Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 6. Februar 2014, Teil 3

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Bis zur Preisverleihung lag „Grand Budapest Hotel“, der Eröffungsfilm der Berlinale 2014, mit an der Spitze des Bärenorakels der Journalisten. Von der Jury bekam dieser neue fantastische Film Wes Andersons („Moonlight Kingdom“) den „Großen Preis“. Jetzt kommt er als einer der besten Filme des Festivals in die Kinos.

 

GRAND BUDAPEST HOTEL

 

Anderson ist US-Amerikaner, sogar Texaner, der aber weit entfernt vom Mainstream hollywoodscher Provenienz arbeitet und doch mit geradezu britischem schwarzem Humor locker die Gratwanderung von Unterhaltungskino und Arthouse leistet. Was dieser filmästhetische Enkel Federico Fellinis und Peter Greenaway in seinen Filmen erzählt, ist schon seltsam genug. Dazu sind seine Bilder Synästhesien aus Licht und Farben, die von überzeichneten, jedoch immer eigenwilligen Figuren bevölkert werden.

 

Auch im Service des Grand Hotels bedienen merkwürdige Gestalten ihre bizarren Gäste. Die Rückblenden des Erzählers, dem einstigen Lobby Boy und jetzigen Besitzer, führen uns in das Jahr 1932. Bekümmert berichtet er von „längst vergangenen Zeiten“, als das Hotel in der fiktiven osteuropäischen Alpen-Republik Zubrowka noch gewaltig prosperierte: Der umtriebige Concierges Gustave H. (Ralph Fiennes) widmet sich intensiv allen Gästen und bedient, wirklich im Wortsinn, besonders gerne die Damen. Auch mit der 84-jährigen Madame D. (Tilda Swinton) pflegt er eine erotische Beziehung: „Sie war übrigens eine Granate im Bett!“ Als der knuddelige aber ehrgeizige Flüchtlingssohn Zéro (Tony Revolori) erster Page werden möchte, nimmt der Concierge ihn behutsam aber streng unter seine Fittiche.

 

Nach einem Besuch im Hotel stirbt Madame D. unter mysteriösen Umständen im nahen Lutz, in ihrem Testament bedachte sie Gustave mit einem wertvollen Gemälde. Darüber geraten der Concierge und sein Lobby Boy in Konflikt mit der habgierigen Verwandtschaft, die auch vor Mord nicht zurückschreckt. Auf eigenartigen Wegen fliehen die beiden am Vorabend des Faschismus und herannahenden Weltkriegs durch halb Europa. Alle Wendungen dieser schrägen, oft auch melancholischen Geschichte sind absolut nicht vorhersehbar, als Zuschauer kann man nur staunen über die ausschweifenden Fantasien Andersons und seine einzigartigen Bilder.

 

Der Film wird noch richtig spannend durch operettenhafte Kämpfe, einen spektakulären Gefängnisausbruch und eine dramatisch-skurrile Verfolgungsjagd mit Skiern und Schlitten im James-Bond-Stil. Jede Szene des Films ist eine visuelle Komposition, allein die vielen Fahrstuhlfahrten im Grand Hotel sind einzigartige Still-Leben. Bis in die Nebenrollen ist das Werk mit großartigen Akteuren besetzt, die alle über sich hinauszuwachsen scheinen, Tilda Swinton als lüsterne Greisin ist die verrückteste von allen! Dieser Film wird eingefleischte Cineasten ebenso begeistern wie Zuschauer, die sich einfach nur mal unterhalten lassen wollen!

 

INFO I:

The Grand Budapest Hotel”, GB / D 2013, 100 Min.,

Regie Wes Anderson mit Léa Seydoux, Tilda Swinton, William Dafoe, Bill Murray, Ralph Fiennes, Jude Law, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric und vielen anderen.

Filmstart 6. März 2014

 

INFO II:

Anderson drehte seinen Film fast vollständig in Görlitz und erweckte dazu auch das in Deutschland einmalige, seit Jahren leer stehende Jugendstilkaufhaus als Budapest Grand Hotel wieder zum Leben. In der Oderstadt wurden seit 1954 bereits 74 Filme gedreht, fast jeder Einwohner hat schon mal als Komparse mitgemacht, heißt es dort spöttisch. Die internationalen Filmemacher lieben die prächtig restaurierte und gut erhaltene Altstadt mit ihren Ensemblebauten vom Mittelalter bis zur Gründerzeit - weltweit ist schon von „Görliwood“ die Rede. Die Stadtverwaltung, die unter der massiven Abwanderung jüngerer Bürger leidet, ist erstaunlich kooperativ und macht für den „Wirtschaftsfaktor Film“ Ausnahmen möglich, von denen Regisseure woanders nur träumen. Die Filmstudios Babelsberg waren Mitproduzenten, die deutsche Filmförderung hat sich mit einigen Millionen beteiligt.