Redaktion
Hamburg (Weltexpresso) - Es war kein leichter Schritt für den „Spiegel“, als das Nachrichtenmagazin am 19. Dezember 2018 mit einer höchst unangenehmen Nachricht in eigener Sache an die Öffentlichkeit gehen musste: Einer seiner langjährigen Star-Reporter, mit zahlreichen Journalistenpreisen ausgezeichnet, hatte nachweislich einen großen Teil seiner Reportagen und Interviews manipuliert oder komplett frei erfunden. Der wahrscheinlich größte Medienskandal seit 1983, als der „Stern“ die gefälschten Hitler-Tagebücher veröffentlichte, traf den „Spiegel“ besonders hart.
Zum einen, weil scheinbar alle Kontrollmechanismen der viel gelobten Dokumentationsabteilung versagt hatten, zum anderen, weil viel zu lang niemand im Verlag auf den freien „Spiegel“-Mitarbeiter Juan Moreno hören wollte, als dieser die etwas zu perfekten Geschichten seines gefeierten Kollegen infrage stellte und die jahrelangen Täuschungen quasi im Alleingang aufdeckte.
In München verfolgte Filmemacher Michael Bully Herbig mit großem Interesse, wie im fernen Hamburg eine unabhängige Aufklärungskommission gebildet wurde, die fünf Monate später ihren Abschlussbericht vorlegte. „Als ich von diesem Super-GAU für den seriösen Nachrichtenjournalismus hörte, hatte ich sofort Bilder und Dialoge im Kopf“, sagt Herbig. „Es ist nicht so, dass ich Hochstapelei beeindruckend oder erstrebenswert finde, aber Hochstapler sind ganz raffinierte Menschen, die mich als Geschichtenerzähler interessieren und die bei mir viele Denkprozesse auslösen.“
Nach seinem DDR-Flucht-Thriller „Ballon“ (2018) erkannte Herbig in der von dem Medienskandal inspirierten Filmhandlung den idealen Stoff, um filmisch erneut eine völlig neue Richtung einzuschlagen. Doch die Ernüchterung folgte schnell: „Die UFA hat sich in beeindruckender Geschwindigkeit die Verfilmungsrechte an Juan Morenos Buch gesichert, als es noch gar nicht geschrieben war“, sagt Michael Bully Herbig. „Insgeheim dachte ich: Die schon wieder! Das hat mich zwar gewurmt, aber ich wollte ein guter Verlierer sein und habe mich schnell von meiner schönen Idee verabschiedet.“