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Der große Stern Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher als sechsteilige Serie, seit 2.12. bei Leonine als DVDs


Claudia Schulmerich


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie wirkt diese Geschichte von der Verführbarkeit der schreibenden Zunft durch die Aussicht auf viel Geld und ewigen Ruhm auf die Nachgeborenen? Denn diejenigen, die im April 1983 die Sensation von Hitlertagebüchern, die immerhin einige Tage als echt galten, bis sehr schnell der ganze Schwindel aufflog, diejenigen werden dies nie vergessen.

 

Schließlich hatte der STERN ein Gesicht zu verlieren, denn zusammen mit dem SPIEGEL war der Stern das große Aufklärungsblatt Westdeutschlands, wo knallhart mit den Vertuschungen der Adenauer-Republik aufgeräumt wurde und beide Wochenzeitschriften für die Bundesrepublik Deutschland eine Funktion hatten, die im Gemälde von Delacroix über den französische Aufstand 1830 DIE FREIHEIT FÜHRT DAS VOLK AN der französischen Freiheitsfigur Marianne zukommt.

Daß zudem diese sechsteilige Verfilmung des STERN-Skandals unmittelbar erfolgte, nachdem auch der SPIEGEL seinen Fälschungsskandal hatte, ist wieder einmal der Ironie der Geschichte geschuldet. Denn im Dezember 2019 wurden die so gelobten und mit Preisen überhäuften Spiegelreportagen des Claas Relotius als Fälschungen entlarvt, als gut geschriebene Fiktion, was er als Fakten verkauft hatte.

Das Drehbuch haben Tommy Wosch, Annika Cizek und Dominik Moser verfaßt. Regie führen Tobi Baumann und Wolfgang Groos.

Mir macht die Serie großen Spaß, ganz unabhängig von den darstellenden Personen, die mir sogar einen Heidenspaß machen! Mir gefällt einfach diese Mischung aus Provinzialität und großer Welt auf der Leinwand, die wirklich das Lebensgefühl der Bundesrepublikaner dieser Jahre ausmachte - immer das einer bestimmten Gesellschaftsschicht, nämlich derer, die sich für die Macher, bzw. die Chronisten dieser westdeutschen Republik hielten.

Die Akteure haben geradezu perfekte Darsteller gefunden, sozusagen bessere Kopien als die Originale. Da sind die zwei Hauptfiguren, der STERN-Reporter Gerd Heidemann, den Lars Eidinger mit der nötigen Geltungssucht und der größenwahnsinnigen Mentalität gibt. Ein Urgestein dieser Fälscher Konrad Kujau, dem Moritz Bleibtreu eine geradezu sympathische Kontur verleiht, gerade durch eine Dialektfärbung, aber auch seine Leidenschaft für das schöne Geschlecht. Dabei lernen wir den peniblen Fälscher genauso kennen wie den Lebemann, wobei Höhepunkt seine spätere Flucht in die DDR ist, die nur noch getoppt wird, durch seine schnelle Rückkehr in die BRD.

Die richtig gute Rollenbesetzung setzt sich fort mit der wohl fiktiven Figur – es wird ausdrücklich verwiesen auf die Mischung zwischen Wirklichkeit und Fiktion der Serie - Elisabeth Stöckel, die dramaturgisch als kritische junge Journalistin eine wichtige Funktion übernimmt und mit Sinje Irslinger einfach glaubwürdig ist. Sie bekommt die Chance, beim STERN anzufangen, ist die Tochter eines angesehenen Hochschullehrers, über den sie dessen verheimlichte SS-Karriere erfährt, was als Fall erst parallel, dann überkreuz zum Geschehen um die Tagebücher läuft und dramatische Folgen hat.

Die wichtigsten Bestandteile des Sechsteilers sind einmal die Szenen in der STERN-Redaktion, wo Felix Bloom (Hans-Jochen Wagner) alles auf die Karte Hitler-Tagebücher setzt und groß rauskommen will, während Theo Kalg (Tristan Seith) als Chefredakteur erst das kritische Gegengewicht mimt, sich dann aber an die Spitze stellt – und mituntergeht. Bei der Ankündigung der Tagebücher in der Pressekonferenz, die der Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher am 23. April 1983 drei Tage voranging, hatte er noch vom Pulitzerpreis gesprochen, den die Aufdeckung von Watergate zehn Jahre zuvor der Washington Post gebracht hatte und diesen Preis für den STERN angesichts der Hitler-Tagebücher angekündigt.

Die anderen Szenen drehen sich rund um diesen fidelen Konrad Kujau. Zum einen, wie er überhaupt auf Fälschungen kommt, denn er ist Maler wie Zeichner und kann die Buchstaben drehen und wenden und schreiben wie er will, zum anderen seine Vitalität, weshalb er auch mindestens zwei Frauen braucht, und drittens die eigentlichen Verhandlungen mit Gerd Heidemann, die erst zur Idee der Fälschung der Tagebücher führen und den ganzen Skandal in Gang setzen.

Nie kommen einem die sechs Teile langwierig vor, jede Szene hat ihre Funktion und immer wieder gibt es zudem filmische Höhepunkte, wenn auf einmal in einer Lachsymphonie Heinemanns, die man für einen Traum hält , sogar das Gesicht des Fälschers Kujau sich in das Antlitz Hitlers verwandelt mitsamt seiner Uniform . Und sein Autounfall, der die Geschichte einleitet und im letzten Teil wiederauftaucht und den er seltsamerweise überlebt, ist ein spektakulärer Hingucker, einfach ein großes schauspielerisches Talent.

Die privaten Szenen mit Gerd Heidemann sind bisher unterschlagen worden, dabei sind die wechselnden Lieben, erst Edda Göring (Jeanette Hain), dann

Isabell Heidemann (Katharina Heyer) höchst aufschlußreich. Aber auch die Flucht des Kujau in die DDR mit seinen beiden Frauen ist ein Spaß für sich, denn dieser Typ hat ein Talent, sich aus allem herauszumogeln und die Lacher auf seiner Seite zu haben. Grandios in der Verkörperung durch Bleibtreu.

Im letzten Teil findet das Gerichtsverfahren als Täuschung des STERN durch Gerd Heinemann statt, das ihm 4 Jahre und 8 Monate einbrachte, aber auch Konrad Kujau wurde zu 4 Jahren und 6 Monate verurteilt. Die Fälschung wurde sehr schnell durch das Bundeskriminalamt entlarvt, einfach durch Papierbestandteile, die es damals nicht gab.

Ein Fall für die Geschichtsbücher, aber auch als Sittengeschichte Westdeutschlands aussagekräftig.

Fotos:
Verleih©

Info:

Gerd Heidemann      Lars Eidinger
Konrad Kujau            Moritz Bleibtreu
Elisabeth Stöckel      Sinje IrslingerF
Felix Bloom                Hans-Jochen Wagner
Theo Kalg                 Tristan Seith
Leo Gold                   Daniel Donsko
Edda Göring             Jeanette Hain
Thomas Melchior      Lukas T. Sperber
Rudolph Michaelis.   Richard Sammel
Richard Dreier          Ronald Kukulies
Hans Stöckel            Ulrich Tukur
Agnes Schonert        Britta Hammelstein
Herbert Strunz          Reiner Schöne