Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Dezember 2011, Teil 2

 

von Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Uns fällt immer wieder auf, wieviele Dokumentarfilme es heutzutage gibt, die weder den belehrenden Ton früherer Dokumentationen haben noch die durch den Schwarz-weiß-Charakter auf der Hand liegenden ‚echten‘ Aufnahmen. Die Filme entstehen entweder, weil charismatische Figuren zum kulturellen Gedächtnis der Nation oder sogar der Welt gehören, oder weil mit ihrem Leben ein Aufstieg verbunden ist, der allgemein einfach interessiert. Dann aber gibt es immer öfter eine andere Spielart, wo nämlich historische Stoffe, die nicht primär Dokus sind, dennoch deren Elemente im Spielfilm verwenden.

 

 

MICHEL PETRUCCIANI – LEBEN GEGEN DIE ZEIT

 

Erinnern Sie sich an den in Paris geborenen knapp einen Meter zählenden, also kleinwüchsigen Pianisten mit den Glasknochen, der keine Vierzig wurde, aber in dieser Zeit sein Publikum hinriß. Privat riß er Frauen hin, war mehrfach verheiratet, heiratete allerdings nicht jede, die er aufriß und führte ein heftiges Leben, daß jenseits von bürgerlichen Vorstellungen ihm garantierte, alles probiert zu haben, was möglich war. Ein leidenschaftlicher Mensch und Musiker.

 

Michael Radford läßt Petrucciani in diesem Film so sein, wie er sich selbst gerne gesehen hätte: ohne Schmerzen, ohne Verletzungen, der Musik und dem Leben hingegeben. Das hat etwas Mitreißendes, weil man ohne schlechtes Gewissen den traumhaften Aufstieg des musikalisch Begnadeten miterlebt. Allein die Konzertmitschnitte sind es wert, diesen Film anzuschauen, denn die Atmosphären bringen die Doku- Aufnahmen bruchlos rüber.

 

 

 

THE BIG EDEN

 

Hier dagegen macht einer nicht selber, sondern läßt machen. Natürlich klappt das nur, wenn man auch das Machenlassen selber sehr gut macht. Sie kennen das Etablissement nicht? Dann sind Sie nicht aus Berlin oder übersehen grundsätzlich Discos. In diesem angenehmen Dokumentationsfilm über den Gründer der Disco, Rolf Eden, der letzte uns bekannte Playboy,  liefert Regisseur Peter Dörfler auch eine Analyse, warum dessen Geschäft so erfolgreich wurde. Den Namen Dörfler haben Sie hoffentlich aus dem Dokumentarfilm ACHTERBAHN behalten, wo ebenfalls ein getriebener Mann, also ein Egomane und Macho zugange war.

 

Aber eigentlich geht es bei diesem Film um uns selbst. Wir sehen, wie die Touristen, vor allem diejenigen aus der Provinz, das lüsterne Großstadtleben durch Besuch dieser Disco sich einverleiben möchten. Wir sehen vor allem die alte Bundesrepublik, also das alte West-Berlin mit dem Kudamm als Kiez der Welt. Und dann staunen wir über uns selbst und das bringen gute Regisseure eben zuwege: Wir staunen, daß uns dieser Rolf Eden zu interessieren beginnt. Bei einer Doku eigentlich die Hälfte der Miete oder anders ausgedrückt: eigentlich die Grundvoraussetzung, so einen Film anzuschauen.

 

Sehr gescheit streut uns Dörfler Pech an die Füße, auf daß wir kleben bleiben, wenn wir erfahren, daß dieser Selbstdarsteller einst, nämlich 1930 als Shimon zur Welt kam und mit seinen jüdischen Eltern 1933 nach Palästina auswanderte. Dadurch konnte er überleben und hat auch die Anfänge in Israel als Soldat mitbestritten. Das ist keine Entschuldigung für seine oft ordinäre Anmache und absolute öffentliche Substanzlosigkeit. Vielleicht aber eine Erklärung. Zudem hat Eden der Welt genau das gegeben, was diese von ihm wollte. Uns ist das immer dann interessant, wenn uns etwas zu interessieren beginnt, was uns eigentlich gar nicht interessiert. Das vermag dieser Regisseur und wir freuen uns schon auf den dritten selbstherrlichen Herr, der gleichzeitig mit Geltungsdrank etwas erschaffen kann.

 

 

THE HELP

 

Es geht um die filmische Aufarbeitung des Rassismus gegen Afroamerikaner in den USA, die geschichtlich gemeint, dennoch den Eindruck macht, aus der Gegenwart zu erzählen. Also ein dokumentarischer Ansatz, der aber durch die typische Spielfilmstruktur melodramatisch wird und dadurch wieder unecht.

 

 

MAD CIRCUS- EINE BALLADE VON LIEBE UND TOD

 

Der Spanier Alex de la Iglesias läßt zwei Clowns um eine Akrobatin streiten, nämlich welchen Natalia erhören wird. Eigentlich aber ist das eine Faschismusparabel. Und blickt man einmal zurück, erkennt man, daß in der letzten Zeit Filme, die historisch im Faschismus, auch Nationalsozialismus spielen, gerne karnevalesk oder grotesk werden wie beispielsweise Tarantinos Inglourious Basterds, aber auch Helge Schneider in Deutschland. Sicher eine Art, mit dem Grauen umgehen zu können. Auch ohne tiefe Kenntnis der spanischen Geschichte kommt einem manches im historischen Vergleich absolut spanisch vor. Aber irgendwas hat der Film, wenn er die beiden Männer bei ihren mörderischen Bubenspielen aufeinandertreffen läßt. Und lernen können Sie auch jede Menge.