Die Wettbewerbsfilme der 64. Berlinale vom 6. bis 16. Februar 2014, Film 14

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Dieser Film des brasilianischen Regisseurs Karim Aïnouz gilt in seiner Heimat sicher als Provokation, denn ein Brasilianer namens Donato lernt den Berliner Konrad kennen, wird mit ihm ein schwules Liebespaar und beide verlassen flugs das Land, weil sie in Berlin leben wollen, wobei am Schluß des Films auch noch der kleinere Bruder Ayrton nach Berlin kommt.

 



Alle Brasilianer nach Berlin oder nur alle schwulen Brasilianer? Das war eine der süffisanten Anmerkungen nach der Filmpremiere als vierzehnter Film im Wettbewerb. „Strand der Zukunft“ heißt die Gegend am Meer, wo die Familie von Donato lebt und wo wir ihn als Tauchlehrer kennenlernen, für den das Zusammensein mit seinem kleinen Bruder Ayrton das Wichtigste ist. Bis er den Berliner Konrad kennenlernt, der mit seinem Freund auf dem Motorrad nach Patagonien wollte, dieser Freund jedoch aus den Wellen am Strand der Zukunft - Konrad hatte Donato retten können -nicht mehr auftaucht, also keine Zukunft hat und auch als Leiche verschollen b leibt, obwohl die Brasilianer sich sehr ernsthaft und ausdauernd um das Finden kümmern.



Stattdessen fliegt Konrad jetzt also mit seinem brasilianischen Geliebten nach Hause, der erst einmal Anpassungsschwierigkeiten hat, kalt ist ihm auch und vor allem gibt es kein Meer um Berlin. Aber nach und nach findet sich Donato zurecht, wird wieder ein Schwimmlehrer und arbeitet mit Kindern und Jugendlichen. Warum und weshalb die Beziehung zwischen den beiden zerbricht, zumindest stark gestört ist, wird unvermittelt klar, wenn auf einmal der kleine Bruder, der nun ein junger Erwachsener ist, auch nach Berlin kommt, um seinen Bruder zu suchen, denn er hat nie wieder etwas von ihm gehört. Er findet den Bruder allein lebend vor und spricht ihn erst einmal aggressiv an, weshalb er und die Familie – die Mutter ist noch dazu gestorben – nie wieder etwas von Donato gehört hatten.



Konrad kann schlichten und auch Ayrton wird sich in den Strudel der fremden Stadt werfen, und auch er wird mehr Fragen als Antworten finden. In seinem neuen Spielfilm folgt der in Berlin lebende brasilianische Regisseur Karim Aïnouz erneut Liebes- und Identitätssuchern, die alles riskieren, um zu sich selbst und zu ihren Gefühlen zu finden. In einem poetischen Ausklang sehen wir die drei auf Motorrädern im Dunst in die Ferne düsen, nachdem sie das nächstgelegene Meer von Berlin – die Ostsee – aufgesucht haben und den Wind um die Ohren und die Füße im Sand hatten.

 

Aus der Pressekonferenz

 

Anwesend:

Jesuita Barbosa, erwachsen gewordener kleiner Bruder Ayrton

Wagner Moura, Donato

Karim Aïnouz Regisseur

Clemens Schick, Konrad

 

Karim Aïnouz ist Brasilianer und lebt in Berlin. Geht es im Film um Angst? Nein, nicht vordergründig, sagt der Regisseur, wir müssen von Mut reden, es geht um Freiheit, Leute, die unterwegs sind und reisen etc. aber innerhalb des Mutes gibt es die Feigheit und die neue Angst. Der Brasilianer Wagner kennt Berlin gut durch die Besuche der Berlinale, dann hat er zu den Dreharbeiten zwei Monate mit seiner Frau und Kindern hier gelebt und war ständig mit Karim und Clemens zusammen. Für den Film war es sehr wichtig, mit der Familie und den Filmleuten in Berlin zu sein

 

Donato radiert seine Vergangenheit aus. Das bleibt beim Zuschauen ein Mysterium, das der Film auch nicht klärt. Zu Hause war der große Bruder liebevoll und dann auf einmal verschwindet er und meldet sich nie wieder bei seiner Familie? Das ist so etwas von unbrasilianisch, denen die Familie heilig ist, zumal kein erkennbarer Grund vorliegt, warum sich Donato so verhält. Als der Bruder voller Wut erscheint, hofft man, daß sich jetzt etwas klärt. Aber alles wird geglättet in Richtung einer gemeinsamen Migration in Berlin.

 

INFO:

Brasilien / Deutschland 2013, 106 Min

Portugiesisch, Deutsch

REGIE

Karim Aïnouz

DARSTELLER

Wagner Moura
Clemens Schick
Jesuita Barbosa