Redaktion
Wien (Weltexpresso) - Die aufgezeichneten Gespräche mit seinem Urgroßvater, die Adrian Goiginger als 14-Jähriger begann und die Basis für das Drehbuch von DER FUCHS sind, zogen sich mit Abständen hin bis zu dessen Tod im Jahr 2017. „Über zwölf Jahre ließ ich mir immer wieder von dieser Zeit erzählen, wobei ich, als ich selbst älter war, drei Intensivsessions angesetzt habe, in denen er wirklich ausführlich berichten konnte“, erzählt Goiginger. Besonders lebhaft seien die Berichte geworden, als Goiginger gerade seinen Wehrdienst leistete und seinen Urgroßvater in Uniform besuchte: „Er bekam ganz große Augen und redete mit mir wie mit einem Kameraden. Der Wehrdienst hat mir insofern etwas gebracht, als dass ich die Welt des Militärs, von der mir erzählt wurde, viel besser verstanden habe.“
Eine weitere wichtige Grundlage und Quelle zur Vorbereitung auf die Drehbucharbeit war ein Fotoalbum, das 350 Fotos beinhaltete, die sein Urgroßvater während des Kriegs gemacht hatte. „Er hatte stets seine Kamera mit Selbstauslöser dabei. Die Fotos sind alle in einem Miniformat, in dessen Anlehnung ich später auch das Filmformat von 1,33:1 gewählt habe. Die
Fotografien habe ich digitalisiert und vergrößert und sie mir mit meinem Uropa auf dem Fernseher angeschaut. Er konnte mir bei jedem Bild genau erzählen, was es zeigt, wo es war, wann es war. Geistig war er topfit bis zu seinem Tod. Es war wie eine Zeitreise für ihn.“
Mehrere Elemente des Films orientieren sich eng an den Erinnerungen von Franz Streitberger. Zum Beispiel die von Armut geprägte Kindheit 1927 im Pinzgau auf dem elterlichen Hof, von dem sein Urgroßvater als Achtjähriger weggeschickt wurde, weil ihn die Eltern nicht mehr ernähren konnten. Oder der Eintritt in das Österreichische Bundesheer im Jahr 1937, nachdem er seine Dienste als Knecht an den Nagel hängen konnte. Die Kriegsjahre 1940/41, in denen Franz Streitberger als Motorradkurier den Fuchswelpen bei sich hatte, speisen sich aus einzelnen Anekdoten. „Die Szene etwa, in der Franz mit seinem Motorrad nach Frankreich fährt und der über die Straße gespannte Draht ihn nur deshalb nicht köpft, weil er seinen Helm offen trägt, ist genauso passiert“, berichtet der Filmemacher. Auch der Umstand, dass er ständig Platten mit seinem Motorrad hatte und dass er den Welpen mit gebrochener Pfote im Wald fand, fußen auf den mündlich überlieferten Memoiren.
Die Erzählungen seines Urgroßvaters reicherte der Filmemacher mit anderen Kriegsgeschichten an. „Aus dem Nichts erfunden habe ich ganz wenig. Alle Nebenfiguren, die es in meiner Geschichte gibt, sind echten Menschen nachempfunden, die ich im Laufe meiner intensiven Recherche kennengelernt habe.“ Diese umfasste den Besuch von etlichen Altersheimen in Salzburg sowie Interviews mit an die 50 Zeitzeugen. „Zudem habe ich dutzende Tagebücher, Briefe und Aufzeichnungen aus der Kriegszeit gelesen, die mir dabei halfen, die Lücken zu
schließen, die es in den Erzählungen meines Uropas gab“, sagt der Filmemacher und erklärt im nächsten Atemzug, dass es sehr wohl eine erfundene Sache im Film gibt: „Bei mir versöhnt sich Franz am Ende mit seinem Vater, der nach Kriegsende und der Rückkehr des Sohns 1946 zwar schon gestorben war, allerdings einen Brief hinterlassen hat. Im wahren Leben fand diese Versöhnung nicht statt. Die Verletzung durch die ohne Vorwarnung erfolgte Weggabe an einen anderen Bauern als junger Bub saß zu tief. Goiginger erinnert sich, dass er bei seiner Nachforschung viele Menschen getroffen hat, denen Ähnliches widerfahren ist wie seinem Urgroßvater: „Vernachlässigung in der Kindheit, Eltern, die nicht da waren, Arbeiten im Kindesalter… Das berichteten mir sehr viele, häufig diejenigen, die auf dem Land aufwuchsen. Ich denke, mein Uropa hätte es sicherlich einfacher gehabt im Leben, wenn er seinem Vater hätte vergeben können. Mein Film ist auch eine Geschichte über Vergebung.“
Die Arbeit am Drehbuch nahm aufgrund der aufwändigen Recherche vier Jahre in Anspruch. „Angefangen habe ich 2017, Drehstart war 2021. Ich arbeitete mich jahrelang in diese Zeit hinein. Mir zur Seite standen drei Historiker, die das Drehbuch immer wieder gegenlasen. Mir war es zum Beispiel wichtig, den einfachen Soldatenalltag korrekt darzustellen. Denn dieser war nicht im Entferntesten mit krasser Action ausgestattet. Er war bestimmt von warten, herumfahren, der Frage, was es zu essen gibt, von Wäsche waschen und Briefeschreiben.“ Viele Soldaten sahen auch nie die Front, sondern fuhren immer hinter ihr her. Dass Franz Motorradkurier war, sei auch filmisch sehr reizvoll gewesen, weil es Dynamik, Bewegung und Locationwechsel mit sich brachte. Angeschnitten wird auch der Sitzkrieg nach der Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland und vor dem Beginn des Deutschen Westfeldzugs im Mai
1940. „Die Soldaten beider Seiten saßen ein dreiviertel Jahr nur herum, spielten Fußball, tranken Wein, oder freundeten sich mit Französinnen an, wie Franz mit Marie.
Diesem Warten wollte ich filmisch ein Gefühl geben“, so Goiginger. Am kniffligsten sei gewesen, die richtige Mischung aus historischem Kontext und Franz‘ persönlicher Geschichte zu finden.
Foto:
©Verleih
Info:
DER FUCHS
BESETZUNG
Franz Streitberger. Simon Morzé
Anton Dillinger. Marko Kerezovic
Leo. Joseph Stoisits
Jokesch Pit Bukowski
Decker Maximilian Echtinger
Maier Joshua Bader
Mitteregger. Stanislaus Steinbichler
Glück Alexander Beyer
Joseph Streitberger. Karl Markovics
Marie Adriane Gradziel
Franz Streitberger (jung) Maximilian Reinwald
Ferdi Streitberger Christian Junghuber
Liesl Streitberger Karola Niederhuber
Wachsoldat Unteroffizier Gerrit Klein
Gefreiter Tom Stevic
Feldwebel Auer Maximilian Zanon
Mönch Raphael Muff
Hiasi Seiwald Alexander Linhardt
Brückenwache Wehrmacht. Jannik Görger
Rekrut Simon Jonathan Gierlich
Gefreiter Alduin Gazquez
STAB
Drehbuch & Regie Produktion. Adrian Goiginger
Bildgestaltung. Yoshi Heimrath , Paul Sprinz
Abdruck aus dem Presseheft