rabSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. April 2022, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Weltexpresso hatte schon mehrfach über diesen durch Menschlichkeit überzeugenden Film geschrieben, da er auf der Berlinale zu sehen war und sowohl die Hauptdarstellerin wie die Drehbuchschreiberin Bären gewannen. Man kann schlicht sagen, daß diesen Film jeder Bundesbürger anschauen sollte, weil es jeden von uns angeht, was in unserem Namen passiert. So finde ich beispielsweise nicht negativ, daß der derzeitige Bundespräsident Steinmeier gute Beziehungen zu Rußland herzustellen und zu wahren suchte, aber sehr verwerflich, daß er alsZuständiger in der Bundesregierung sich nicht entschieden für den Bundesbürger Kurnaz, der von den USA  in Guantanamo inhaftiert und gefoltert wurde, eingesetzt hatte und ihn nach Hause holte.

Man sieht, wie schnell man bei diesem politischen Thema über den Fall sprechen will, aber jetzt soll es nur um den Film gehen, der dem Leben nachgezeichnet ist und dessen erfreuliches Ende letzten Endes auf die Entschiedenheit einer Mutter zurückzuführen ist, der besagten Rabiye Kurnaz, die in Verbund mit einem so trockenen wie warmherzigen Rechtsanwalt ein außerordentliches Spektakel zuwegebringt, dessen Ergebnis die Freilassung ihres Sohnes war. 

Es ist der Herbst 2001, der noch immer erschüttert auf die Zerstörung des World Trade Center in New York durch islamistische Terroristen reagiert. Als der 19jährige Bremer Murat Wochen darauf nach Karatchi fliegt, was keiner zu Hause richtig weiß, wird er in Pakistan verhaftet und von den Amerikanern in das exterritoriale Gefängnis Guantanamo auf Kuba verschleppt. Das ist für diejenigen vorgesehen, die ohne Anklage und ohne notwendige Beweise außerhalb der USA, aber von ihnen wegen vermuteten Terrorismus inhaftiert worden sind und unter Drohungen und körperlichen Schmerzzufügungen zu Aussagen gebracht werden sollen, zu Geständnissen also, ob sie nun stimmen oder nicht. Über den Aufenthalt des Deutschen Kurnaz im dortigen Gefängnis gibt es bereits einen von ihm verfaßten Bericht, einen Film und viele Filmsequenzen. Dieser Film hier will etwas ganz anderes. Er erzählt die Geschichte der Mutter Rabiye (Meltem Kaptan), die mit ihrem ebenfalls aus der Türkei stammenden Mann erst hilflos und dann immer pfiffiger werdend wie David gegen Goliath den Kampf gegen das mächtige Amerika, gegen den Präsidenten der USA aufnimmt - und gewinnt. 
 
Möglich wird das nur, weil sie auf den Menschenrechtsexperten, den Rechtsanwalt Bernhard Docke stößt, der äußerlich das Gegenteil der fülligen und temperamentvollen Rabiye ist und ihrer überbordenden Art eine gewisse norddeutsche Gelassenheit und Trockenheit entgegenbringt, die auch einen trockenen Humor einschließt, so daß die beiden neben ihrer Rettungsaktion viel zu lachen haben. Und die Zuschauer auch. Die Frau ist eine Wucht und in der Darstellung durch die sonst auf der Bühne als Comendien stehende Meltem Kaptan von einnehmender Überzeugungsgewalt. Dabei folgt der Film der wahren Geschichte und man glaubt es kaum, wie sie in Amerika mit dem treuen, rechtlich versierten und kreuzkomischen Anwalt die USA aufmischt. Nein, der Film übertreibt nicht, denn es geht einerseits um rechtswidriges staatliches Handeln und andererseits um nicht nachlassende Mutterliebe, die mit Leidenschaft und Energie auch dann noch auftrumpft, wenn kurzzeitig die rechtlichen Möglichkeiten erschöpft scheinen. 

An diesem Donnerstag laufen viele Filme an. In der Zeitschrift epd film sind für den 28.4. zehn Filme angekündigt, die mit bis zu fünf Sternchen versehen sind. Dabei haben drei deutsche Filme drei Sternchen, darunter dieser Film, dessen Regisseur Andreas Dresen für seine Filme berühmt ist, dem hier aber vorgeworfen wird, er werde der politischen Dimension in dieser 'Feelgood-Tragikkomödie nicht gerecht. "Werch ein Illtum!“, kann man da nur mit Ernst Jandl sagen. Wäre das ein amerikanischer Film, so behaupte ich, hätte er mindestens einen Stern mehr. Denn die fünf US-englisch-französischen Filme haben allesamt vier, ja einer sogar fünf Sterne, darunter Downtown Abbey II. In der epd-Kritik wird der Andreas-Dresen-Film dann an ganz anderen Kriterien gemessen, als er selbst an seinem Film zugrunde legte. Eine solch tragische Geschichte zu einem Film zu machen, den Leute gerne anschauen und mit getankter Kraft nach Hause gehen, hat eine so abwertenden Filmkritiken nicht verdient. Da denkt man gleich weiter an Bert Brecht, der beim niedergeknüppelten Arbeiteraufstand 17. Juni 1953 der DDR-Führung vorschlug, ein anderes Volk zu wählen. 

Foto:
©Verleih

Info:
Stab
Drehbuch Laila Stieler
Regie Andreas Dresen

Besetzung
Rabiye Kurnaz     Meltem Kaptan
Bernhard Docke    Alexander Scheer
Marc Stocker      Charly Hübner
Mehmet     Nazmi Kirik
Nuriye     Sevda Polat
Cem (11).   Ali-Emre Sahin
Cem (13 – 15)    Mert Dincer
Attila (6)        Lemi Og˘ul Tan Ungan
Attila (8 – 10)       Devrim Deniz Aslan
Murat Abdullah      Emre Öztürk
Fadime.  Safak Sengül