Bildschirmfoto 2022 09 01 um 07.45.58Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. September 2022, Teil 2

Redaktion

München (Weltexpresso) - Der Film erzählt auch von Selbstbestimmung und greift damit die Ihnen wichtige Frage auf, was ist der weibliche Körper und wer darf über ihn bestimmen?

Ja, wer hätte gedacht, dass wir heute weltweit über solche Fragen wieder diskutieren müssen, z.B. über Abtreibungsgesetze. Und über die Frage, wie nackt oder wie verhüllt der weibliche Körper denn bitte sein soll. In der Schweiz gibt es das Burkaverbot, in Frankreich will Marine Le Pen den Frauen das Kopftuch verbieten, in Afghanistan gibt es wieder das Burkagebot, usw., usw. Bei älteren Feministinnen wie Eva gibt es die Überzeugung, dass der Hijab immer ein Zei- chen von männlicher Unterdrückung ist, während er der türkischen Familie zu „arabisch“ ist, und die Araberin sich auf ihn reduziert fühlt. Dabei ist doch die einzig wichtige und richtige Frage, ob nicht jede Frau selbst bestimmen sollte, wie sie sich kleidet, was sie sich auf den Kopf setzt, und wie sie mit ihrem Körper umgeht. Und wann sie und ob sie eine Frau ist, oder ob auch das eine Zuschreibung von anderen ist.


Viele schwierige Themen, die Sie mit leichter Hand in diesem Film unterge- bracht haben - was glauben Sie, wieviel Gefahr, missverstanden zu werden, lauert in all dem?

Ach, das werden vielleicht manche missverstehen, weil sie es missverstehen wollen. Aber der Film darf auch ruhig Fragen aufwerfen. Mein Plädoyer lautet, nicht einfach anzunehmen, zu bewerten, ein Urteil zu haben, sondern genauer hinzuschauen, nachzufragen, sich selbst zu fragen– und dann wird es natürlich schnell kompliziert. Aber genau das war hier unser Ziel: die Kompliziertheit auszuhalten, zu recherchieren, nachzuhaken, zu diskutieren. Dafür muss man sich öffnen. Kompliziertheit ist das Wesen von Vielfalt. Vielfalt ist immer kompliziert, oft anstrengend - aber sie macht mehr Spaß und ist das Gegenteil von Dogmatismus.


Wie kann man denn die Menschen, „die Gesellschaft“, überzeugen, mitzugehen, sich der Vielfalt zu öffnen, und nicht zu erstarren, um jegliche Veränderung zu blockieren?

Es gibt bei manchen die Angst, dass etwas verloren geht, aber was wird denn wirklich eingebüßt und was ist nur Projektion? Was wird mir denn wirklich weggenommen? Das sind zumeist reine Vorstellungen, die keine Realität haben.


Wie wichtig ist es Ihnen, dass man lernt, ehrlich mit sich selbst zu sein?

Ich versuche mich zu fragen, wie sehr ich nach erlernten Vorurteilen agiere, wo ich meiner eigenen Doppelmoral aufsitze, wie sehr ich hadere, z.B. mit meinem eigenen Körper, wenn ich andere Körper ständig abwerten muss usw. Vielleicht bin ich selbst fremdbestimmt, wenn ich das anderen unterstelle. Das sind sehr menschliche Ängste, die abgewehrt werden durch ständige Bewertung und Abwertung, durch Hass, Rassismen und Ressentiments. Sehr oft ist es nur die Angst, verlassen zu werden, einsam zu sein.


Lachen, Humor ist sicher der beste Weg, um sich selbst auf die Schliche zu kommen...

Humor bedeutet, ein Fenster aufzumachen und Luft reinzulassen. Wir kommen nicht weiter, wenn wir uns ständig nur belehren und Recht haben wollen. Das führt zu Verhärtung und Dogmatisierung, und das kann nicht das Ziel sein, denn das führt zu immer weiteren Verletzungen. Deshalb ist es mir so wichtig, mit Humor Luft in diese Diskussionen zu blasen. Und über allem steht doch die Frage, müssen wir dieses Bad – also dieses Deutschland, nicht langsam mal neu verhandeln? Die gesellschaftliche Realität ist doch schon lange die der Vielfalt.


Beim Anschauen habe ich oft an Ihre letzten drei Bücher denken müssen, die auch davon geprägt sind, sich selbst genau zu beobachten und sich zu reflektieren, sich zu erwischen bei vorgeformten Meinungen und kulturellen Überheblichkeiten - um daraus zu lernen.

Zu lernen macht mir Spaß. Vieles ist auch unbewusst erlernt, wie mein Denken, meine Moral, meine Wertvorstellungen, mein Handeln, die geprägt sind durch Elternhaus, Gesellschaft, Bildung, Umgebung etc., - aber dann kann ich sie ja auch wieder verlernen, etwas Neues lernen. Ich kann immer wieder die Frage stellen: ist das wirklich so? Oder ist es vielleicht ganz anders?


Eines Ihrer Markenzeichen, so würde ich es mal nennen, ist die Fähigkeit, in einer vordergründig lustigen Komödie schwerwiegende, wichtige Themen zu platzieren. Das Prinzip von Erzählern wie Arthur Schnitzler oder Hugo von Hofmannsthal, nämlich das Tiefe unter der Oberfläche zu verstecken, findet sich auch in Ihren Filmen. Geschieht das intuitiv oder bewusst?

Ich mag keine didaktischen Filme. Ich möchte im Kino unterhalten werden, über den Kopf oder das Herz, oder am besten über beides. Die Themen, die mich beschäftigen, möchte ich natürlich erzählen, aber eben nicht als Thesenkino. Selbst bei „Männer“ gab es für mich ein politisches Thema: die schleichende Korruption der Hippies durch den Kapitalismus. Und das habe ich versucht, so komisch wie möglich zu erzählen. Bei „Freibad“, war es Antrieb und eine große Lust, so viele verschiedene virulente Themen komisch zu verpacken.


Das ist Ihnen mit Sicherheit gelungen! Man sollte am besten ein paar Mal ins Kino gehen, um alle Feinheiten mitzubekommen. Denn selbst die Musik im Film erzählt Vielschichtiges. Welche Reaktionen auf Ihren Film würden Sie am meisten freuen?

Mich würde sehr freuen, wenn die Leute im Kino lachen, es gibt nichts Schöneres, als zusammen zu lachen! Und auch wenn es vielleicht hochhergeht in der Diskussion darüber, fände ich das prima. Und wenn es dann noch ein bisschen mehr Neugier auf den und die andere anzündet, wäre ich sehr froh.