Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. September 2022, Teil 10
Claus Wecker
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mit Vorliebe widmet sich der französische Regisseur Louis-Julien Petit sozialen Problemen. um sie zu Sozialkomödien zu verarbeiten. So schilderte er in »Discount«, wie Angestellte eines Supermarktes fürchten, arbeitslos zu werden, als ein automatisches Kassensystem viele von ihnen ersetzen soll. Oder in »Der Glanz der Unsichtbaren«, wie für wohnsitzlose Frauen neue Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht werden müssen, als ihre Tagesstätte vor der Schließung steht. Petit findet, dieses Genre sei besonders gut geeignet, schwierige gesellschaftliche Themen anzusprechen.
Er hat sich nun mit dem Talent, in diesen Themen komödiantische Aspekte zu entdecken, dem Problem der unbegleiteten jugendlichen Einwanderer in Frankreich zugewandt. Auf eine Gruppe von ihnen, die in einem Heim auf ihr Bleiberecht wartet, lässt er eine arbeitslose Chefköchin treffen. Die Sous-Chefin Cathy Marie (Audrey Lamy, von der Petit im »Glanz der Unsichtbaren« angetan war) hat sich gerade mit ihrer berühmten Vorgesetzten im Sternelokal, Lyna Deletto (Chloé Astor), angelegt und wutentbrannt hingeschmissen. Doch eine neue Anstellung zu finden erweist sich für das erstaunlich schlanke Kochgenie schwerer als gedacht. Auf der anderen Seite hat Lorenzo Cardi, der Chef des Heims, der vom unglaublich sympathischen François Cluzet (der Pflegefall aus »Ziemlich beste Freunde«) gespielt wird, im Stellengesuch unverschämt hochgestapelt.
So landet Cathy schließlich auf gutes Zureden ihrer Freundin Fatou (Fatou Kaba) und des charmanten Lorenzos in der Kantine einer Bruchbude, die offenbar als genügend für ihre Bewohner angesehen wird. Und nachdem der erste Schock beim Anblick der Dosenkollektion im Küchenschrank verdaut ist, macht sich die Spitzenköchin daran, den Inhalt der Dosen neu zu arrangieren. Mit dem Resultat, dass das Mittagessen erst mit gehöriger Verspätung auf den zumeist verlassenen Tischen landet.
Die hyperaktive Chantal reißt sich zusammen, nimmt Hilfe an und erkennt, einmal in Fahrt gekommen, immer deutlicher ihre Integrationsaufgabe. Allerdings auf die harte Art, denn bisher haben sich die unbegleiteten minderjährigen Migranten, die von eingewanderten Laiendarstellern gespielt werden, die Zeit mit ihren Smartphones, mit Fernsehen und Fußballspielen vertrieben. Dazu kam ein bisschen Schulunterricht bei der gutmütigen Sabine (Chantal Neuwirth), die sofort auch die neu angekommene Cathy unter ihre Fittiche nimmt. Die korpulente Sabine ist so etwas wie die gute Fee im Märchenfilm.
Für die Jungen heißt es mithelfen beim Putzen, Gemüseschnibbeln und Fleischschneiden. Der Regisseur hat sich von einer Kochlehrerin in einer Berufsschulklasse mit Migranten inspirieren lassen, die er auf Vermittlung seiner Drehbuchautorin Sophie Bensadoun kennengelernt hatte.
In seinem Film wird die harte Arbeit in einer Großküche zum Kinderspiel, das die Minderjährigen etwas zu eifrig mitspielen. Wenn Cathys Ton zu barsch wird, greift Lorenzo ein. Sie gefährde seine Integrationsbemühungen, ermahnt er sie ernst. Und wenn die Jungen aus dem Ruder laufen, weist er sie auf ihre Lage hin, die sie durch eigene Anstrengung verbessern können. Wer mit anpackt, hat bessere Chancen. Nur wer bis zum 18. Lebensjahr eine Berufsausbildung vorweisen kann, darf in Frankreich bleiben. Und so wird dann auch einer aus der Gruppe, der ein falsches, niedrigeres Alter angegeben hat, gnadenlos abgeschoben.
»Die Küchenbrigade« ist an manchen Stellen, besonders am Ende, ziemlich idealistisch geraten. Doch Petit gelingt es, mit seiner menschlichen Sicht des Problems, schließlich auch den kritischen Betrachter auf seine Seite zu ziehen.
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Info:
DIE KÜCHENBRIGADE (La brigade)
von Louis-Julien Petit, F 2022, 97 Min.
mit Audrey Lamy, François Cluzet, Chantal Neuwirth, Fatou Kaba, Yannick Kalombo
nach Idee von Sophie Bensadoun
Sozialkomödie