Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 20. März 2014, Teil 2

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) – Auf der Berlinale hatte KREUZWEG mehr als einen Achtungserfolg. Der in langen Einstellungen gewissermaßen minimalistische Film von Dietrich Brüggemann, für den er zusammen mit seiner Schwester Anna den Silbernen Bären für das Drehbuch erhielt, läßt keinen unberührt, der ihn sich ansieht.

 

 

KREUZWEG

 

Das junge Mädchen Lea van Acken ist die verschlossene 14 jährige Maria, die alles richtig machen möchte. Damit wird sie in der Umgebung, in der sie lebt, die eifrigste und frommeste Schülerin in der religiösen Unterweisung, die wir zu Beginn in einer ohne Schnitt gedrehten langminüten Einstellung erleben. Kaum einer der Jugendlichen könnte sich der verführerischen Indoktrination des jungen Priesters – phantastisch eloquent und jugendlich viril Florian Stettner - entziehen, der nicht nur für einen christlichen Gott wirbt, sondern für den speziellen Gott, wie ihn sich die Piusbrüderschaft vorstellt und der von jungen Menschen erwartet, in all den normalen Regungen der Pubertät, die erotische Gefühle und Handlungen zu unterlassen und sich selbst zu bestrafen, wenn solche Gedanken auftreten.

 

Eine unglaublich intensive Szene, mit der wir hineingeworfen werden in einen Film, der danach im familiären und schulischen Umfeld die Geschichte des Mädchens erzählt, die schon zu Beginn vom Priester hervorgehoben und gelobt wurde, weil sie besonders eifrig mitmacht und auch das von ihm Gewollte sagt. Sie bittet danach um ein Gespräch und spätestens hier merken wir, daß Maria unter innerem Druck steht und mit Gott einen Handel abschließen will, indem sie sich opfern, damit ihr kleiner bisher sprachloser Bruder endlich spricht. Dieser Anfang wurde eingeleitet mit einem Satz auf schwarzem Grund: „1. Jesus wird zum Tod verurteilt.“ und während nach der anfänglichen Priesterszene der nächste Satz erscheint, verstehen wir, daß wir die 14 Stationen des Kreuzweges Christi erleben werden, wobei sich Maria gerade selbst zum Tode verurteilt hat.

 

Daß das nicht so dahingesagt ist, sondern von ihr so gemeint und dann durchgezogen wird, gibt dem Film eine Unerbittlichkeit, aber auch Klarheit und Wahrheit, die einen frieren läßt – und bedauern, daß man nicht eingreifen kann. Denn Maria erweist sich als störrisch, wenn irgendjemand ihre Pläne durchkreuzen will und dennoch ist auch jede Sekunde das Gegenteil richtig, sie sehnt sich nach Wärme und Zuneigung und nach einem Ort auf der Welt, wo sie sich wohlfühlt. Den findet sie weder in der Schule, wo sie als verstiegen erscheinen muß in ihrer Ablehnung all dessen, was Jugend gefällt und ausmacht, den findet sie erst recht nicht in ihrer der Piusbruderschaft angehörigen Familie, wo das Interesse der rigiden und herrschsüchtigen Mutter dem Problemknaben gilt und der Vater ein Schwächling ist.

 

Beklemmung erfaßt den Zuschauer, weil die Unerbittlichkeit des Geschehens ihm ab irgendwann das Gefühl von Ausweglosigkeit gibt, denn immer wieder merkt man Maria an, daß sie zwar ihren Weg gehen will, aber sich gleichsam von ihrer Umwelt auch dazu verdammt sieht. Wenn sie in den Augen der Mutter – eine peinigende Studie, die Franziska Weisz eindringlich gelingt -, ständig die Schuldige ist, bestärkt dies ihren Weg der Selbstauslöschung, der für sie ein Weg in den Himmel ist, denn sie gibt sich wie Christus für einen anderen auf. Dazwischen gibt es Szenen, die zeigen, daß sie auch anders könnte, denn ein Mitschüler spricht sehr verständig mit ihr und will sie zum Chorsingen mitnehmen. Obwohl sie die Mutter belügt und von einer Freundin spricht, die sie begleiten möchte, wird ihr noch nicht einmal harmloses Chorsingen gegönnt, denn es könnte des Teufels sein.

Maria, die auch nicht mehr ißt, siecht dahin. Erst im Beerdigungsinstitut, einer nun vollends surrealen Situation, der Hans Zischler als Verkäufer von Trauer einerseits und als vom Tode ehrlich Betroffener eine menschliche Seite verleiht, bricht auch die Mutter in Tränen aus, gleichwohl wissen wir, durch den Tod der Maria hat sie ihre Mutter nicht gerettet. Aber der Bruder spricht. Gottes Wunder hat sich erfüllt.

 

KREUZWEG ist ein KREUZZUG gegen jeglichen Fundamentalismus, hier gezeigt an der katholischen Religion und ihrer sektenhaften, aber zugelassenen Piusbruderschaft, die hier dem Paulus umgewidmet ist. Wie das System der Stabilisierung ihrer Gemeinde funktioniert, darüber gibt der Film unter der Hand auch noch Antworten.