23. goEast Filmfestival vom 26.April bis 2. Mai in Wiesbaden, Teil 13
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – Ein sehr unterhaltsamer Film, bei dem man sich vorsagen muß, daß er keine Parodie auf eine bestimmte Art von politisch motivierten Krimis ist – oder doch? Auf jeden Fall fühlt man sich, wie gewollt, zurückversetzt ins Jahr 1979, als das unter Tito geeinte Jugoslawien Belgrad als Hauptstadt hatte, wo die Politik eigentlich vom Geheimdienst erledigt wurde, bzw. dieser überall mitmischte.
Wir haben einen neugierigen, auf gesellschaftliche Aufklärung bedachten Journalisten, Jugoslav Bucilo (Radivoje Bukvic ), der von seinem Chefredakteur (Dragan Bjelogrlić) in die Provinz geschickt wird, wo er einen Vermißtenfall - ein ehemals wichtiger Studentenführer Aljosa - untersuchen und publizieren soll. Der Typ ist so dem westlichen, besser: dem US-amerikanischen Detective auf den Leib geschneidert, wie man ihn damals in Film und Literatur liebte. Er ist unauffällig, aber auf jeden Fall mit einer Jeans und Lederjacke bekleidet, hier fährt er einen roten VW Käfer, was schon für Jugoslawien sehr westlich war, er hat einen Frank Zappa Bart, muß sich immer wieder umdrehen, wer ihn gerade verfolgt, wird auch von den Mächtigeren zusammengeschlagen, kommt kurzfristig ins Gefängnis, nachdem er das Krankenhaus längst kennengelernt hat. Aber das kommt später. Erst einmal fährt er los und als er dort ankommt, gibt es gleich mehrere Fälle. Mord ist hinzugekommen. Wir hatten im Film einen Wilderer gesehen, der zwar das Reh erlegt, aber von der Stellung bezogenen Polizei verfolgt wird, über Stock und Stein, und dann in einer Höhle nicht weiterweiß und gestellt wird. Nur wird in dieser Höhle auch eine Leiche gefunden. ein Geheimdienstmitarbeiter. Klar, daß der Wilderer nun auch des Mordes verdächtigt wird. Es gibt allerdings ein Problem. Der Wilderer und Mordverdächtige ist Aljosa (Petar Zekavica ). Der war in den 68er Unruhen ein wichtiger Studentenführer und ist zudem der Sohn des mächtigen Geheimdienstchefs Blagoje Josic (Miki Manojlović).
Der eilt zur Stelle, als er vom Mord und der Verhaftung seines Sohnes erfährt. Doch der will mit seinem Vater nichts zu tun haben, lieber im Gefängnis sein, wo er zwar beschwört, daß er mit dem Mord nichts zu tun hat, aber wo das Geständnis aus ihm herausgepreßt werden soll. Denn längst erkennt der Zuschauer, daß zwar der Geheimdienstchef noch der Chef ist, daß sich aber seine Untergebenen längst in Stellung gebracht haben, seine Nachfolge anzutreten. Fehlt nur noch die Gelegenheit, den Chef vorzuführen, wozu die Verhaftung des Sohnes gut taugt. Das weiß der Vater und Chef genau und weist erstmal die Polizei an, seinen Sohn hart heranzunehmen. Doch als er das blutige Fleischbündel sieht, sagt er halt. Er weiß längst, daß sein Sohn nicht der Täter sein kann.
Denn der war zur Tatzeit bei der Schwester (Milena Radulovic ), die als Ärztin die Fäden in der Hand hat und nicht die traurige Witwe spielt, obwohl der Mann gerade verstorben ist, er hat sich erhängt. Überhaupt und das ist das sowohl Unterhaltsame wie auch Klischeehafte, ist diese schöne Frau der Ausbund an Zurechtkommerei. Sie treibt es mit jedem, darüber freut sich zwischendurch unserer Journalist, der längst den Mächtigen auf die Nerven geht und vom Chef zurückbeordert wird, der sich aber ärgert, als er mitbekommt, daß die schöne Schlange, als ihr Vater durch Intrige und seinen unheilbaren Krebs aus dem Verkehr gezogen wird, sofort mit den Intriganten ins Bett geht.
Zuvor war schon Aljosa von genau diesen Leuten auf der Flucht ermordet worden, eine hier nicht weiter erörterte Rolle spielen auch Aljosas Bruder und der Onkel, als Bruder von Blagoje, der die elterliche Schweinezucht und Metzgerei weiterbetrieben hat.
Wie gesagt, unterhaltsam inszeniert, aber der Film schrammt ständig an einer Parodie vorbei. Aber dieser Eindruck wird durch etwas anderes völlig konterkariert. Denn von Beginn an wird der eigentlich mit Mord befleckte Geheimdienstchefs Blagoje Josic als tragische Figur dargestellt, zu der man unbewußt oder bewußt halten muß, wenn man seine innerdienstlichen Feinde erlebt. Man wird von der Regieführung dazu gebracht, in diesem Geheimdienstmann einen zu sehen, der wenigstens noch das gesellschaftliche Ganze im Blick hatte, so gearbeitet hat, weil er einen sozialistischen Staat aufbauen wollte, gleichzeitig seine Familie mit im Blick hat. Diejenigen, die ihn durch Intrige abservieren, haben diesen Gemeinsinn nicht mehr. Sie wirtschaften in die eigene Tasche, die eigene Karriere. Alles andere ist ihnen egal. Dies ist wirklich ein Bild all der zusammenbrechenden sozialistischen Staaten, der hier für Jugoslawien als Rückschau eindringlich wirkt.
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Info:
Laufzeit 1 Stunde 45 Minuten
Erscheinungsdatum 15. September 2022 (Serbien)
Herkunftsland Serbien
Drehbuch. Djordje Milosavljevic, Nenad Pavlovic, Dimitrije Vojnov. Novel: Zivojin Pavlovic
Kamera Bojana Andric
Darsteller:
Radivoje Bukvic, Miki Manojlovic, Nada Sargin, Milos Timotijevic, Dragan Bjelogrlic, Milena Pavlovic, Jovo Maksic, Petar Zekavica, Boris Milivojevic, Nenad Herakovic, See 8 More
goEast am 30. April 23