Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Mai 2023, Teil 8
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was ist ein guter Film? Was zeichnet einen guten Film aus? Zuerst einmal, daß er gut gemacht ist, rein filmisch betrachtet, natürlich kommt es auch auf das Thema an, das nicht nur interessieren, sondern auch wahrhaftig erscheinen muß, dann sind noch die Schauspieler wichtig, die glaubwürdig ihre Rollen verkörpern müssen. Wie schön, daß mal ein deutscher Filme alle diese Bedingungen erfüllt. DAS LEHRERZIMMER geht unter die Haut.
Für so viele bleibt die Schule, die erlebten Situationen von Niederlagen, seien sie inhaltlicher Art oder im Konkurrenzkampf der Schüler, ein Trauma oder zumindest gepflastert mit unangenehmen Erinnerungen. Aber wie sieht es mit den Lehrern aus, die mit großen Erwartungen ihren Beruf anfangen und so oft enttäuscht auf der Strecke bleiben oder mit Zynismus auf diese Enttäuschungen reagieren. Meist sind Filme über Schule inhaltlich auf Schüler und Lehrer konzentriert, wobei früher oft grausame, auf jeden Fall unpädagogische Lehrer sowie freche undisziplinierte Schüler, auf jeden Fall mißlungene Kommunikation eine Rolle spielen, die die Hilflosigkeit der einst mit Prügelrechten ausgestatteten Lehrerautoritäten zeigen. Öfter spielt auch die Schulleitung eine Rolle, Streitereien und Wichtigkeitsgerangel im Kollegium, seltener das Sekretariat, Hausmeister oder gar Elternabende. Das Wichtigste an diesem Film ist deshalb, daß er wirklich den Gesamtkosmos SCHULE darstellt und alle Erwähnten vorkommen.
Diejenige, die uns durch diesen Kosmos Schule führt, ist die junge Lehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch), die wir bei der Begrüßung ihrer siebten Klasse in ihren Unterricht kennenlernen. Interessant wie sie auf Rituale setzt, daß also sowohl Begrüßung wie auch das Beteiligen der Schüler am Unterricht Regeln unterliegt, von denen wir annehmen, daß sie mit der Klasse vereinbart wurden, denn die Atmosphäre ist entspannt und lernwillig.
Es gibt jedoch an der Schule einen Vorgang, den wir zweifach mitbekommen: den Diebstahl von Geld aus den Börsen anderer. Einmal aus denen der Schüler, das sieht man beim Turnunterricht und einmal im Lehrerzimmer, wo nämlich die clevere Carla ihre Jacke mit Portemonnaie mit Absicht vor ihrem Rechner hängen ließ, der nun aufzeichnet, wie ein Blusenärmel auftaucht und die dazugehörige Hand das Geld aus Carlas Jacke stiehlt. Sehr auffällig die Bluse. Sie gehört der Sekretärin Friederike Kuhn (Eva Löbau). Deren begabter Sohn Oskar (Leonard Stettnich) geht in die Klasse von Carla. Carla hat im eigenen Verständnis mit diesen Aufnahmen aus Notwehr gehandelt, denn der Diebstahl wurde Schülern angelastet, weshalb deren Ranzen/Rucksäcke/Geldbörsen von Lehrern durch- und untersucht wurden, was Carla als übergriffig empörte.
Mit ihrem Wissen, ihrer Aufnahme wendet sich Carla nun direkt an Friedericke Kuhn, die alles abstreitet und im Umkerhschluß in höchster Erregung nun Carla der Spionage verdächtigt. Daraufhin wendet sich Carla an ihre Schulleitung Dr. Bettina Böhm (Anne-Kathrin Gummich) . Sie hat ja den Beweis durch die Aufnahmen. Erst einmal geht die Schulleitung darauf ein, aber als das durchsickert, geht es im Lehrerzimmer erst richtig los. Denn Carla hat mit der heimlichen Aufnahme die Persönlichkeitsrechte der unter diesen Umständen Aufgenommenen verletzt. Sofort gibt es zwei Lager im Kollegium. Die einen wollen den Diebstahl geklärt und die Sekretärin bestraft haben, die anderen wehren sich im Namen des Datenschutzes gegen Carla.
Während es im Kollegium rund geht, läßt sich nach hysterischen Auftritten die Sekretärin krank schreiben, während ihr Sohn nun
versucht, seine Mutter zu entlasten, indem er, wo doch seine Mutter zu Hause ist, nun in der Schule Geld klaut.
Datenschutz ist das Thema der Zeit und deshalb konzentrieren sich die Schüler, die die Schülerzeitung machen, für ihre nächste Ausgabe auf das Fehlverhalten der Lehrerin Carla. Sie wird in dieser Ausgabe regelrecht vorgeführt. Diese Nummer wird der Hit an der Schule und der Schülerzeitungsredakton aus den Händen gerissen. Endlich ist mal was los. Und Lehrer sind schuld.
Längst ist der Elternabend angesetzt und von Anfang an wird die davon überraschte Carla als Schuldige gebrandmarkt. Eltern haben oft mit den Lehrern ihrer Kinder Probleme, da sie diesen – mit Recht – unterstellen, über deren familiären Verhältnisse Bescheid zu wissen, denn Schüler teilen durch Verhalten und Sprechen im Unterricht sehr viel mehr mit als ihre schulischen Kenntnisse. Von daher neigen Eltern dazu, entweder in den Lehrern die Könige zu sehen, denen man applaudiert und die man unterstützt oder dieselben Lehrer bei der erstbesten Gelegenheit von ihrem Thron, den die Eltern ja selbst errichtet hatten, zu stoßen und sogar andere Lehrer für ihre Kinder zu fordern. So durcheinander in den verschiedenen Interessenlagen geht es auch hier zu.
So endet der Film. Carla auf jeden Fall ist das Opfer der ganzen Geschichte, denn nie wieder wird sie mit solcher Verve auf eine Klasse zugehen, den Lernwillen herauskitzeln und das Lernvermögen sichern. Eine typische Geschichte. Leider.
Foto:
© Verleih
Info:
STAB
Regie İLKER ÇATAK
Drehbuch İLKER ÇATAK, JOHANNES DUNCKER
Produktion. INGO FLIESS
Kamera JUDITH KAUFMANN
BESETZUNG
Carla Nowak LEONIE BENESCH
Thomas Liebenwerda MICHAEL KLAMMER
Milosz Dudek RAFAEL STACHOWIAK
Dr. Bettina Böhm ANNE-KATHRIN GUMMICH
Friederike Kuhn EVA LÖBAU
Lore Semnik KATHRIN WEHLISCH
Vanessa König SARAH BAUERETT
Oskar LEONARD STETTNISCH
Lukas OSCAR ZICKUR
Jenny ANTONIA LUISE KRÄMER
Hatice ELSA KRIEGER
Tom VINCENT STACHOWIAK
Ali CAN RODENBOSTEL
Lieun PADMÉ HAMDEMIR
Luise LISA MARIE TRENSE