nich2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Juni 2022, Teil 13

Claus Wecker

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Erlebnisse des kleinen Nick, die Asterix-Autor René Goscinny erzählt und Jean-Jacques Sempé mit Zeichnungen versehen hat, haben seit 1959 junge und alte Leser erfreut. Zunächst in einer französischen Zeitschrift und später in Büchern, die in vielen Ländern zu Klassikern wurden. Julien Rappeneau hat nun gemeinsam mit seinem Co-Autor Mathias Gavary ein neues Abenteuer erfunden, das der kleine Nick erlebt haben könnte, und daraus einen sehr unterhaltsamen Familienfilm gemacht.

Die Titelfigur ist im Buch ein vorwitziger Junge, der sich keine Gelegenheit entgehen lässt, seine Umwelt zu erschrecken, gewissermaßen ein französischer Verwandter der Schwedin Pippi Langstrumpf. Im neuen Film hat er allerdings seinen Schrecken verloren, was dem Vergnügen keinen Abbruch tut.

Nick, der von dem französischen Kinderstar Ilan Debrabant (»Zehn Tage ohne Mama«) engagiert verkörpert wird, hat sich mit seinen Freunden auf einem freien Feld am Stadtrand einen Bolzplatz angelegt. »Die Unbesiegbaren« sind eine typische Jungs-Bande. Sie haben eine eigene Fahne mit ihren Initialen und einen Außenseiter, den Musterschüler Adalbert (Léandre Castellano-Lemoine mit großer Brille), der darum kämpft, das »A« seines Namens auch auf die Fahne zu bekommen. Wegen seiner Brille kommt für ihn beim Fußball nur die undankbare Schiedsrichterrolle in Frage.

Zudem hat Nick sehr verständnisvolle Eltern, eine klassische Hausfrau als Mutter (Audrey Lamy) und einen superkorrekten Vater (Jean-Paul Rouve), der als Sachbearbeiter in einem Großraumbüro arbeitet. Der erhält eines Tages von seinem patriarchalischen Chef statt der befürchteten Ermahnung eine Beförderung. Denn Herr Maßbaum (Pierre Arditi) ist im Begriff, die Firma seines Konkurrenten aufzukaufen, und Nicks Papa soll in Aubagne (frz. au bagne = in der Strafkolonie) im fernen Südfrankreich der neue Chef werden.

Die Nachricht von der Beförderung löst zu Hause erst Begeisterung und dann, als herauskommt, dass die Familie umziehen muss, bei der Mama Bedenken aus, wegen der großen Arbeit, die ein Umzug macht, und bei Nick einen Riesen-Schreck. Alle Freunde weg und die Schule mit der netten jungen Lehrerin (Adeline d'Hermy), die ihre liebe Not mit den Jungs hat. »Sie müssen den Beruf als Kampfsport betrachten«, wird sie von einer resoluten, älteren Kollegin belehrt.

Für Nick und seine Freunde stellt sich die Frage: Wie kann der Umzug verhindert werden? Auf einen Hungerstreik verzichten sie mit Rücksicht auf Otto (Oscar Boissière), der ständig am Essen ist. Nicks Streich, bei dem er in Papas Ordner dessen Vorschläge zum neuen Job mit einem Magazin vertauscht, geht schief. Das Comic-Heft ist eine seltene, besonders gesuchte Ausgabe.

Nach einem Museumsbesuch, bei dem von einem vergrabenen Schatz die Rede ist, hat Nick die zündende Idee: Sie müssen den Schatz finden. Dann haben die Eltern so viel Geld, dass Papa die neue Direktorenstelle nicht annehmen muss. Und für die Unbesiegbaren ist es auch kein großes Hindernis, dass der Schatz auf dem Hof der Mädchenschule vergraben sein soll.

Das alles (und noch einiges mehr) ist nach dem Vorbild von Wes Anderson mit viel Liebe als eine Reise in die 1960er Jahre inszeniert. Mama ist die treusorgende Hausfrau, die allerdings ihrem Mann auch einmal die Hausarbeit auflädt. Der hat zusammen mit dem Lehrpersonal die Autorität zwar nicht ganz verloren, stellt aber für Nick kein größeres Problem dar. Ja, am Ende erweist er sich als ein liebevoller Vater, der sich in die Welt seines Sohne hineinzuversetzen weiß.

Alle Figuren sind leicht überzeichnet und deren Darsteller, deutlich erkennbar, mit Spaß bei der Sache. Regisseur Julien Rappeneau ist der Sohn des Filmregisseurs Jean-Paul Rappeneau (»Cyrano de Bergerac«) und Bruder des Filmkomponisten Martin Rappeneau. Er begann seine Karriere als Ko-Drehbuchautor (u.a. »36 – Tödliche Rivalen«). »Der kleine Nick auf Schatzsuche«, seine dritte Spielfilminszenierung, ist ein großer Spaß, bei dem Kinder, Eltern und Großeltern mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen zusammenfinden können.

Foto:
©Verlleih

Info:
DER KLEINE NICK AUF SCHATZSUCHE (Le trésor du petit Nicolas)
von Julien Rappeneau, F 2021, 103 Min.
mit Jean-Paul Rouve, Pierre Arditi, Ilan Debrabant, Grégory Gadebois, Jean-Pierre Darroussin, Adeline d'Hermy
nach Buchreihe, von René Goscinny, Jean-Jacques Sempé 
Familienfilm / Start: 02.06.2022