rexSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2022, Teil 16

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Erstaunlich, daß mit REX GILDO in der letzten Woche und RIMINI in der der kommenden Woche gleich zwei Filme über Schlagermacher, Schlagersänger in den Kinos anlaufen, die beide interessant, dennoch extrem unterschiedlich ihr Sujet behandeln. RIMINI von Ulrich Seidl zeigt, zu welcher Dichte eine fiktive filmische Erzählung führen kann und welches Psychogram sein Darsteller vermittelt. DER LETZTE TANZ vermag in einer Mischung aus Doku und Fiktion eine Annäherung an die historische Figur Rex Gildo und vor allem die Zeit der Sechziger und Siebziger Jahre in der BRD zu leisten.

Was einem der Film sagt, wenn man Rex Gildo nicht kannte, vermag ich nicht einzuschätzen, denn ich wußte um ihn in seinen fetten Jahren, eben diesen beiden Wirtschaftswunderjahrzehnten, aber als junger Mensch war mir Rex Gildo völlig egal, ich fand die Figur lächerlich, seine Lieder schnulzig und als attraktiven Mann nahm ich ihn überhaupt nicht wahr. Das ist ein interessantes Phänomen, weil ich ihn heute auf der Leinwand und im Rückblick als sehr gut aussehend betrachte. Sein Gesang allerdings...

Von vorne. Was Rosa von Praunheim wagt und was er gewinnt, ist, eine vergessene Figur der alten Bundesrepublik lebendig werden zu lassen, indem er die damaligen Film- und Konzertaufnahmen des populären Sängers anreichert mit fiktiven Szenen, in denen es um das private Leben des Sängers geht, wobei ‚privat‘ nicht der korrekte Ausdruck ist, denn jemand mit solcher Popularität, bekannt wie ein bunter Hund, hat kaum Privatleben. Die fiktiven Szenen, in denen Kilian Berger den Star mimt, handeln also vorrangig um die Stationen seiner Karriere und deren HIntergründe.

Und da kommt Ben Becker ins Spiel und gibt dem ganzen Film ein Gewicht und eine psychologische Ortung. Er spielt Fred Mickley, einen Impressario, der zum Entdecker, Förderer, väterlichem Freund ,Manager, Ziehvater und - so sagt der Film – auch Bettgenossen Gildos wird. Daß er die richtige Strategie für die Karriere des jungen Burschen fährt, sieht man an den Ergebnissen: 40 Millionen verkaufte Schallplatten, über 30 Filme – Schauspieler war Gildo also auch noch - und mit FIESTA MEXICANA hatte er einen Ohrwurm auf Lager, der überall zündete, wo man deutsche Schlager goutierte, die für das Wirtschaftswunderland Westdeutschland mit Mexiko oder Hawai im Text, dann auch noch die weite Welt okkupierten.

Wie nun Becker diesen Miekley anlegt, ist von einer zarten Dezenz geprägt, einer väterlichen Grundstimmung, die ins Burschikose umschlägt, wenn es gefühlig werden könnte, so als ob da einer seiner Gefühle nicht ausleben will und kann und lieber auf der Ebene eines Machers verbleibt. Endlich einmal eine Schwulendarstellung, die auf die gängigen Klischees verzichtet. Höchste Zeit von Kilian Berger zu sprechen, der also Rex Gildo sein muß und sein Bestes tut, das Allroundtalent – Singen, Tanzen, Spielen – zu geben. Schnell wird klar, daß nicht nur Frauen, sondern zunehmend die älteren Frauen auf Rex Gildo ‚stehen‘. Aber wie. Das spielt der Film genüßlich aus, in dem er drei ältere Grazien als weiblichen Fanclub immer wieder ins Bild bringt, was zwar etwas Lächerliches hat, aber eben auch - wie ein griechischer Chor – die Bedeutung der Hauptperson herausstellt.

Zwei Sachverhalte sind wichtig.

Der Film – und darin ähnelt er dem von Ulrich Seidl – schildert auch den Niedergang des später abgehalfterten Stars, seine Versuche obenauf zu bleiben und durch Tingeln wenigstens im Gespräch zu bleiben. Doch die Zeit des eher naiven, ja primitiven Schlagers war vorbei. Solche Niedergänge haben Tragisches und Komisches zugleich. Der aufgedunsene alternde Rex Gildo wirkt wie aus der Zeit gefallen - Rimini! - , aber er findet noch sein spärlich gewordenes Publikum, so wie Menschen auch im Zoo gerne Tiere bestaunen. 

Das Zweite ist die angedeutete, ach was, behauptete Homosexualität Gildos, die sehr wahrscheinlich scheint. Und eben auch das versteckte Liebesverhältnis mit seinem Entdecker. Daß dieser für die Heirat Gildos mit dessen Cousine sorgt, die dann zu dritt lebten und übrigens auch in einer Dreiergrabstelle beerdigt sind (von bis ), verstärkt die tragische Grundstimmung, in der Gildo seinen Niedergang mit Tabletten und Alkohol aufhalten will, was natürlich zum Gegenteil führt, erst recht, wenn dies wie bei Gildo zur Sucht wird.

Man hat schon zu kämpfen mit dem Anblick eines Mannes, der immer Erwartungen von anderen zu erfüllen versucht und niemals fragt, ob diese Erwartungen wirklich bestehen und was er selber will. Für mich liegt der Wert des Films im Lebendigwerden dieser Zeit, eine kulturgeschichtliche Tat. Wie sehr allerdings die Fikton der Dokumentation überlegen ist,  auch wenn sie angereichert wird mit fiktiven Spielszenen wie hier, wird in der nächsten Woche RIMINI zeigen.

Foto:
©Verleih

Info:

Regie: Rosa von Praunheim
Kamera: Lorenz Haarmann
Lichtberatung: Elfi Mikesch

mit:
Kilian Berger (junger Rex)
Ben Becker (Fred Miekley Manager und Liebhaber)
Kai Schumann (älterer Rex)
Sidsel Hindhede (Gitte Hænning)
Julia Klawonn (Marion)
Katrin Katz Köbbert (Conny Froboess)
u.v.m.

sowie mit den Zeitzeug*innen:
Cindy Berger, Annegret Biehn, Bernhard Brink, Costa Cordalis, Margot Franke,
Conny Froboess, Gudrun Gloth, Gitte Hænning, Dorin Popa, Stefanie Simon,
Vera Tschechowa

Ein Film der Rosa von Praunheim Filmproduktion In Koproduktion mit RBB, SWR, NDR, BR, HR Gefördert von Medienboard Berlin-Brandenburg