Bildschirmfoto 2022 04 21 um 22.03.12Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. April 2022, Teil 7

Redaktion

London (Weltexpresso) – Für THE NORTHMAN vermischten Eggers und Sjón die Amletus-Legende mit Elementen isländischer Sagen und nordischer Mythen, um eine vollkommen neue Geschichte zu schaffen, die sich zur Zeit der 10. Jahrhundertwende zuträgt. Geschrieben auf Altisländisch (einem altnordischen Dialekt) und im 9., 10. und 11. Jahrhundert spielend, sind die isländischen Familiensagas Prosaerzählungen, die auf historischen Ereignissen basieren und
sich primär um das Leben in der Region drehen. Im Gegensatz dazu wurden in den Vorzeitsagas, aus denen die Amletus-Geschichte entstanden ist, Elemente der mittelalterlichen Romantik verwendet, um eher übernatürliche und abenteuerlastige Geschichten zu erzählen.

„Die Vorzeitsagas spielen noch immer hauptsächlich im Wikingerzeitalter, aber sie sind weitaus wirklichkeitsfremder als die (eher häuslich orientierten) Familiensagas, insofern, als Monster, Drachen und Helden vorkommen, die Prinzessinnen retten“, erläutert Neil Price, britischer Archäologie-Professor und Autor, Spezialist im Fachgebiet Magie, Zauberei und Religion der Wikingerzeit – bei THE NORTHMAN hat er auch als Berater fungiert. „Die Amletus-Geschichte ging anders als die Familiensagas aus dem legendären Ende der Dinge hervor, und diesen Unterschied haben die Drehbuchautoren durchaus verstanden. Eines der ersten Dinge, die Robert zu mir sagte, war, dass ich diesen Film als auf einer Vorzeitsaga basierend betrachten sollte – das Fantasy-Element war ihm wichtig. Wie bei seinen anderen Filmen können die magischen und fantastischen Aspekte der Geschichte vom Zuschauer als reelle Handlung oder als Bewusstseinszustand interpretiert werden.“

Die Autoren unterteilten die Geschichte auf drei zentrale Schauplätze, wobei sie den Anbruch des 10. Jahrhunderts als historischen Ankerpunkt verwendeten. Der Film beginnt in der Mitte der Wikingerzeit, nachdem die Skandinavier sich über die Nordsee hinweg ausgebreitet und begonnen haben, auf den britischen Inseln und jenseits des Nordatlantik zu siedeln. Während des Prologs der Geschichte, die im fiktiven Inselkönigreich Hrafnsey, irgendwo um Orkney und
die Shetlandinseln herum spielt, ist Amleth ein kleiner Junge, der dazu erzogen wird, den Thron seines Vaters zu erben.

Mehrere Jahrzehnte später befindet Amleth sich in einer radikal anderen Umgebung, nachdem er in Folge einer schockierenden Gewalttat aus Hrafnsey in das Land der Rus geflohen ist. Als gestandener Krieger ist er nun Teil eines Wikinger-Überfallkommandos, das in den Flussgebieten Osteuropas agiert, wo die östlichen Wikinger während des 10. Jahrhunderts handelten, plünderten und siedelten. 

In Verkleidung erreicht Amleth im Jahr 914 auf einem Sklavenschiff auf dem Weg nach Island die Küste eines Territoriums, das erst seit ein paar Jahrzehnten besiedelt wird. Als Land ohne Könige bildete Island damals ein einzigartiges Sozialexperiment, geschaffen als eine Republik für freie Bauern – ein Ort, an dem man ein neues Leben beginnen konnte, oder wie im Falle von Amleths Onkel Fjölnir vor einem alten fliehen. „Das hier ist bei Weitem die exakteste Abbildung der Wikingerzeit, die ich je gesehen habe“, sagt Price. „Ich besuchte das Set während der Pre-Production, als sie mitten in dem Prozess steckten, all das zum Leben zu erwecken, und ich war überwältigt – ich hatte noch nie zuvor in einem Historienfilm eine solche Aufmerksamkeit fürs Detail erlebt.“


EIN WIKINGEREPOS NIMMT FORM AN

Skarsgård begann vor mehr als zehn Jahren mit der Entwicklung eines Wikingerfilms. Tatsächlich geht die Idee für das Projekt zurück auf die Kindheit des Schauspielers und Produzenten, als er das erste Mal von Wikingermythen und -legenden verzaubert wurde. Geboren im schwedischen Stockholm, wuchs Skarsgård umgeben vom Erbe der Wikinger auf. Viele Jahre später, nachdem seine Rolle als Vampir Eric Northman in True Blood ihn ab 2008 berühmt gemacht hatte, begann Skarsgård, sich das Wikingerepos seiner Träume vorzustellen, in dem er nicht nur spielen, sondern auch als Produzent fungieren würde. Ein Entwicklerteam arbeitete eine Weile an dem Projekt, doch es kam nie über das Schreibstadium hinaus. 

„Es fiel uns schwer, festzulegen, wo wir die Welt betreten würden, weil die Wikingerepoche mehr als ein Jahrhundert lang andauerte, und sie bereisten die ganze Welt“, erklärt Skarsgård. „Eine Sache, die von Anfang an konstant blieb, war die spezifische Atmosphäre – wir wollten, dass die Geschichte das lakonische Gefühl der Isländersagas widerspiegelt.“ Ein paar Jahre später begannen Skarsgård und der dänische Produzent Lars Knudsen, nach einem Filmemacher mit einer besonderen Vision zu suchen, der den einzigartigen Ton der Isländersagas verstand und der mit der Kultur und der Geschichte der Wikinger vertraut war.

Knudsen, der 2013 Robert Eggers’ Regiedebüt, die Arthouse-Horrorsensation The Witch, produziert hatte, brachte Eggers Skarsgård gegenüber ins Gespräch.
„Eggers enwickelte eine Aufmerksamkeit fürs Detail, wie ich sie noch nie gesehen hatte,” so Skarsgård. Sechs Monate später trafen der Schauspieler und der Regisseur sich in New York und verbrachten letztlich einen ganzen Nachmittag damit, über Wikingermythologie zu sprechen.

„Rob wird das Gegenteil behaupten, aber er wusste bereits einiges über Wikinger, u. a. über ihre Kultur, Geschichte und Literatur“, erinnert sich Skarsgård. „Er war absolut begeistert von dem Projekt, und ich rief sofort Lars an, um ihm Rob für die Regie unseres Films vorzuschlagen. Er sagte zu und wir hätten nicht begeisterter sein können.“

Anders als Skarsgård war Eggers nicht von kleinauf von der Wikingerkultur verzaubert gewesen. Er hatte mittelalterliche Ritter bevorzugt, war von dem Macho-Klischee der Wikinger abgeschreckt und wusste nur sehr wenig über die Isländersagas. Nachdem The Witch herausgekommen war, reisten Eggers und seine Frau nach Island. „Sowie wir in Reykjavík gelandet waren und die isländischen Landschaften sahen, die so sehr aus der Zeit zu fallen
scheint, wollte ich dort einen Film drehen“, so Eggers.

Nachdem sie das isländische Saga Museum besucht hatten, lernten sie auf einer Dinnerparty den Schrifsteller und Drehbuchautor Sjón (Der Junge, den es nicht gab, CoDex-1962-Trilogie) kennen. „Ich fragte ihn, worüber er gerade schrieb, und er antwortete, dass es in seinem letzten Roman um Hexerei im Island des 17. Jahrhunderts gegangen sei, also verstanden wir uns sofort blendend“, so Eggers, dessen Spielfilmdebüt in einem ähnlichen Milieu angesiedelt
war. „Als ich in die Staaten zurückkam, las ich seine Bücher und war sofort davon fasziniert, wie er in seinen Werken in die Vergangenheit eintaucht.“ Eggers schickte Skarsgård und Knudsen den mythischen Prolog von Sjóns Hexereiroman Das Gleißen der Nacht von 2008. „Allein dem Prolog nach zu urteilen, spürte ich, dass er perfekt dafür wäre, dieses Wikingerprojekt mit mir zusammen zu schreiben“, so Eggers. „Alexander und Lars stimmten zu, und Sjón kam als unser Co-Autor mit an Bord.“

Eggers kehrte 2018 nach Island zurück und begann, mit Sjón THE NORTHMAN zu schreiben, wobei er sich auf die Isländersagas konzentrierte und sich die Inselkultur und Landschaft Islands als Schauplatz des Films vorstellte. „Beim Schreiben einen Isländer an meiner Seite zu haben, vor allem einen so brillanten und magischen wie Sjón, ermöglichte es, diese Geschichte genauso authentisch zu machen, wie sie meiner Meinung nach sein musste“, so Eggers. „Später erwischte ich mich dabei, wie ich am Filmset laut über die Dinge lachte, die wir uns in seiner Küche ausgedacht hatten, während ich zusah, wie diese Geschichte zum Leben erwachte.“

New Regency produzierte und co-finanzierte Der Leuchtturm, und bei der Premiere des Films bei den Filmfestspielen in Cannes 2019 erzählte Eggers New-Regency- Vorstandschef und -CEO Yariv Milchan, Präsident für Film und Fernsehen Michael Schaefer und Vizepräsident der Produktion Sam Hanson von dem Projekt. Daraufhin kam New Regency sofort an Bord, entwickelte das Drehbuch weiter und begann, den Film zu besetzen. Außerdem holte man Produzent Mark Huffam dazu, einen langjährigen Mitarbeiter von Michael Schaefer bei diversen Ridley-Scott-Filmen. Huffam begann mit der Aufstellung eines Produktionsplans, der Dreharbeiten im nordirischen Belfast vorsah, wo er seinen Sitz hat.

Während sie auf das fertige Drehbuch hinarbeiteten, holte Eggers drei Fachleute mit dazu, um Feedback zu der Geschichte zu erhalten, neben Price, dem Archäologieprofessor und Autor von Children of Ash and Elm: A History of the Vikings, einer umfassenden Beschreibung der Wikingerzeit, außerdem Terry Gunnell, Professor für Volkskunde an der Universität von Island, sowie Historikerin Jóhanna Katrín Fridriksðóttir, Autorin von Valkyrie: The Women of the
Viking World und Expertin für Wikingersagen und -poesie. „Diese drei Fachleute waren unsere Megahelden, aber mit Produktionsbeginn haben wir auch mit Mitgliedern von experimentellen Gruppen gesprochen, die historische Szenen nachspielen, um zu garantieren, dass wir unsere Geschichte so authentisch wie möglich erzählen konnten“, so Eggers.

Foto:
©Verleih

Info:
STAB
Regie ROBERT EGGERS
Drehbuch ROBERT EGGERS, SJÓN

BESETZUNG
Rolle                          Schauspieler                           Synchronstimme
Amleth                       ALEXANDER SKARSGÅRD      Sascha Rotermund
Fjölnir                        CLAES BANG                           Thomas Schmuckert
Königin Gudrún         NICOLE KIDMAN                      Petra Barthel
Olga                          ANYA TAYLOR-JOY                   Lina Rabea Mohr
König Aurvandil         ETHAN HAWKE                         Frank Schaff
Heimir                        WILLEM DAFOE                       Reiner Schöne
Junger Amleth          OSCAR NOVAK                          Vicco Clarén

Abdruck aus dem Presseheft