Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 6. Februar 2014, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Aua, zu diesem Film muß man mindestens zwei Meinungen haben und kann bis zu deren sechs ohne Probleme formulieren. Wo gibt es das schon, daß ein Ehepaar in Einzelzellen Protagonisten eines Films sein können und der Regisseur noch dazu der Sohn ihres Strafverteidigers ist?
BELTRACCHI – DIE KUNST DER FÄLSCHUNG
Lesen müßte man können. Dann dürfte man dem Regisseur Arne Birkenstock nicht vorwerfen, daß er der Sohn seines Vaters ist. Denn im „Vorläufigen Presseheft“ gibt es ab Seite 10 ein Interview mit Arne Birkenstock, wo es nur ärgert, daß der Fragesteller keinen Namen hat. Auf Seite 11 heißt es dann: „Was hat Ihr Vater mit der Entstehung dieses Films zu tun?“ und Birkenstocks Antwort lautet: Mein Vater was Beltracchis Strafverteidiger. Er machte mich auf den Fall aufmerksam, und ich fand, das wäre ein spannendes Thema für einen Kinofilm. ..Ich habe mich dann mit verschiedenen Redakteuren über die Vater-Sohn-Konstellation beraten, aber nachdem der Strafprozeß schon vorbei war, hatte niemand Einwände gegen mich als Regisseur. Mir war dabei wichtig, dass ich bei der Herstellung des Filmes frei Hand hatte und das war auch gegeben.“
Freie Hand, das hieß auch, daß er mit seinem Ersten Hauptdarsteller Wolfgang Beltracchi und mit seiner Zweiten Hauptdarstellerin Helene – von Mucky Lene genannten, ach so, daß können Sie ja noch nicht wissen, das steht ja erst in den Büchern, daß die Lene genannte Ehefrau ihren Wolfgang Mucky nennt – Beltracchi drehen konnte, wo und wie lange er wollte, sogar in das Anwesen nach Südfrankreich ist das Filmteam gefahren. Das verwundert schon angesichts dessen, daß seine Filmfigur I wegen Betrugs zu sechs Jahren und seine Filmfigur II zu vier Jahren verurteilt wurden.
Die Fakten sind, daß beide getrennt in Untersuchungshaft kamen und blieben, nach dem Prozeß und der Verurteilung ein Vierteljahr auf freiem Fuß waren und dann ihre Haftstrafen im offenen Vollzug antraten, was bedeutet, daß sie des Tags auch außerhalb des Gefängnisses arbeiten und leben dürfen und nur die Nacht über das Gefängnis aufsuchen. Das waren die Drehbedingungen für diesen Film, wobei die Aufnahmen in Südfrankreich, wo beide ein wirklich schönes Anwesen haben/hatten sozusagen Hafturlaub darstellten.
Daß nur zur Aufklärung, weil sich viele Zuschauer des Films sich diese Fragen stellen. Eigentlich geht es natürlich um etwas anderes. Die moralische Frage wäre, wie man das findet, daß zwei verurteilte Verbrecher sich in einem 96minütigen Film eine bunte Weste malen und erzählen können. Moral und Film? Da liegt doch die filmische Frage näher, wie er denn so geworden ist, dieser Film, der mit dem Willen der beiden Fälscher entstand, sich und ihre Taten vom Makel des Verbrechers zu reinigen und sich doch eher als Liebhaber der Künste und des Lebens zu gerieren, anhaltende Liebe einbeschlossen.
Beantwortet man diese Frage ästhetisch, dann kommt nicht viel heraus. Denn der Film bringt immer wieder den Fälscher beim Malen ins Bild, wo er befragt wird, nach diesem und jenem; er zeigt uns das Ehepaar beim netten Plausch, montiert auch die Malschichten so übereinander, daß man die Entstehung eines Bildes in Minuten verfolgen kann, führt uns in schöne Gegenden nach Südfrankreich und die Urlaube mit der ganzen Familie. Auch die Verhaftung am 27. August 2010 um 19.35 Uhr wird nachgestellt. Da war die vierköpfige Familie mit Sohn Manuel und Tochter Franziska erst am Nachmittag vom südfranzösischen Landhaus in die Villa oberhalb von Freiburg zurückgekehrt.
Wir hören im Film auch die Meinung von Kunstkennern. Daß Kunsthistoriker Henry Keazor moderat und hörbar wohlwollend, auf jeden Fall nicht herb entrüstet, etwas zum Fälschen sagt, fanden wir dann witzig, denn wir hatten vor vielen vielen Jahren eines seiner Seminare an der Frankfurter Universität besucht, wo es um „Fake“- also Fälschen ging. Auch Niklas Maak hat als Kunstkritiker der FAZ mit dem nötigen Zeigefinger auf den Kunstmarkt mitgemacht und auch die Geschädigten kommen zu Wort. Die eigentlichen Drahtzieher, der Kunsthandel der Ersten Klasse a la Christies und Sothebyes haben jegliche Stellungnahme abgelehnt. Mit einem Wort, der Film läuft in vorhersehbaren Gesprächsbahnen, was ihn weder spannend noch ästhetisch wertvoll macht.
Aber geht es darum überhaupt? Um Moral und Ästhetik? Es gibt darüberhinaus auch eine psychologische Fragestellung und die treibt die meisten um. Wie haben die beiden das geschafft, eine ganze Kunstwelt einschließlich hoher Tiere wie Werner Spieß zu narren? Dieser anerkannte Max-Ernst-Fachmann, hochgerühmte Museumsmann und bedeutender Kunstkritiker hat für immer sein Fett weg. Und die Kunsthandlungen, die Fälschungen für echt verkauften, müssen sich auch erst wieder ein Renommee schaffen. Solche Fragen beantwortet der Film eindeutig durch den Umgang des Regisseurs mit seinen Darstellern. Er läßt sie erzählen und er läßt ihn malen.
Unglaublich, wie schrecklich das Bild ist, daß Beltracchi, der als geborener Herr Fischer den Namen seiner Frau annahm, als eigenes Bild malt und hinreißend, wenn man ihm beim Fälschen zusieht. Er habe zwischen 1970 und 2010 etwa 300 Werke von rund 80 Künstlern gemalt. Weder kopiert, noch gefälscht kann man als Verb verwenden, denn er hat die Stilmittel dieser Maler sich anverwandelt und Bilder geschaffen, die diese gemalt haben könnten und dazu auch Bildtitel von verschollenen Werken genutzt, die in der Literatur schon bekannt waren und nun aus der Versenkung auftauchten.
Und darum, ganz ehrlich, kann man über diesen Film kein abschließendes Urteil abgeben. Weil die Haltung zu diesem Prozeß des Fälschens und Verkaufens eine differenzierte sein kann. Wenn Brecht fragte, was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank, ist sozusagen das Faß aufgemacht für diejenigen, die den aufgeblähten Kunstmarkt für den Schuldigen ansehen, der es einer Existenz wie Wolfgang Beltracchi erst möglich macht, mit seinen Talenten Kohle zu machen. Denn das hat er und konnte sich und seiner Familie davon ein Luxusleben möglich machen.
Wir erleben im Film einen fast harmlosen Beltracchi, der zwar von Fehlern spricht, aber dem die Dimensionen seines Tuns irgendwie ins Kleine gerutscht sind, der schon äußerlich als Althippie mit zahlreichen liebevollen Gesten seiner Lene gegenüber immer zu Ausdruck bringt, daß ihm seine Familie das höchste Gut auf Erden wurde, was im innigen Zurückblicken der Ehefrau verstärkt wird. Wenn man etwas in diesem Film spürt, dann ist es eine tiefe Verbundenheit eines Paares – mag das auch noch so sehr auf Bonnie und Clyde getrimmt sein. Das aber scheint das einzig Echte, die einzige Wahrheit in diesem Film.
INFO:
Schon vor dem Film sind im Januar im Rowohlt Verlag zwei Bücher des Ehepaares erschienen
Helene und Wolfgang Beltracchi, Selbstporträt, Rowohlt Verlag 2014
Helene und Wolfgang Beltracchi, Einschluss mit Engeln