Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 27. Februar 2014, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auch für Berlin, Hamburg und München sind deutsche Filmfestivals über italienische Filme interessant – am schönsten immer das Frankfurter Verso Sud -, denn man sieht derzeit im Kino einfach zu wenig von diesen leicht gemachten Leinwandgeschehen mit schwergewichtigem menschlichen Geschichten. Oder von den funkelnden Politsatiren, wie dieses Mal.
VIVA LA LIBERTÀ
So ist man auch von diesem neuen Film einfach hingerissen. Dabei tritt das Glücksgefühl, dabei sein zu dürfen, bei VIVA LA LIBERTÀ erst im weiteren Verlauf auf. Denn am Anfang glaubt man noch kaum, daß das Vorhaben durchgezogen werden kann. Die Geschichte geht nämlich so: Da ist der erschöpfte und der Sache mehr als überdrüssige Vorsitzende der wichtigsten linken Oppositionspartei in Italien, Enrico Oliveri (Toni Servillo), der eigentlich Motor der Bewegung sein sollte und seine Partei aus dem Umfragetief herausholen sollte. Statt dessen ist er müde und grundsätzlich melancholisch und ist dann mal weg. Tatsächlich flieht er seine Tagesgeschäfte, besucht in Paris seine alte Liebe Danielle (Valeria Bruni-Tedeschi), die beim Film mitarbeitet und mit dem Filmregisseur verheiratet ist, den Enrico besonders verehrt.
Zurück läßt der gute Oliveri in Rom einen Haufen aufgebrachter und sich ängstigender Parteimitarbeiter und zwischen Sympathie und Rachsucht changierenden Genossen. Sein Assistent Andrea (Valerio Mastandrea) weiß von einem Zwillingsbruder, den er aufsucht, ob dieser etwas über den Verbleib des Verschollenen weiß. Als dieser Giovanni die Tür aufmacht, ja, da wissen wir Zuschauer, wie das weitergeht, weitergehen muß. Wir sehen nämlich erneut Toni Servillo als eigener Zwillingsbruder, nur wirkt er ganz anders. Er sieht elegant und locker aus und verhält sich auch so: zugewandt, offen und direkt. Schnell entsteht der Plan, daß dieser die Rolle des geflüchteten Bruders übernimmt. Seine berufliche Karriere als Professor befähigt ihn zu öffentlichen Auftritten, nur gibt’s da ein Problem. Der gute Professor wurde gerade aus der Psychiatrie entlassen.
Das wirklich Spannende am Film bleibt, daß es nie feststehende Wahrheiten gibt. Mit der Unsicherheit, die diesen Andrea und alle anderen befällt, ob das gut gehen kann, werden alle nun folgenden Szenen auch zu einem Aha-Erlebnis für den Zuschauer. Denn gleich beim ersten Mal weicht das Double von seiner ihm vorgelegten politischen Rede ab und redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und vor allem mit all den Wahrheiten seines eigenen Kopfes. Die Zuhörer sind hingerissen, endlich mal keine Politvokabeln, sondern Ehrlichkeit und gesunder Menschenverstand zu erleben. Die Umfragewerte steigen und steigen...
Derweil geht es dem eigentlichen Oliveri in Paris auch nicht schlecht. Er versteht sich gut mit Danielle, eigentlich zu gut, weil er einfach nicht mehr versteht, warum das damals auseinanderging, aber als er sie zu ihren Dreharbeiten begleitet, wird daraus schnell eine berufliche Zusammenarbeit, denn er wird als Requisiteur gefordert. Mehr sollte man zum Inhalt nicht verraten. Das Entscheidende an diesem Film ist sowieso etwas anderes: die wirklich hinreißende Darstellungskunst des Toni Servillo, die uns zum einen einen in seinem Körper Erstarrten zeigt, der depressiv vor sich hinguckt und wie ein Klotz in der Gefühlslandschaft erscheint, zum anderen aber einen charmanten älteren Herrn, der verführerisch die Menschen umgarnt, wobei er als stärkste Waffe einfach sein Inneres nach außen kehrt.
Übrigens: das ist ein Film, den wir uns sofort noch ein zweites Mal anschauen täten, weil es um die Nuancen der Darstellung geht, aber auch darum, wie sehr das Private politisch ist und das Politische privat. Unsere Abbildung aus dem Film zeigt eine dieser unerwarteten Szenen, als Giovanni als Pseudo-Enrico bei der italienischen Kanzlerin (?) ankommt, die mit ihm ein politisches Gespräch führen will, er aber einfach mit ihr tanzt und sie glücklich macht.
JACK RYAN: SHADOW RECRUIT
Kaum eine Plakatwand, die derzeit kein Filmplakat als Werbung trägt. Und ein großer Name. Kenneth Branagh ist als opulenter Shakespeare-Inszenator in Erinnerung. Sein Agententhriller – nach einer bekannten Buchvorlage – ist eher dünn. Superagent (Chris Pine) soll einen russischen Oligarchen (Kenneth Branagh) ausschalten, der Böses gegen die USA und den Finanzmarkt im Sinne hat.