suzume

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. April 2023, Teil 14

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) – Doch, den neu angelaufenen Film der Vorwoche sollte man nicht vergessen! Die 17jährige Suzume, die für unsere Augen wie eine Vierzehnjährige aussieht, kommt gut zurecht, in Schule und im Leben, sie lebt bei ihrer Tante, den Schmerz um den Verlust der Mutter in der Kindheit hält sie bedeckt. Doch dann passiert etwas, was über das eigene Schicksal hinausgeht und sie ist eine, die nicht aufgibt, durch ihren nicht nachlassenden Kampf für andere ihre eigene Identität gewinnt und durch ihr Tun das verletzte kleine Kind in sich selbst heilen kann.

Meine Güte, was wird in diesem Anime-Film alles angesprochen: in vorderster Linie das Trauma, die Mutter verloren zu haben, die wohl im Tsunami vor 12 Jahren umkam, weshalb dieses Massen- und Naturunglück das zweite Thema des Films ist. Dann gibt es melodramatische Elemente, wenn Suzume ihre erste und durchschlagende Liebe kennenlernt, das aber erst später versteht, gewissermaßen das dritte Thema. Aber dann gibt es als eigene Geschichte auch die Tante, die sich ständig um die Nichte kümmert, Angst um sie hat, aber dann auf einmal – viertes Thema – bricht alles aus ihr heraus, daß sie ihr Leben für die Nichte opferte, nämlich auf Männer, und Liebe verzichtete, da Männer nicht wild darauf sind: auf Frauen mit Kindern.

Und das ist das Wichtigste an diesem Film, was man sagen kann: trotz sehr emotionaler Momente, die sich häufen und überaus dramatischer bunter Szenerie auf der Leinwand, wird der Film nicht kitschig. Das hat Gründe, die interessant sind. Denn keine der Figuren wird schwarz-weiß dargestellt. Sie haben alle gute und schlechte Seiten, oder besser: auch der Böse ist nicht vollends böse und die Gute, hier Suzume, die die Welt retten will, hat ihre abscheulichen Seiten. Die äußern sich hauptsächlich in mehr als renitentem, die Interessen von anderen negierenden Handeln, wobei sie einen erderschütternden Zorn entwickeln kann, der ihr die Kraft gibt, selbstverständlich im ganzen Film die Rolle zu übernehmen, die traditionell den Männern zukam: als Einzelwesen, als Ritter ohne Furcht und Tadel es mit dem Weltenschicksal aufzunehmen und dies zu ändern.

Die Geschichte selbst ist wieder eine lange Reise, eine Abenteuerreise, eben auch eine ins Erwachsenenleben. Auf dem Schulweg auf dem Rad begegnet ihr ein junger Mann, der sie nach alten verlassenen Gebäuden befragt. Sie weist ihm den Weg. Erst in der Schule wird ihr klar, was sich dort alles tut und daß das Gelände gefährlich ist. Sie verläßt den Unterricht, fährt hin, sucht ihn und findet die Tür. Die Tür zu öffnen und zu schließen, ist die Metapher des Films. Offen läßt sie den WURM in die Welt kommen, das Unheil schlechthin, menschenvernichtend, die Natur auslöschend, was man als Tsunami, aber auch als Diktatur benennen kann. Aber es langt nicht, die Tür nur zu schließen, um den Wurm draußen zu lassen, man braucht auch den Schlußstein, der sie zuhält und der unterschiedliche Formen annehmen kann.

Den Wurm sehen wir als roten Koloß sich in den Himmel drehen und alles auslöschen, was irdisch ist. Mehrmals öffnen sich die Türen, mehrmals gelingt es Suzume und Souta, sie zu schließen, das gehört eben zu den Reisen, daß Gefahren überwunden werden, aber sich neue auftun. Und dann kommt die letzte Reise, wo sich der naseweise Mitschüler, der ein Auto hat, als rettender Fahrer anbietet und sie und die Tante in den Ursprungsort fährt, der die Nordostregion Japans ist, wo der Tsunami  damals zuschlug und wo sich jetzt die letzte offene Tür befindet. Dort wird sie auf Souta treffen und in einem farbenfrohen Ende und mit ein wenig zu pathetischer Musik dann tatsächlich die Welt retten und den Wurm von dieser ausschließen.

Es fehlten bisher die Katzen. Schwierig, diesen eine konsequente Interpretation zu geben, außer daß ihre Auftritte allerliebst sind, einerseits süß, können sie zu gefährlichen Raubtieren mutieren. Katzen eben.Katzen sind in den sozialen Medien Katzen so beliebt, viele haben eine, beim Drehen lief auch eine über den Weg und so kamen die Katzen in den Film, da muß man sich keine weiteren Gedanken machen, verlautete der Regisseur, der auch eine hat. Aha. Gerne. Aber wir analysieren dennoch.  Auch die Katzen unterliegen einem Dualismus, sind ambivalent. Denn die kleine weiße Katze, die Suzume am Anfang anfaucht, wird dann an ihrer Seite alle Widerstände überwinden und am Schluß kommt eine zweite schwarze riesengroße Katze ins Spiel, die auch beide Dimensionen, gut und gefährlich, darstellt.

Das Ganze muß man sich auf dem Hintergrund der Möglichkeiten von Anime vorstellen. Da gibt es so traumhaft schöne Landschaften und so gefährliche Wirbelstürme. Technisch ist alles machbar und so kommt einem die Produktion durch den Regisseur und Drehbuchautor Makoto Shinkai ziemlich hochgerüstet vor, aber eben auch gut gearbeitet und solide.

Nicht zu vergessen die inhaltliche Aussage: Normalerweise helfen bei Unglücken die Männer, aber hier ist es das renitente Mädchen, das die Welt retten will und wird.


Foto:
©Verleih


Info:

Stab

Regie Makoto Shinkai
Buch  Makoto Shinkai
Montage Makoto Shinkai

Darsteller

Nanoka Hara (Suzume Iwato)
Hokuto Matsumura (Souta Munakata)
Eri Fukatsu (Tamaki Iwato)
Shota Sometani (Minoru Okabe)
Sairi Ito (Rumi Ninomiya)
Kotone Hanase (Chika Amabe)