Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2022, Teil 7
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Kölner Schauspielerin Anke Engelke ist bislang als Komikerin bekannt geworden. Wer sie zum Beispiel aus der Sketch-Comedy "Ladykracher" kennt, wird überrascht sein, wie elegant und überzeugend sie sich in dem neuen Film "Mutter" von Carolin Schmitz auch im ernsten Metier bewegt.
Sie spielt eine Schauspielerin, die ihre täglichen Handlungen verrichtet und dabei von ihrem Mutterdasein erzählt. Von ihren Erfahrungen als werdende Mutter, von der großen Freude direkt nach der Geburt ihres Sohnes, von ihrer Beziehung zu ihren Kindern, wie sie aufwuchsen, welche Schwierigkeiten sie in der Schule hatten und wie groß Schuldgefühle sein können, wenn die Mutter ihre Familie für einen anderen Mann verlässt.
Während die Schauspielerin unentwegt ihren Text spricht, geht sie ihren Tätigkeiten nach. Im Tagesverlauf nimmt sie am Morgen ein Bad, spricht dabei ihren Text, dann kleidet sie sich an, fährt zu den Proben im Theater, geht zwischendurch im Supermarkt einkaufen, spricht wieder einen neuen Text, fährt im Auto, wechselt auch mal einen Reifen, putzt ihre großen Terrassenfenster, nimmt die Wäsche aus der Waschmaschine und geht am Abend in ein Konzert - naheliegenderweise wird "Stabat Mater" gegeben - und bewegt sich im vornehmen Foyer allein. Und ganz allmählich fällt auf, dass sich beim Sprechen zuweilen ihre Stimme verändert, dass da möglicherweise jemand ganz anderes spricht und dass die Erfahrungen des Mutterdaseins recht unterschiedlich sind und nicht immer zusammenpassen wollen.
Regisseurin Carolin Schmitz ist bislang durch Dokumentarfilme hervorgetreten, 2010 entstand "Portraits deutscher Alkoholiker", 2012 "Schönheit",und sie versteht auch ihren neuen Film als eine Dokumentation über das Mutterdasein.
Die Protagonistin erzählt auch nicht von ihren eigenen Erfahrungen als Mutter, sondern dient vielmehr als Vermittlerin der Originalstimmen von acht Müttern im Alter zwischen 30 und 75, die die Regisseurin zuvor interviewt hat. Da nur die Tonaufnahmen vorhanden und für eine Weiterbearbeitung verwertbar waren, entschied Carolin Schmitz, diese im Film fiktiv zu visualisieren.
Ihr ist damit ein Kunstgriff gelungen, zwei unterschiedliche Erzählebenen übereinanderzulegen, zum einen das private Leben einer Schauspielerin, die einen Text für ein Bühnenstück einübt, und zum anderen die authentischen Erfahrungen unterschiedlicher Mütter, die durch sie zu Wort kommen. Erst ganz allmählich im Verlauf der Filmhandlung lassen sich die Handlungsstränge entschlüsseln. Ein vielschichtiger Film ist so entstanden, der nicht nur zum Nachdenken über das Dasein als Mutter anregt, sondern auch über das Filmemachen selbst, das immer auch changiert zwischen Dokumentation und Fiktion.
Foto:
©Verleih
Info:
Mutter, Deutschland 2022
Regie und Drehbuch: Carolin Schmitz
Kamera: Reinhold Vorschneider
Besetzung: Anke Engelke u.a.
88 Minuten