Tagebuch zum Berliner off-off-Filmfestival „achtung berlin“, Teil 6

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Schon zu Beginn des Festivals hatte ich geschrieben, der Altfilmer Klaus Lemke (73) wird nicht seinen Hintern wie einst bei der Berlinale, sondern seinen neuen Film zeigen (dürfen): „Kein großes Ding“ ist ein überraschend frischer und komischer Film, auch wenn er als „Staatskino“, wie Lemke ja öffentlich geförderte Filme nennt, vom ZDF mit produziert wurde.

 

Mahmoud kommt nach zwei Jahren aus dem Knast, am Ende des Films muss er wieder zwei Jahre hinein, man weiß jedes Mal nicht, warum. Dazwischen liegen 83, man muss schon sagen: abgefahrene Minuten, in denen Mahmoud und Henning, sein neuer Freund, Förderer und Bewunderer, sich durch Berlin treiben lassen. Sie haben wilde Affären mit schönen Frauen, versuchen auf krummen Wegen zu Geld zu kommen und tingeln über Berliner off-Bühnen. „Stay on the scene like a sex machine…“, gibt Mahmoud gerne den James Brown…

 

Lemkes Film ist das, was man ein Buddy Movie nennt (Buddy engl. Kumpel, Freund), zwei Menschen mit unterschiedlichen Charakteren tun was gemeinsam, aus ihrer Divergenz entsteht Komik. Das sind Worte, die Lemke wahrscheinlich nicht so gerne liest, denn bei der obligatorischen Vorstellung seiner Crew nach der Uraufführung des Films, verweigert er jegliches Gerede: „Wir sind doch hier nicht in der Volkshochschule“, verkündet er und verschwindet mit ein paar schönen jungen Frauen. Gerne stilisiert sich der 73-jährige immer noch als jugendlicher Rabauke.

 

Mahmoud, der im Film die meiste Zeit ununterbrochen – wie auf Koks – quasselt und herumschreit (Szenenapplaus!), sich allem verweigert und nie tut, was man von ihm will, ist wohl das Alter Ego Lemkes. „Ich habe keine Lust auf Öko-Juppies“, lässt ihn der Filmemacher sagen. Überraschung! Ich muss zugeben, der Film ist trotz seiner Unverständlichkeit nicht schlecht und Lemke in seiner Ruppigkeit irgendwie charmant…

 

Gestern haben ich neben der unsäglichen Nonsens-Klamotte „Jens oda Janich“ (2013), der Stadtteil Pankow erklärt sich unabhängig von Berlin, noch zwei hervorragende Dokumentarfilme gesehen. In „Die Arier“ (2013) macht sich die dunkelhäutige Regisseurin und Protagonistin des Films, Mo Asumang, auf eine mutige und schlaue Reise, um herauszufinden, warum die selbst ernannten „Arier“ sie so hassen. Ausgehend von eigenen Erfahrungen in einer ostdeutschen Kleinstadt bis hin zu Gesprächen mit dem Ku Klux Klan im US-amerikanischen Mittelwesten, enttarnt sie humorvoll den Schwachsinn dieser Ideologie.

 

Und die Performerin und Regisseurin Katharina Schröter setzt sich in drei Metropolen - Mumbai, Sao Paulo und Shanghai - als Visitor (Besucherin) dem Leben aus. Ohne die jeweilige Sprache zu können oder die eigenen Absichten zu erläutern, dringt sie in den Alltag der Menschen ein. Und macht überraschende Erfahrungen. Der Film „The Visitor“ (2013) dokumentiert 74 Minuten dieser drei, jeweils fünfwöchigen Performances.