verleihyoutubeSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2022, Teil 4

Redaktion

Köln (Weltexpresso) - Rhythmisch und lebendig erzählt LIEBE, D-MARK UND TOD die Geschichte der eigenständigen und weitgehend unbekannten Musik der Einwanderer aus der Türkei sowie ihrer Kinder und Enkelkinder in Deutschland. In Form eines DokuEssays entführt Regisseur Cem Kaya seine Zuschauer in ein schillerndes Universum musikalischer Vielfalt. In einem Kinoerlebnis in höchster Klangqualität macht er die Energie und den Geist jener Jahre erlebbar.

So zum Beispiel die Bühnenshows des exzentrischen Folk-Duos Derdiyoklar auf einer Hochzeit mit tausenden Gästen in einer zum Festsaal umdekorierten Mehrzweckhalle irgendwo im Ruhrgebiet: melancholisch, aber tanzbar; politisch, aber fröhlich; larmoyant im Ausdruck, aber aufrichtig. 

Schon von Anbeginn wurde die Migration nach Deutschland musikalisch begleitet. Arbeiterwohnheime und Teehäuser waren die ersten improvisierten Bühnen für Musiker wie Aşık Metin Türköz, die in der Tradition der Volksdichtung Zentralasiens improvisierte Songs zum Besten gaben. Diese Amateurmusiker:innen sangen und komponierten Lieder, die ihre Lebensumstände in der Ferne widerspiegelten – mal melancholische, mal fröhlich sarkastische  Melodien und Texte über Aufbruch und Abenteuerlust, aber auch über die krude fremde Arbeitswelt und Abweisungen durch die Gastgeber, Entwurzelung und Sehnsucht nach der imaginierten Heimat. Imaginär, weil Zeit und Entfernung ein Heimatbild aus Erinnerungen und Sehnsüchten schufen. Abgekapselt vom Herkunftsland entwickelte sich in Deutschland eine eigene migrantische Musikkultur mit erheblichen Unterschieden zum Musikleben in der Türkei. Nicht nur wurde zu türkischen und kurdischen Klängen erstmals auch auf deutsch gesungen, auch die Spielweisen änderten sich. Dies legte den Grundstein dafür, dass türkische Musik aus Deutschland zu einem eigenen Genre wurde.

Es entstanden im Stillen neue Musikrichtungen, allen voran die Gurbetçi Lieder (Lieder aus der Fremde). Zwar wurden diese Songs auf Hochzeiten, religiösen Veranstaltungen oder in Gesangsvereinen über Jahrzehnte leidenschaftlich gesungen, doch wurden sie von der deutschen Kulturindustrie überhört. Selbst die zahlreichen goldenen Schallplatten, mit denen Künstler:innen wie Yüksel Özkasap, die Nachtigall von Köln, prämiert wurden, brachten ihr kaum mediale Aufmerksamkeit. Klassiker migrantischen Liedguts in Deutschland wie Mayestero von Metin Türköz oder Liebe Gabi des oben erwähnten Folk-Duos Derdiyoklar verkauften sich millionenfach, wurden aber von der deutschen Öffentlichkeit meist als fremdartige Klänge, als eher störend empfunden.

Als Satellitenfernsehen, Musikkassetten und später auch CDs aufkamen, wurde die Isolation beendet. Die kulturellen Bedürfnisse der Einwanderer wurden nun vom türkischen Markt gestillt. Doch dies war nicht das Ende. Künstler wie Ozan Ata Canani oder Cem Karaca und die Kanaken sprachen die Probleme der Migrant:innen zum ersten Mal komplett in deutscher Sprache an. Man denke an Ozan Ata Cananis wiederentdeckten Song Deutsche Freunde oder Cem Karacas Album Die Kanaken, das bis auf ein Lied ganz auf deutsch eingespielt wurde. Wegen politischer Verfolgung in der Türkei erlebte auch kurdische und alevitische Musik eine Renaissance in Deutschland.

Mit der Erfolgsgeschichte des HipHop kam später der Durchbruch für die zweite und dritte Generation von Musiker:innen, die ihre eigenen Lebenswirklichkeiten diesmal auf den großen Bühnen ihrer Heimat Deutschland thematisierten. Fresh Familee und King Size Terror sangen nicht mehr auf Türkisch vom Heimweh, sondern auf deutsch über Identität und Diskriminierung im eigenen Land. Sie suchten nicht mehr wie ihre Eltern nach der alten Heimat, sondern ihren Platz in ihrem Geburtsland.

Die musikalische Kultur der Einwanderer ist ein kulturelles Erbe der Bundesrepublik. Der Film LIEBE, D-MARK UND TOD möchte diesen Schatz bergen, einem internationalen Publikum über Deutschland hinaus zugänglich und generationenübergreifend erfahrbar machen.

Foto:
©Verleih

Info:
Der Filmtitel "Aşk, Mark ve Ölüm" ist inspiriert vom gleichnamigen Gedicht des Autors Aras Ören, welches 1982 von der Band IDEAL vertont wurde.

"Aşk, Mark ve Ölüm"/Liebe, D-Mark und Tod
Land / Jahr DEUTSCHLAND 2022
Länge 96 Minuten
Format DCP, 5.1, Farbe, digital files
Originalsprache Deutsch, Türkisch, Englisch
mit deutschen und englischen UT

Stab
Regie: Cem Kaya
Drehbuch: Cem Kaya & Mehmet Akif Büyükatalay

Protagonisten und Protagonistinnen: 
İsmet Topçu, Ömer Boral, Yüksel Ergin, İhsan Ergin, Metin Türköz, Adnan Türköz, Yüksel Özkasap, Cevdet Yıldırım, Ercan Demirel, Cavidan Ünal, Ata Canani, Betin Güneş, Aykut Şahin, Fehiman Uğurdemir, Cengiz Öztunç, Dede Deli, Mustafa Çetinol, Erdal Karayağız, İzzet Nihat Yarsaloğlu, Hatay Engin, Yasin Kıran, Aytaç Kıran, Serdar Saydan, Serkan Kaynarcalı, Rüştü Elmas, Mustafa Deniz, Oktay Vural, Orhan Amuroğlu, Ümit Gücüyener, Sultan Korkmaz, Bekir Karaoğlan, Ümit Çağlar, Ali Ekber Aydoğan, Killa Hakan, Kabus Kerim, Derya Yıldırım, Tümay Koyuncuoğlu, Rossi Pennino, Kutlu Yurtseven, Erci Ergün aka Erci E., Alper Ağa, Boe B., Tahir Çevik aka Tachi, Volkan Türeli, Nellie, Muhabbet, Aziza A., İmran Ayata, Bülent Kullukcu, Ibrahim Ertalay, Ilkay Kökel, Mehmet Yozgut.