Ali Abbasi
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – HOLY SPIDER erzählt die Geschichte eines der berüchtigtsten Serienmörder in der Geschichte des Iran, Saeed Hanaei. In einem größeren Kontext ist der Film eine Kritik der iranischen Gesellschaft, denn der Mörder ist ein sehr religiöser Mann, ein hochgeschätzter Bürger. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lebte ich immer noch in Iran, als Saeed Hanaei in der heiligen Stadt Maschhad Prostituierte vom Straßenstrich ermordete. Es gelang ihm, 16 Frauen zu
töten, bevor er gefasst und vor Gericht gestellt wurde. Während des Gerichtsverfahrens wurde mein Interesse an dem Fall erst richtig geweckt. In einer normalen Welt würde kein Zweifel daran bestehen, dass ein Mann, der 16 Morde begangen hat, als schuldig angesehen würde. Aber hier war es anders: Ein Teil der Öffentlichkeit und die konservativen Medien begannen, Hanaei als Helden zu feiern.
Sie unterstützten die Idee, dass Hanaei einfach nur seine religiöse Pflicht erfüllte, die Straßen zu säubern, in dem er diese „schmutzigen“ Frauen beseitigte. Dieser Aspekt löste in mir das Bedürfnis aus, diesen Film zu machen.
Saeed Hanaei ist gleichzeitig Opfer und Täter, Verbrecher. Als Soldat an der Front des iranischirakischen Krieges hat er seinem Land seine Jugend gegeben, um es besser zu machen und seinem eigenen Leben eine Bedeutung zu geben. Er muss feststellen, dass er der Gesellschaft egal ist, dass seine Opfer während des Krieges nichts geändert haben. Er existiert in einem existenziellen Vakuum, trotz seines Glaubens an Gott. Saeed besucht die Moschee und weint im Haus Gottes. Er findet eine neue Mission, eine Mission für Allah.
HOLY SPIDER will kein politisches Statement gegen die iranische Regierung abgeben. Der Film ist nicht gedacht als Kritik an den korrupten Gesellschaften im Nahen Osten. Die Dehumanisierung ganzer Gruppen von Menschen, ganz besonders von Frauen, findet nicht nur in Iran statt, sondern findet sich in unterschiedlicher Ausprägung in allen Ecken der Welt.
Ich sehe den Film als besondere Geschichte über besondere Figuren. Es ist kein Themenfilm über gewisse soziale Übel. Wir wollen nicht, dass Saeeds Geschichte und seine Persönlichkeit den Film überlagern. Anstatt einen weiteren Film zu machen über die verschiedenen Wege, wie ein Mann Frauen ermorden und verstümmeln kann, wollten wir die Komplexität der Thematik und die Sicht beider Seiten – mit einem Augenmerk auf die Opfer – unterstreichen.
Die Geschichte der Journalistin Rahimi ist für unseren Film ebenso wichtig wie die von Saeed. Ich will ihr nahekommen und verstehen, wie sie selbst, aber auch ihre Familie zu diesen Konflikten steht und wie sie sich in ihrer Gesellschaft sieht, während sie den Fall recherchiert. Hanaeis Opfer waren keine gesichtslosen Straßenfrauen. Jede von ihnen hatte eine eigene Persönlichkeit, ein eigenes Leben. Und wir hoffen, dass es uns gelungen ist, ihnen wenigstens einen Teil ihrer Würde und ihrer Menschlichkeit, die ihnen genommen wurden, zurückzugeben. Sie sind keine Heiligen. Sie sind keine unglückseligen Opfer. Sie sind Menschen, wie Du und ich.
Foto:
©Verleih
Info:
Stab
Regie ALI ABBASI
Drehbuch ALI ABBASI & AFSHIN KAMRAN BAHRAMI
Besetzung
Saeed MEHDI BAJESTANI
Rahimi ZAR AMIR EBRAHIMI
Sharifi ARASH ASHTIANI
Fatima. FOROUZAN JAMSHIDNEJAD
Abdruck aus dem Presseheft