßt, kommt alles ganz anders. Wie gesagt, allein für diese Wendung taugt das ganze Geklapper, die vielen auf Pferden getöteten Männer und wie immer, viel schlimmer, die sterbenden Pferde, die vergewaltigten Frauen etc.

Was ich dem Film darüberhinaus abgewinnen kann, ist seine historische Ausgangslage, die allerdings so schnell vorbeizieht, daß bei der Pressevorführung keiner der Kollegen dies erkannte. Ganz am Anfang spielt nämlich auf der Leinwand Kiew eine Rolle, was klar ist, denn Kiew ist im Mittelalter Ursprung der Rus, die zur Gründungsdynastie Rußlands wurde. Traditionell haben die nordischen Länder schon immer in Weißrußland und der heutigen Ukraine, den Kornkammern, Kriege geführt und später lange die Bevölkerung beherrscht, bis im großen Nordischen Krieg zwischen Rußland unter Peter I. und Schweden unter Karl XII. 1709 in der Schlacht bei Poltawa die Schweden besiegt wurden. Erneut hat die Gegend um Kiew die Einheit des russischen Zarenreichs gesichert. 

Keiner konnte beim Konzipieren und Drehen des Films den Überfall Putins auf die Ukraine ahnen, der im Februar stattfand und bis heute massenhaft Leid über die ukrainische Bevölkerung bringt und auch vielen russischen Soldaten das Leben kostet. Daß Putin bis jetzt Kiew nicht direkt angreift, hat seine Besonderheit eben in der Kiewer Rus, die im Mittelalter die russische Nation begründete. Gleichzeitig ist dies auch Putins Motivation, sich, das heißt Rußland Kiew und die Ukraine einzuverleiben. So wie es nicht nur in der Sowjetunion, sondern zuvor im Russischen Kaiserreich war. Ungewollt bringt so dieser Film das Problem von historischer Kontinuität als Movens kriegerischen Handelns auf den Tisch. Denn auch Amleth wollte nicht nur den Vater rächen, sondern sich auf desseb Thron setzen, der aber in den Wirren der Zeit verschwunden ist.

Der Film wird wahrscheinlich seiner Aufnahmen im kriegerischen Geschehen wegen gelobt, was insbesondere Männer in die Kinos treibt, Szenen von Gewalt und Blut, die mir alle fürchterlich sind, denn ich brauche kein Gemetzel auf der Leinwand. Aber das Drumherum und den geschichtlichen Kontext, finde ich interessant.

Foto:
©Verleih

Info:
STAB
Regie ROBERT EGGERS
Drehbuch ROBERT EGGERS, SJÓN

BESETZUNG
Rolle                          Schauspieler                           Synchronstimme
Amleth                       ALEXANDER SKARSGÅRD      Sascha Rotermund
Fjölnir                        CLAES BANG                           Thomas Schmuckert
Königin Gudrún         NICOLE KIDMAN                      Petra Barthel
Olga                          ANYA TAYLOR-JOY                   Lina Rabea Mohr
König Aurvandil         ETHAN HAWKE                         Frank Schaff
Heimir                        WILLEM DAFOE                       Reiner Schöne
Junger Amleth          OSCAR NOVAK                          Vicco Clarén