Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Januar 2023, Teil 11
Chinonye Chukwu
Berlin (Weltexpresso) - Als ich gebeten wurde, eine Geschichte über Emmett Till zu schreiben und zu inszenieren, fühlte ich mich zu einer besonderen Figur im Zentrum seines Umfelds hingezogen. Ich sah die Möglichkeit, die Erwartungen zu unterlaufen und die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu erzählen – aus der mütterlichen Sicht von Mamie Till-Mobley. Wäre Mamie nicht gewesen, hätte sich die Erinnerung an ihren Sohn in Luft aufgelöst. Sie war der Katalysator für eine moderne Bürgerrechtsbewegung, die einen beeindruckenden Rahmen für zukünftige Aktivisten und Freiheitskämpfer geschaffen hat. Ich fühlte mich verpflichtet, mich für Mamies Vermächtnis einzusetzen und sie ins Rampenlicht zu rücken, wo sie zu Recht hingehört.
Mamies Geschichte erzählt von Widerstandsfähigkeit und Mut im Angesicht von größter Not und unsäglichen Zerstörungen. Für mich war die Möglichkeit, den Fokus auf Mamie, eine facettenreiche schwarze Frau, zu legen und dieses besondere Kapitel in ihrem Leben zu beleuchten, eine große Aufgabe, die ich mit enormem Respekt und Verantwortung annahm. Mamie kämpfte tagtäglich gegen Rassismus, Sexismus und Frauenfeindlichkeit, die sich nach der Ermordung von Emmett exponentiell verschärften. Mamie hat nicht gekuscht. Stattdessen entwickelte sie sich zu einer Kämpferin für Gerechtigkeit, die mir half, meinen eigenen, ähnlichen Weg des Aktivismus zu verstehen und zu gestalten. Und für mich als Filmemacherin war es von größter Bedeutung, Mamie in ihrer ganzen komplexen Menschlichkeit zu zeigen.
Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht nicht die traumatische, physische Gewalt, die Emmett angetan wurde – deshalb habe ich mich auch geweigert, diese Brutalität im Film darzustellen –, sondern Mamies bemerkenswerte Reise in der Folgezeit. Sie wird von der Liebe zu ihrem Kind getragen, denn im Kern ist TILL – KAMPF UM DIE WAHRHEIT eine Liebesgeschichte. Inmitten des Schmerzes und des gebrochenen Herzens war es für mich entscheidend, ihre Zuneigung im Film zu verankern. Die filmische Sprache und der Ton von TILL – KAMPF UM DIE WAHRHEIT waren tief verwurzelt in der Balance zwischen Verlust in Abwesenheit von Liebe, der untröstlichen Trauer in Abwesenheit von Freude und das Einstehen für das schwarze Leben neben dem herzzerreißenden Schmerz durch den Verlust eines Kindes.
Ich hoffe, dass die Zuschauer mit den Menschen auf der Leinwand mitfühlen und in diesem Film unsere gegenwärtige kulturelle und politische Realität sehen. Und ich hoffe, dass Mamies Geschichte uns allen hilft, die Kraft in uns selbst zu erkennen, um weiterhin für den Wandel zu kämpfen, den wir in der Welt erleben wollen, so wie sie es getan hat.
Mamie Till-Mobley: Ein unzertrennbares Band zwischen einer Mutter und ihrem gemarterten Sohn erschütterte die Welt und rüttelte am Käfig der Justiz
Mamie Till-Mobley steht im Zentrum des Films TILL – KAMPF UM DIE WAHRHEIT, einer Geschichte über Würde, Freude und Menschlichkeit, die über das Böse siegt.
Mamie Elizabeth Till-Mobley (geboren als Mamie Elizabeth Carthan, 23. November 1921 – 6. Januar 2003) war eine amerikanische Pädagogin und Aktivistin. Sie wurde in Mississippi geboren und zog mit ihren Eltern während der „Great Migration“ in die Gegend von Chicago. Sie war die Mutter von Emmett Louis Till, der am 28. August 1955 im Alter von 14 Jahren in Mississippi ermordet wurde, nachdem er angeblich mit Carolyn Bryant, einer weißen Kassiererin in einem örtlichen Lebensmittelgeschäft, „unangemessen" verkehrt hatte. Nach der Ermordung ihres Sohnes wurde Mamie Erzieherin und Aktivistin in der Bürgerrechtsbewegung.
„Gott hat mir gesagt“, berichtete sie zu Beginn ihres Kreuzzuges für soziale Gerechtigkeit, „ich habe euch einen genommen, aber ich werde euch Tausende geben. Ich habe in allen Kindern, die ich berührt habe, etwas von mir selbst zurückgelassen.“ Dieses Glaubensbekenntnis steht im Mittelpunkt von TILL – KAMPF UM DIE WAHRHEIT, einem zeitgeschichtlichen Stück und zugleich einer zeitgenössischen Reflexion über den Zustand unserer verworrenen Gesellschaft, gesehen durch die Augen einer Mutter. Im Angesicht von Rassismus und kulturellem Terror wollte sie nicht aufgeben und führte den Kampf um Gerechtigkeit für ihren Sohn. Mamie entschied sich dafür, dem Jet Magazine und anderen Zeitungen zu erlauben, die schrecklichen Fotos von der Beerdigung am offenen Sarg zu veröffentlichen, die zu einem Schlüsselmoment für die Bürgerrechtsbewegung wurde.
Und so machten sich die Filmemacher daran, die Geschichte einer Mutter-Sohn-Beziehung zu erzählen und die außergewöhnliche Reise einer Mutter, die nicht nur Gerechtigkeit für den Lynchmord an ihrem Sohn durch weiße Rassisten im Mississippi der 1950er-Jahre sucht, sondern auch dafür sorgen will, dass er nicht vergessen wird. Entsetzt über die Verstümmelung der Leiche ihres Sohnes traf Mamie die mutige Entscheidung, Emmetts Leiche in Chicago mehr als 50.000 Menschen zu zeigen, was dazu führte, dass viele Menschen beim Anblick und Geruch der Leiche in Ohnmacht fielen oder weinend das Haus verließen.
So formulierte es Martin Luther King Jr. in einer aufrüttelnden Rede in Montgomery, Alabama, wenige Monate nach Emmetts Beerdigung: Er nannte das Geschehene „eines der brutalsten und unmenschlichsten Verbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts“.
Kurz nach Kings Rede rief die Montgomery Improvement Association, deren Vorsitzender King war, den 13-monatigen Montgomery-Busboykott ins Leben. Auslöser für den Boykott war die Verhaftung von Rosa Parks, die sich geweigert hatte, ihren Sitzplatz im Bus einer weißen Frau zu überlassen. Doch Till-Mobleys Entscheidung, die geschändete Leiche ihres Sohnes öffentlich zu zeigen, prägte sich unauslöschlich in die Köpfe und Herzen der Schwarzen im ganzen Land ein und veranlasste viele dazu, zu sagen: ‚Genug ist genug‘. „Als die Menschen sahen, was mit meinem Sohn geschehen war“, sagte sie, „standen Männer auf, die nie zuvor aufgestanden waren. Menschen wurden laut, die sich nie zuvor zu Wort gemeldet hatten.“
Mamie Till-Mobley war mehr als nur die Mutter von Emmett Till. Sie war ein Katalysator für eine Bewegung, die die wohl größte kulturelle Veränderung in der modernen amerikanischen Geschichte bewirkte, eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule, die sich für gleiche Bildungschancen für schwarze Kinder einsetzte, und eine Frau, deren Geschichte nicht mit dem Tod ihres Sohnes begann oder endete.
Und es ist eine Geschichte, die jeder kennen sollte, und mit dem Spielfilm TILL – KAMPF UM DIE WAHRHEIT wird dies möglich.
Foto:
©Verleih
Info:
Besetzung
Danielle Deadwyler – Mamie Till-Mobley
Whoopi Goldberg – Alma Carthan
Jalyn Hall – Emmett Till
John Douglas Thompson – Moses Wright
Sean Patrick Thomas – Gene Mobley
Jayme Lawson – Myrlie Evers
Tosin Cole – Medgar Evers
Frankie Faison – John Carthan
Haley Bennett – Carolyn Bryant
Die Filmemacher
Chinonye Chukwu – Regisseurin
Keith Beauchamp – Produzent
Barbara Broccoli – Produzentin
Bobby Bukowski – Kamera
Marci Rodgers – Kostümbildnerin
Abruck aus dem Presseheft