23. goEast Filmfestival vom 26.April bis 2. Mai in Wiesbaden, Teil 7
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – "The same procedure as every year!", der Klassiker von Dinner for One, galt diesmal nicht!! Denn in den letzten Corona-Jahren war gerade das goEast-Filmfestival besonders betroffen, wie auch die Leipziger Buchmesse, wie alle Frühjahrsfestivals. Deshalb war den Beteiligten in Wiesbaden die Freude anzumerken, daß endlich wieder im persönlichen Miteinander die Filme gesehen, besprochen und anschließend am Schluß ausgezeichnet werden – oder eben nicht.
Auf jeden Fall brachte Ellen M. Harrington (oben und links) , die Direktorin des DFF, des Deutschen Filminstituts & Deutschen Filmmuseums in Frankfurt am Main – das wissen nicht alle, daß das DFF Träger des Wiesbadener Festivals ist! - frischen Wind. Ihr war die Freude besonders anzumerken und die Zuhörer konnten hören, wie gut die US-amerikanische Filmfrau inzwischen Deutsch spricht. Denn endlich, wirklich endlich, wurde hier die Form gefunden, die bei Eröffnungen in Deutschland grundsätzlich angewandt werden sollten: auf Deutsch zu eröffnen. Damit auch diejenigen Anwesenden, die Deutsch nicht verstehen, wurden die Ohrhörer mit der englischen Übersetzung angeboten.
Witzig war Frau Harrington auch, als sie darauf zu sprechen kam, daß der Wiesbadener Dezernent für Kultur, Axel Imholz (SPD) , leider leider einfach aufhört und zurücktritt – eigentlich kennt man Rücktritte ja nur als solche, die gefordert werden. Aus Sympathie für ihn holte sie einen riesigen roten Schal hervor und schlang ihn um den Hals. Das konnte die nächste Rednerin noch toppen. Sie war gleich im roten Blazer erschienen: Ayse Asar, hessische Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft und Kunst (Foto rechts) . Auch sie betonte, welche wichtige Funktion goEast habe und daß der Auftrag des Festivals der Öffnung und Bekanntmachung der Filme Osteuropas durch den Krieg Rußlands gegen die Ukraine noch wichtiger geworden ist.
Insbesondere das mehr als dreitägige Symposium DECOLONIZING THE (POST-) SOVIET SCREEN wurde von allen hervorgehoben. Grundsätzlich geht es bei goEast seit der Gründung im Jahr 2001 darum, die auch heute noch in der deutschen Filmlandschaft vernachlässigten Filme aus Mittel- und Osteuropa sichtbar zu machen, wobei der Fokus auf den neuen Filmen liegt. Dies wird zugespitzt im Symposium nun noch einmal verstärkt diskutiert, wo „auf das (post-)sowjetische Kino durch die ‚dekoloniale Linse‘ im Rahmenprogramm Cinema Archipelago geschaut wird und die Kuratorinnen Barbara Wurm und Heleen Gerritsen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zum Anlaß nehmen, um mit den Filmwissenschaftlern und Filmwissenschaftlerinnen, erst recht mit den Filmemachern und Filmemacherinnen „diverse Aspekte der Dekolonialisierung aus dem postsowjetischen Raum in Vorträgen, Panels und einem begleitenden Filmprogramm zu erkunden“, worauf die spätere Rednerin, Karin Wolff, Geschäftsführerin des Kulturfonds Frankfurt Rheinmain verstärkt einging.
Zuvor hatte sich der Kulturdezernent der Stadt Wiesbaden, Axel Imhof, quasi verabschiedet und noch einmal betont, wie wichtig ihm und der Stadt goEast sei. Er sprach zu seinem Zugang zu Filmen, die über Comic und Animation gingen. Und auch darüber, was Corona und der Ukrainekrieg angerichtet haben und wie man auf diesem Hintergrund nun mit den Themen und den Menschen umgehen solle.
Den inhaltlichen Aspekt und den Ablauf des Festivals stellte dann die Festivalleiterin Heleen Gerritsen vor. Sie verwies auf den Eröffnungsfilm AURORA’S SUNRISE, einen Animationsfilm, und darauf, daß in diesem Jahr auffällig viele Animationsfilme im Programm seien, psychedelische Klassiker aus Ungarn und Estland sowei zeitgenössische animierte Dokumentarfilme aus Tschechien und Lettland . Im Programmheft hatte sie geschrieben, daß AURORA’S SUNRISE Animation verwende, um verloren gegangene Stellen aus einem Hollywoodfilm sowie Erinnerungen aus der Vergangenheit zu rekonstruieren. Gekonnt thematisiert Regisseurin Inna Sahakyan die tragische Genozidgeschichte des armenischen Volkes und das Zusammenspiel von Menschenrechtsarbeit, opportunistischer Sensationslust und Hollywood.“
Und anschließend gab es den Eröffnungsfilm.
Fotos:
©Redaktion
Info:
www.filmfestival-goeast.de
Aus den Festivalinformationen:
Nach monatelanger, intensiver Festivalvorbereitung startet heute das 23. goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films. Spannende Diskussionsrunden, ein umfangreiches Rahmenprogramm und natürlich facettenreiche Spiel,- Kurz,- und Dokumentarfilme der goEast-Sektionen bilden auch in diesem Jahr den Kern der Festivalwoche. Die Caligari FilmBühne empfängt um 19:00 Besucher:innen zur feierlichen Eröffnungszeremonie. Das beeindruckende Geschichtszeugnis AURORA’S SUNRISE eröffnet das goEast Filmfestival. Inna Sahakyans kombiniert malerische Animationen mit originalem Archivmaterial des 1919 in Hollywood gedrehten Stummfilms AUCTION OF SOULS, welcher in den USA zum Box Office Hit wurde. AUCTION OF SOULS basierte auf der Geschichte der jungen Armenierin Arshaluys Mardigian – eine der wenigen Überlebenden des Genozids der 1910-er Jahre, sie selbst spoielt im Stummfilmepos auch die Hauptrolle. Nur Ausschnitte des Films sind bewahrt geblieben. Inna Sahakyan rekonstruiert Arshaluys Geschichte und die grauenhaften Ereignisse des Völkermordes. Nach jahrelanger Recherchearbeit entstand nun dieses besondere Werk, welches den Kampf für die eigene Freiheit und Selbstbestimmung des armenischen Volks, aber auch die Mechanismen von Hollywood und vom manchmal zynischen Studiosystem visualisiert.
Einige Karten sind noch erhältlich.
Das Festivalzentrum mit Presse- und Infocounter befindet sich auch in diesem Jahr im Museum Wiesbaden. Informationen zu Öffnungszeiten finden sie online im goEast-Programmheft (Download verfügbar hier). Außerdem ist der original slowenische K67 Kiosk zurück! Machen Sie es sich auf der Museumstreppe am Ostkiosk gemütlich und kommen bei einer Tasse Kaffee mit anderen Festivalgästen ins Gespräch. Zu den diesjährigen Festivalzentren zählt ebenso die neue Wiesbadener Location Altes Gericht. Hier werden ab morgen die Filmtalks stattfinden. Zudem sind Sie herzlich eingeladen im Clubhouse den Abend an der Bar ausklingen lassen. Nicht nur das: Wärmstens empfehlen wir Ihnen den Besuch der Virtual Reality-Ausstellung „Tales from the Bathhouse” . Im Erdgeschoss des Alten Gerichts können Sie via VR-Chat virtuelle Welten erkunden. Die Künstler:innen sind anwesend, geben Auskunft und zeigen Ihnen wie die Technik funktioniert. Öffnungszeiten: 27.04. – 01.05. / 14:00 – 22:00; 02.05. / 10:00 – 18:00
Über 23. goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films ist es akkreditierten Branchen- und Pressevertreter:innen möglich, die Spiel-, Dokumentar- sowie Kurzfilme des diesjährigen Festivalprogramms vom 26. April (00:01 MESZ) bis zum 02. Mai (23:59 MESZ) unkompliziert zu streamen.
Das On Demand-Programm für Zuschauer:innen ist vom 03. Mai (00:01 MESZ) bis zum 10. Mai (23:59 MESZ) verfügbar und in Deutschland zugänglich. Der Preis für jeden Film oder jedes Kurzfilmprogramm beträgt 7 Euro und ist einfach per PayPal, Kreditkarte oder Lastschrift zu bezahlen. Anschließend können die Filme in den nächsten 24 Stunden angeschaut werden.
Unser Kooperationspartner „Klassiki“ macht die Aufzeichnungen des Symposiums ab dem 5. Mai auf ihrer Plattform gratis verfügbar.