Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Juni 2022, Teil 14
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt Filme, deren Zuschauen einfach Spaß macht, weil sie etwas schräg, etwas vertraut, etwas fremd, vor allem aber ohne Skrupel sehr unterhaltsam sind, dazu mit schauspielerischen Glanzleistungen aufwarten. Dieser Film THE OUTFIT gehört in diese Kategorie!
Kann schon sein, daß diese Lobpreisung allein auf das Konto des Maßschneiders Leonard Burling geht, den der britische Schauspieler Sir Mark Rylance mit einer Mimik spielt, der man stundenlang zuschauen könnte, weil hinter der äußeren Unbewegtheit ein innerer Feuersturm tobt. Grundsätzlich hat er die Mundwinkel heruntergezogen, was zwar einen pessimistischen Eindruck macht, aber nur Ausdruck seiner Vorsicht ist, mit der er alle Dinge des Lebens betrachtet. Mit Recht, wie wie sehen werden. Erst einmal sehen wir ihm beim Fertigen eines Knopflochs zu. Denn die Herrenanzüge, die seine Spezialität sind, erfordern das.
Das erste sind die Stoffe, über die er zärtlich fährt, denn man muß den richtigen Stoff aussuchen für die Art des Anzugs. Das Zuschneiden nach den Maßen, die man der betreffenden Person abgenommen hatte, ist der nächste Schritt. Aber vor dem Zusammennähen der einzelnen Teile kommen die Knopflöcher dran und dabei beobachten wir Leonards Miene eine ganze Weile, ohne daß dies langweilig würde. Wir sind in Chicago, wohin aus London dieser Maßschneider zuzog, und auch mit Inbrunst den Grund angibt: nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Siegeszug der Blue Jeans, weshalb er das Königreich verließ.
Auf jeden Fall, Katze aus dem Sack, ist er ein Herrenschneider für die Chicagoer Mafia im Jahre 1956. Das war die Zeit der Herrenanzüge mit den weiten Beinen, Elephantenanzüge und die Träger trugen auch einen Hut, regelrechte Herren und niemand käme auf die Idee, daß der solide Schneider im Hinterzimmer einen Briefkasten hat, über den die Kommunikation im Chicagoer Mafiamilieu läuft, das wie immer aus verfeindeten Familien besteht, was sich von einem auf den anderen Tag ändern kann. Hier sind es die irischen Boyles, die das Hinterzimmer nutzen, wobei Vater Roy (Simon Russel Beale) der große Pate, aber Sohn Richie (Dylan O-Brien) der lächerliche Aufschneider ist, der den Schneider und andere deckelt und sich gegenüber Mable(Zoey Deutch), des Schneiders hübsche und empfindsame Empfangsdame fies-mies verhält.
Es geht um die Ratte, die es geben soll, also einen Verräter in den eigenen Reihen, der dem FBI das Mafiageschehen weitersagt, was durch Tonbandaufnahmen bewiesen ist. Und um dieses Tonband kreist das Geschehen, das jeder haben will und Tote produziert.
Daß wir uns nur im Schneiderladen aufhalten oder von der Straße aus in ihn hineinsehen, ergibt nicht nur ein Kammerspiel, sondern man denkt automatisch, daß der Film einer Bühnenversion folgt, was nicht der Fall ist. Aber Regisseur Graham Moore, der mit dem Drehbuch zu The Imitation Game einen Oscar gewann und auch an diesem mitstrickte, ist einfach ein erfahrener Filmer, der mit allen Registern der feinsinnigen Krimikunst diese Geschichte zu Ende führt, die den Maßschneider gut dastehen läßt.
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