viennaleabAbschluß der 60. Viennale (20. Oktober - 1. November), Teil 2/2

Redaktion

Wien (Weltexpresso) - Der Wiener Filmpreis, eine von der Stadt Wien gestiftete und im Rahmen der Viennale vergebene Auszeichnung, gilt einem aktuellen österreichischen Langfilm, der im vergangenen Jahr zur Auführung gelangte. Die Dotierung dieses Preises besteht aus einem Geldbetrag, der von Seiten der Kulturabteilung der Stadt zur Verfügung gestellt wird, sowie aus monetären Zuwendungen von ARRI Rental und Hotel The Harmonie Vienna. Weiters bereichert THE GRAND POST den Wiener Filmpreis mit großzügigen Sachwerten.

Beim Wiener Filmpreis werden zwei Preise vergeben: der Preis für den besten österreichischen Film und der Spezialpreis der Jury. Jede der beiden Auszeichnungen ist mit Geldspenden und Sachwerten dotiert.
Jury: Gerald Bast (Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien), Ingrid Brodnig (Autorin und Journalistin) und Edita Malovčić (Schauspielerin und Sängerin).

Bester österreichischer Film:
SONNE, Kurdwin Ayub, Österreich 2022

Jurybegründung: SONNE ist ein Film, der vermeintlich leise daherkommt, aber dann ein lautes Echo hinterlässt. Die Geschichte von drei jungen Frauen, die über Social Media ein bisschen Berühmtheit erlangen, zeigt, wie divers unsere Gesellschaft ist – Regisseurin Kurdwin Ayub gelingt es dabei gekonnt, mit dem einen oder anderen Klischee zu brechen. Mit simplen, aber wohlüberlegten Mitteln wird viel Geschichte erzählt, innerfamiliäre aber auch gesellschaftliche Strukturen und Konflikte behandelt. Dabei ist die schauspielerische Leistung der Protagonistinnen bemerkenswert. So entsteht ein sehenswerter, unterhaltsamer, aber eben auch vielschichtiger und gesellschaftspolitisch relevanter Film, dem man nicht anmerken würde, dass es sich genau genommen um ein Erstlingswerk handelt.


Spezialpreis der Jury:
RUBIKON, Leni Lauritsch, Österreich 2022

Österreichischer Film darf sich auch etwas trauen. Regisseurin Leni Lauritsch traut sich, groß zu denken. In Ihrem Film RUBIKON wendet sie sich dem Ende der Welt zu – und führt uns in einer technisch höchst professionell umgesetzten Erzählung ins Weltall. Bemerkenswert ist, wie viele erzählerische Ebenen und philosophische Fragestellungen in diesem Film miteinander verwoben werden. Damit ist ihr ein Beitrag gelungen, der aktuelle Themen unserer Zeit aufgreift und das Genre der Science Fiction nutzt, um ethische Grundsatzfragen zu verhandeln.


VIENNALE-PREIS DER STANDARD LESER:INNEN-JURY

Der Preis der Standard-Leser:innen-Jury geht an einen Film, der noch keinen Verleih in Österreich hat und dem ein Kinostart in Österreich besonders empfohlen wird. Findet der Film einen Verleih, ist der Kinostart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Tageszeitung „Der Standard“ verbunden.
Jury: Patrick Cassidy, Florian Schwarz, Daniela Univazo


Der VIENNALE-PREIS DER STANDARD LESER:INNEN-JURY geht an:
PAMFIR, Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk, Ukraine/Frankreich/Polen/Chile/Luxemburg/Deutschland 2022

Jurybegründung: Wie ein Paukenschlag fuhr uns dieser Film in die Knochen, und wir verließen die Vorführung ganz benommen und voller Aufregung über das, was wir gerade gesehen hatten. Wir waren berührt von der Wärme der Figuren, die versuchen, in einer korrupten Gesellschaft zu überleben, die sie im Dienste der Mächtigen an die Kette legen will. Die Hofnung, die PAMFIR durch seine eindrucksvollen Bilder vermittelt, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Dieser Film ist nicht nur ein Zeugnis für das Talent des Erstlingsregisseurs und des Hauptdarstellers, sondern auch eine Zeitkapsel für ein Land und eine Gemeinschaft, die sich in einem massiven Umbruch befinden. Es ist uns eine absolute Freude und Ehre, den Preis der STANDARD-Leser:innen-Jury an PAMFIR zu verleihen.


FIPRESCI PREIS (PREIS DER INTERNATIONALEN FILMKRITIK)

Zur Auswahl steht eine Reihe von Erst- und Zweitfilmen von Regisseuren und Regisseurinnen.
Jury: Susanne Gottlieb (Österreich), Johannes Hagman (Schweden), Kira Taszman (Deutschland)

Der FIPRESCI-Preis geht an:
UNRUEH, Cyril Schäublin, Schweiz 2022

Jurybegründung: Zeit ist essenziell für die Figuren in dieser facettenreichen Geschichte, aber sie vergeht unterschiedlich schnell und hängt von den Interessen der verschiedenen Fraktionen ab. Die Zeit der Unruhe, des gesellschaftlichen Umbruchs, spiegelt sich in dem geschickt gewählten Titel wider, der in sich ein Widerspruch ist. Er suggeriert zwar die Unruhe in der Gesellschaft, aber erzählt dies auf sehr unaufgeregte Weise und verzichtet auf ofensichtliche Konflikte. Für die Schilderung einer originellen internationalen Atmosphäre an einem kleinen Ort, für die Hinterfragung unseres Geschichtsverständnisses und dafür, dass er die Uhrmacherei durch ein Prisma der Historie sieht, geht der FIPRESCI-Preis an UNRUEH.


ERSTE BANK MehrWERT-FILMPREIS

Zum 12. Mal wird heuer der von der Erste Bank initiierte und gestiftete  MehrWERT-Filmpreis in Zusammenarbeit mit der Viennale, dem Deutschen Haus at NYU und dem Anthology Film Archives vergeben. Der Erste Bank MehrWERT-Filmpreis wird unter den österreichischen Filmproduktionen, die im Programm der Viennale laufen, über eine unabhängige Jury vergeben. 
Jury: Silvia Bohrn, Kulturmanagerin; Boris Manner, Philosoph, Kurator; Jed Rapfogel, Filmprogrammer Anthology Film Archives

Jurybegründung: Die Jury des Erste Bank MehrWERT-Filmpreises hat beschlossen, den Preis zwei Kurzfilmen zu widmen, die zwei der wichtigsten und grundlegendsten Bereiche menschlicher Erfahrung zum Thema haben: Sex und Tod.


Der Erste Bank MehrWERT-Filmpreis geht an Eve Heller für SINGING IN OBLIVION.

Eve Hellers Kurzfilm SINGING IN OBLIVION verwendet eine Vielzahl von Techniken – Beobachtungsfotografie, gefundene Bilder, Fotogramme und ein reichhaltiges Sounddesign, um eine Meditation über Tod, Erinnerung und Vergänglichkeit zu beschwören. Im Mittelpunkt steht der Jüdische Friedhof in Wien Währing, der von den Nazis teilweise zerstört wurde und heute dem Verfall preisgegeben ist. Heller kombiniert ihre eigenen geisterhaften Aufnahmen des Friedhofs mit Fotogrammen von organischen Materialien und fragmentarischen Bildern, die sie von Glasnegativen gedruckt hat, die sie auf einem Flohmarkt entdeckt hat. Der Film selbst wird zu einer Art Fotogramm: ein physisches Objekt, auf dem das entschwundene Leben seinen Abdruck hinterlassen hat und das so gleichermaßen von Präsenz und Abwesenheit spricht.  

Der Erste Bank MehrWERT-Filmpreis geht an Jan Soldat für BLIND DATE.

Obwohl Jan Soldats BLIND DATE in fast jeder Hinsicht ein völlig anderer Film ist als Eve Hellers SINGING IN OBLIVION, geht es auch hier um die Beziehung zwischen den immateriellen Aspekten menschlicher Erfahrung und ihren physischen Manifestationen, in diesem Fall um das Begehren und den Körper. In Zusammenarbeit mit seinen Protagonisten entmystifiziert Jan Soldat den sexuellen Akt und lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was die meisten anderen Filme zu diesem Thema ausblenden: die zutiefst menschliche Mischung aus Unbeholfenheit, Verletzlichkeit, sozialem Protokoll und zögerlicher Annäherung, die den Geschlechtsverkehr umrahmt. BLIND DATE ist Teil einer Reihe, in der Jan Soldat ein kaleidoskopisches Porträt erotischer Praktiken präsentiert. Radikal ist BLIND DATE nicht wegen seiner freimütigen Darstellung von Sex, sondern wegen seiner unbefangenen, unsentimentalen, aber einfühlsamen Neugier auf die Erfahrung zweier Individuen, die sich zur Befriedigung ihrer körperlichen Begierden zusammenfinden.

Foto:
©viennale

Info:
viennale.at