tausenSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2022, Teil 9

Redaktion

Hamburg (Weltexpresso) - Auftritt Sebastian Werninger. Der Geschäftsführer der UFA Fiction und UFA Distribution GmbH hatte genauso schnell wie Michael Bully Herbig das Kino-Potenzial in dem Medienskandal erkannt und sofort gehandelt. „Ein Autor, mit dem ich damals an einem anderen Projekt arbeitete, kannte Juan Moreno und brachte uns zusammen“, erklärt Werninger. Das Treffen war von großem Vertrauen geprägt, sodass sich die UFA Fiction die Verfilmungsrechte bereits sichern konnte, als Juan Moreno noch viele Monate von der Fertigstellung und Veröffentlichung seines Buchs „Tausend Zeilen Lüge – Das System Relotius und der deutsche Journalismus“ entfernt war.

Sebastian Werninger holte seinen langjährigen Weggefährten Hermann Florin mit ins Boot, den Geschäftsführer der Produktionsfirma Feine Filme: „Hermann Florin ist ein ausgewiesen starker Dramaturg und kreativer Produzent, der ‚hands-on‘ die Entwicklung und die Produktion begleitet, während ich derjenige bin, der neue Projekte findet, aufstellt und sich um die Finanzierung kümmert.“ Florin: „Der Erfolg unserer Zusammenarbeit liegt neben dem großen Vertrauen dem anderen gegenüber vor allem darin, dass wir uns hervorragend in unseren Schwerpunkten ergänzen: Sebastian im Geschäftlichen und ich im Inhaltlichen. Wir beide kennen aber die andere Seite des Produzierens auch sehr gut. Alle Fragestellungen werden gemeinsam diskutiert und gelöst.“ „Tausend Zeilen“ sollte für Sebastian Werninger und Hermann Florin die achte gemeinsame Arbeit werden.

„Zunächst war die Frage: Wie erzählen wir die Geschichte?“, sagt Hermann Florin. „Es geht um einen Journalisten, der herausfindet, dass ein anderer Journalist im großen Stil seine Texte fälscht. Das kann man ernst und spannend erzählen, aber auch komödiantisch und spannend. Wir haben uns entschieden, die Geschichte als eine Art Mediensatire zu erzählen.“ Sebastian Werninger spricht von einer „Mischung aus Recherche-Drama und Mediensatire“, stellt aber schnell die Suche nach einem griffigen Genre-Namen ein: „Ich glaube, die braucht der Film auch gar nicht, weil er sehr facettenreich ist und vieles bietet: Humor, Spannung, Tempo und sehr große Bilder.“

Schnell hatten Sebastian Werninger und Hermann Florin einen Wunschkandidaten für die Regie: ausgerechnet Michael Bully Herbig, von dem sie nicht wussten, dass er bereits selbst mit dem Filmstoff geliebäugelt hatte. „Wir kannten Bully nicht persönlich und haben ihm erst einmal eine offizielle Anfrage per E-Mail geschickt“, sagt Sebastian Werninger. Umso größer war die Überraschung, als wenige Minuten später das Telefon klingelte. „Ich habe noch nie so schnell zurückgerufen wie bei dieser Anfrage“, sagt Michael Bully Herbig und ergänzt: „Ich glaube, Sebastian Werninger war überrascht, wie schnell ich angedockt habe. Für mich war dieses Angebot wie ein Geschenk, das unverhofft dahergeflogen kam.“

Schnell fand ein erstes Treffen in München statt, bei dem Michael Bully Herbig sehr detailliert erklärte, wie er sich „Tausend Zeilen“ vorstellte: „Es sprudelte einfach so aus mir heraus, aber das war mir auch wichtig, weil ich an der Reaktion sehen wollte, ob Sebastian Werninger und Hermann Florin mein Konzept teilen oder nicht.“

Der Regisseur spricht von einem „selbstbewussten Film, der einfach macht, was er will“, quasi verfilmte Anarchie mit einem wilden Stakkato erzählerischer Mittel: „Es geht in diesem Film um die Lüge, um die Unwahrheit. Darin habe ich stilistisch eine Chance gesehen, Dinge zu machen, die ein normaler Film nie
machen darf“, erklärt Herbig. „Die Handlung bricht immer wieder aus, wir erfinden kleine Geschichten innerhalb des Films. Und wenn die Leute glauben, dass sie gerade die Wahrheit gesehen haben, schlagen wir wieder einen Haken. Wir arbeiten also mit denselben Methoden wie der Reporter, der seine Geschichten
verdreht oder erfindet. Wenn mich die Genre-Polizei fragt, was für ein Film ,Tausend Zeilen‘ eigentlich ist, muss ich gestehen: Ich weiß es nicht“, sagt Michael Bully Herbig. Denn die Geschichte und deren Inszenierung sind spannend wie ein Thriller, humorvoll wie eine Komödie, sarkastisch wie eine Satire, emotional wie ein Drama und packend wie ein intelligenter Krimi.

Zu den ungewöhnlichen Stilmitteln zählt auch das Durchbrechen der vierten Wand, also das Aufheben der imaginären Grenze zwischen Film und Publikum. „Diese direkte Kontaktaufnahme mit den Zuschauern kennt man meist nur aus Comedyformaten“, sagt Michael Bully Herbig. „Bei ,Tausend Zeilen‘ war mir aber von Anfang an sehr wichtig, dass sowohl der Star-Reporter als auch der freie Journalist, der die Fälschungen aufdeckt, um die Gunst des Publikums buhlen. Sie wollen die Zuschauer überzeugen, dass sie das Richtige tun. Der Film zeigt, dass beide ihre Motivation haben. Und der Zuschauer wird selbst entscheiden, auf wessen Seite er ist und wessen Motivation er nachvollziehen kann.“

Herbigs Vision fiel bei Sebastian Werninger und Hermann Florin auf sehr fruchtbaren Boden: „Ich habe die ganze Zeit in zwei grinsende Gesichter geschaut“, erinnert sich der Regisseur. „Beide haben ständig mitgenickt, und ich merkte: Okay, ihnen gefällt, was ich erzähle. Wenn sich herausgestellt hätte, dass sie ganz andere Vorstellungen haben, dann hätte ich diesen Film sicher nicht gemacht.“ Gern hätte Herbig sofort damit begonnen, das Drehbuch zu schreiben. Doch er war bereits in ein anderes Projekt eingespannt. Man einigte sich darauf, dass Michael Bully Herbig und Hermann Florin gemeinsam mit einem Autor zunächst in mehreren Sitzungen ein Treatment entwickeln und dass die Suche nach dem passenden Drehbuchautor auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. „Die Chemie zwischen Bully und mir war ausgesprochen gut“, zieht Hermann Florin Bilanz. „Das Spinnen, das Erfinden von Geschichten und überraschenden Wendungen hat gut funktioniert und mir sehr viel Spaß gemacht.“

Nachdem Hermann Florin das Treatment überarbeitet hatte, waren Michael Bully Herbig und Sebastian Werninger derart von der Tonalität und Qualität beeindruckt, dass sie Florin kurzerhand fragten, ob er sich vorstellen könne, das komplette Drehbuch zu schreiben. „Vor meiner Zeit als Produzent habe ich am Theater gearbeitet, dort fast 90 Prozent Uraufführungen gemacht, also Stücke gemeinsam mit Autoren entwickelt, die wir dann zur Inszenierung gebracht haben“, sagt Hermann Florin. „Der Schritt, ein Drehbuch selbst zu schreiben, hatte sich also schon lange angekündigt. Aber ich habe diese Aufgabe immer vor mir hergeschoben, weil ich großen Respekt vor der Arbeit der Drehbuchautor:innen habe. Als Produzent hatte ich ja das Glück, mit fantastischen Autor:innen zusammenarbeiten zu können. Als Bully und Sebastian mich gefragt haben, ob ich das Buch schreiben wolle, habe ich erst einmal geschluckt. Aber die tolle Zusammenarbeit mit Sebastian und Bully und dieser enorme Vertrauensvorschuss haben mir sehr dabei geholfen, mein erstes Drehbuch zu schreiben.“ Es war immer klar, dass „Tausend Zeilen“ keine Dokumentation werden soll, die wahren Ereignisse also nur als eine Inspirationsquelle für einen unterhaltsamen Kinofilm dienen.

Foto:
©Verleih


Info:
TAUSEND ZEILEN 
eine Produktion von UFA FICTION
und WARNER BROS. FILM PRODUCTIONS GERMANY
in Koproduktion mit FEINE FILME
inspiriert von „Tausend Zeilen Lüge“ von JUAN MORENO
mit ELYAS M’BAREK
JONAS NAY
MARIE BURCHARD
MICHAEL OSTROWSKI
JÖRG HARTMANN
MICHAEL MAERTENS
SARA FAZILAT
JEFF BURRELL
und als Gast KURT KRÖMER

Regie MICHAEL BULLY HERBIG
Drehbuch HERMANN FLORIN