fuchsaSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. April 2023, Teil 10

Redaktion

Wien (Weltexpresso) - Wie kam das Projekt in Ihr Leben?

Adrian Goiginger wollte mich treffen. Es war kein Casting, einfach die Einladung, sich zu unterhalten. Im Vorfeld unserer Begegnung in Wien habe ich dann auch das Drehbuch bekommen. Ich fand spannend, dass es Franz Streitberger wirklich gegeben hat und dass er aus Adrians Familie stammt – was DER FUCHS zu einem ebenso persönlichen Projekt wie DIE BESTE ALLER WELTEN macht, der mich beeindruckt hat. Allein deshalb war ich bei der Anfrage sofort interessiert. Das Gespräch hat das bestätigt. Wir haben uns an diesem Nachmittag viel über den Menschen Franz Streitberger unterhalten, über das Setting, was es bedeutet, auf einem Bergbauernhof groß geworden zu sein. Insgesamt folgten zwei oder drei Casting Runden sowie ein Füchse-Kennenlernen.

Spannend war, dass das erste Casting nicht wie oft üblich in einem kleinen Raum in Wien stattfand. Wir fuhren stattdessen auf einen Bauernhof, und bevor ich überhaupt einen Satz Text gesprochen habe, wurde ich von Adrian und seinem Team mit einer Kamera begleitet, während ich auf dem Bauernhof Arbeiten erledigte, Holz hackte. Das war richtig gut, um in die Rolle reinzukommen. Schon beim Casting diesen körperlichen Zugang zu haben, fand ich sehr hilfreich.


Worum geht es in DER FUCHS und welche Themen stecken drin?


DER FUCHS erzählt von Franz Streitberger, der auf einem abgeschiedenen Bergbauernhof aufwächst und in der Zwischenkriegszeit, genauer gesagt 1927, von seinen Eltern an einen anderen Hof weggegeben wird. Das hat man damals oft als Überlebensmaßnahme gemacht, wenn man ein Kind nicht mehr ernähren konnte. Als er mit 18 Jahren die Möglichkeit erhält, seine Dienste als Knecht zu quittieren, tritt er in die Österreichische Armee ein, weil es dort das Versprechen gibt, nach einer gewissen Zeit eine Beamtenstelle zu erhalten. Kurz darauf folgt der Anschluss Österreichs, und Franz wird als Motorradkurier in die Wehrmacht eingegliedert. Er ist ein Einzelgänger, der innerlich mit sich kämpft und recht isoliert ist von seinen
Kameraden. Eines Tages findet er einen Fuchswelpen, nimmt ihn auf; immer mehr wird die Beziehung zu diesem Tier seine einzige Überlebensmöglichkeit. Jetzt weiß er, wohin mit den Gefühlen, die er bis dato unterdrückt hat. Er würde für diesen Fuchs alles aufgeben, sein Leben riskieren. Er kümmert sich um ihn, eben anders als sein Vater, der ihn als Jungen weggegeben hat. Thematisch stehen in diesem Film die Familie und das Verzeihen und Verstehen im Mittelpunkt. Franz versteht seinen Vater in dem Moment, in dem er gezwungen wird, den Fuchs loszulassen. Das hat viel mit Verständnis zu tun. Und Liebe.

Was hat Sie an der Geschichte fasziniert und wie würden Sie die Figur des Franz Streitberger beschreiben?

Nachdem ich das Drehbuch zum ersten Mal gelesen habe, war ich sehr ergriffen. Das letzte Drittel der Geschichte, in dem sich alles zuspitzt, und auch das Ende, das jetzt im Film so toll geworden ist, hat genauso im Buch schon funktioniert. Was mich am meisten an meiner Figur des Franz Streitberger fasziniert hat, ist diese Verhärtung, die aus seiner Kindheit und Jugend stammt, die herrührt von der Erfahrung des Verlassenwerdens, dem harten Aufwachsen bei einer anderen Familie. Bei meiner Vorbereitung habe ich mich sehr intensiv darauf konzentriert. Wie war diese Kindheit, die keine war? Wie war die Realität auf diesem fremden Hof? Sein späteres Verhalten, seine Einsamkeit, seine innere Wut, die unterdrückten Gefühle, sein Aggressionsproblem – alles ist mit diesen frühen Traumata zu verstehen. Ich glaube, etwas Schlimmeres kann einem als Kind gar nicht passieren, als von den Eltern verlassen zu werden. Die Auswirkungen einer Kindheit voller Verletzungen, das Nachvollziehen, wie sich Franz später anderen Menschen – oder eben einem Tier -– gegenüber verhält, fand ich spannend. Der Fuchs als Flucht und vielleicht auch als Sucht.


Was gab Ihnen das Gefühl, diese Figur spielen zu können?

Ich hatte großen Respekt, weil es sich um einen Verwandten Adrians handelte. Mir war klar, dass eine intensive Vorbereitung unabdingbar sein würde. Alles andere wäre fahrlässig gewesen bei der Darstellung einer real existierenden Person. Ich fand sofort Zugang zu dieser Wut, die nicht weiß, wo genau sie hinwill und warum sie da ist. Zu diesem Unterdrücken jeglicher Emotion, dieser Verhärtung, dem Zumachen.


Was waren Ihre Gedanken, als Sie das Drehbuch gelesen haben – speziell bei den Passagen, in denen Sie mit dem Fuchs spielen mussten…

Am Anfang dachte ich, dass das möglicherweise alles mit VFX rein gezaubert wird und ich mit einem Stofftier drehen muss, was die Arbeit natürlich erschwert hätte. So läuft 

es ja oft, wenn man mit wilden Tieren dreht. Zum Glück gibt es Menschen wie Herbert Pecher, unseren Tiertrainer. Er hat es drauf. Es war irre, wie alles funktionierte. Natürlich war es dennoch nicht einfach am Set, es gab auch schwierige Tage, vor allem mit dem älteren Fuchs. Gedreht haben wir nämlich mit mehreren. Die Vorbereitung war intensiv: Ich besuchte die Füchse kurz nach ihrer Geburt, und dann immer wieder, damit sie mich riechen konnten, wussten, wer ich bin. Ich spielte mit ihnen, durfte sie füttern. Wir trainierten sehr viel, probten Abläufe gewisser Szenen, gewöhnten sie an das Motorrad, die Uniform, die Stiefel, an alles Neue.

 

Was gehörte noch zur intensiven Vorbereitung?

Das Projekt hielt für mich jede Menge Vorbereitung bereit. Das ist etwas, was Adrian fördert und fordert. Er geht da selbst voll mit und motiviert das ganze Team. Einer der wichtigsten Punkte war, dem Stoff sprachlich und körperlich gerecht zu werden. Der Pinzgauer Dialekt ist ein sehr starker Dialekt. Wenn man den nicht kennt und ihn hört, kann sich das wie eine andere Sprache anhören. Obwohl ich gebürtiger Wiener bin, spreche ich eher Hochdeutsch als den Wiener Dialekt. Von daher war das Pinzgauerisch lernen wie Vokabeltraining. Neben einem einmonatigen Dialekt- Coaching bei Sprachtrainerin Andrea Dillinger verbrachte ich mit Abständen dreieinhalb Monate auf einem Bergbauernhof im Pinzgau. Er liegt sehr isoliert in steilem Gelände. Ich sollte Arbeitsweisen so lernen, wie sie früher erledigt wurden – mit der Hand, der eigenen Körperkraft. Das war dort gegeben, da aufgrund des unwegsamen Areals keine Maschinen eingesetzt werden konnten oder zumindest nur sehr wenige. Das war eine intensive Erfahrung, stundenlang im Stall, beim Holzen im Wald. Die Routine sah ungefähr so aus: Von Montag bis Samstag gearbeitet, am Sonntag in die Kirche. Parallel dazu las ich viel Lektüre über das Knechtwesen. Die Bauernhoferfahrung gepaart mit der Literatur war mein Fundament. An manchen Tagen hatte ich keine Lust mehr, meine Hände, alles tat mir weh... Ich dachte mir: Dieses Gefühl zwanzig Mal schlimmer, dann bin ich vielleicht bei Franz angekommen... Denn meine Bauernhoffamilie bestand aus sehr lieben Leuten, bei Franz herrschte Kälte, Gewalt und Abweisung.

Und wie wurden Sie auf das Soldatenleben eingestimmt?

Zunächst einmal musste ich den Motorradführerschein machen. Dann erhielten wir Geschichtsunterricht zum Zweiten Weltkrieg, speziell auch zur Wehrmacht, sowie ein einwöchiges Militär-Bootcamp mit einem Offizier-Stellvertreter der Österreichischen Armee. Das brachte uns Schauspieler, die wir Soldaten spielten, total gut zusammen. Zudem lernten wir vermeintlich banale Dinge, die für die Glaubwürdigkeit der Geschichte allerdings entscheidend waren: Wie halte ich das Gewehr richtig, wie marschiere ich richtig, wie grüße ich richtig, wie feuere ich eine Waffe ab, wie baue ich sie auseinander? Am wichtigsten war der militärische Umgangston: Was bedeutet es, wenn alles durchstrukturiert ist, man keine freie Minute mehr hat, sich dem System komplett unterordnet? Wir übten in Uniform, mit Helm, mit echten Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg, die auch ein ganz anderes Gewicht haben, machten Nachtmärsche, absolvierten Packdrills, bis uns schwindlig wurde, trieben Sport... aber alles so, wie es bei der Wehrmacht damals üblich war, historisch akribisch. Das war wichtig. Wir wollten nicht nur so tun, als ob, sondern hatten den Ehrgeiz, dem realen Alltag in der Ausbildung von damals nahe zu kommen. Die Härte, die damals herrschte, lässt sich natürlich nicht wiederherstellen, aber wir wollten zumindest ein Gefühl dafür bekommen.

 

Was gehörte noch dazu?

Irre war, dass ich als Franz Streitberger, also in meiner Rolle, zu einer Therapeutin nach Wien geschickt wurde und mit ihr über meine Kindheit sprechen sollte. Ich verbrachte zudem eine Nacht in einer Gefängniszelle am Set und habe vor dem Dreh der letzten Szene, wenn Franz aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause zurückkehrt, viereinhalb Tage nichts gegessen.

Die Geschichte von DER FUCHS spielt in einer vergangenen Zeit. Schlummert dennoch eine zeitlose Botschaft darin?

Die Geschichte zeigt uns, wie man zu Gefühlen zurückfindet, die man für tot erklärt hat. Wie man eine neue Perspektive auf einen Menschen findet, den man von ganzem Herzen verabscheut, dem man nicht verzeihen kann. Es gibt immer die Möglichkeit, sich tiefer in jemanden hineinzuversetzen, mehr Empathie zuzulassen. Warum sind manche Menschen so wütend? Wo kommt der Hass her? Da ist oft ein inneres Kind, etwas Unverarbeitetes. Franz passiert das so mit seinem Vater. Es geht im Endeffekt darum, dass man verzeiht. Dass man liebt.


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Info:
DER FUCHS

BESETZUNG
Franz Streitberger.   Simon Morzé
Anton Dillinger.        Marko Kerezovic 
Leo.                         Joseph Stoisits
Jokesch                   Pit Bukowski
Decker                     Maximilian Echtinger 
Maier                       Joshua Bader 
Mitteregger.             Stanislaus Steinbichler 
Glück                      Alexander Beyer   
Joseph Streitberger.     Karl Markovics
Marie                            Adriane Gradziel 
Franz Streitberger (jung)       Maximilian Reinwald 
Ferdi Streitberger          Christian Junghuber 
Liesl Streitberger           Karola Niederhuber
Wachsoldat Unteroffizier       Gerrit Klein
Gefreiter                Tom Stevic
Feldwebel Auer      Maximilian Zanon 
Mönch                    Raphael Muff
Hiasi Seiwald          Alexander Linhardt 
Brückenwache Wehrmacht.  Jannik Görger
Rekrut                Simon Jonathan Gierlich 
Gefreiter            Alduin Gazquez

STAB
Drehbuch & Regie Produktion.   Adrian Goiginger
Bildgestaltung.      Yoshi Heimrath , Paul Sprinz     

Abdruck aus dem Presseheft