Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 15. Juni 2023, Teil 4
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Redaktion

Hollywood (Weltexpresso) - Wie ein Traum ist der Film eine Mischung aus Ideen und Orten. Er beginnt in Schwarz-Weiß in einer Studiokulisse, die an Sendungen aus dem Goldenen Zeitalter des Fernsehens erinnert, wie Playhouse 90. Im Grunde Broadway im Fernsehen, in dem Live-Fernsehshows unter der Regie von John Frankenheimer und Sidney Lumet gezeigt wurden und Stars wie Lee Cobb und James Dean auftraten. Zu dieser Zeit war kein Theater berühmter als das „Actors Studio“, wo Legenden wie James Dean, Marlon Brando, Julie Harris, Sidney Poitier und Rod Steiger unter Kazan und Lee Strasberg studierten.

Für viele Schauspieler dieser Generation (wie auch für künftige Filmemacher und Drehbuchautoren) war der Sprung von der Bühne auf die Kinoleinwand mit einem Zwischenstopp in diesen Fernsehdramen verbunden.

„Als ich anfing, Filme machen zu wollen, war diese Zeit das Zentrum von allem“, sagt Anderson. „Wir haben Der Pate und Taxi Driver und Brian De Palma gesehen. Aber vielleicht sogar noch mehr: Marlon Brando und James Dean, Montgomery Clift und Kazan. Die Emotionen von Filmen aus dieser Zeit und ihre Beziehung zur Bühne. Diese Filme, von denen ich spreche, beginnen vielleicht mit Endstation Sehnsucht. Tennessee Williams ist eine große Stimme, die die Eindringlichkeit und das verletzte Was-auch-immer dieser Figuren vermittelt.“

Das Theater ist tief eingebettet in Andersons Erzählung. Die gemeinschaftlichen, improvisierten Kulissen, das Vokabular eines unverwechselbaren visuellen Balletts, eine buchstäbliche Bühne für die Erarbeitung des Unlösbaren. Wie in Andersons erstem Spielfilm, Durchgeknallt, in dem es um zwei aufstrebende Kriminelle mit einer Vorliebe für theatralische Raubüberfälle geht, oder bei Max Fischer in Rushmore und Margot Tenenbaum in Die Royal Tenenbaums ist das Theater ein Mittel zur Verarbeitung innerer Dramen. Die Geschichte beginnt auf der Bühne, bevor wir in Die Tiefseetaucher eintauchen.

Anderson begann in der 4. Klasse mit dem Schreiben von Einaktern. Jahre später lernte er Owen Wilson in einem Schauspielseminar kennen und besetzte ihn in einem seiner College- Stücke, einem Sam-Shepard-Stück namens A Night in Tunisia. „Ich liebe Sam Shepard, ich habe Sam Shepard immer geliebt“, sagt er. „Owen und ich waren wirklich ziemlich auf Sam Shepard fixiert, bevor wir unseren ersten gemeinsamen Film drehten. Dieser Mann war damals ein wichtiger Teil unseres Lebens. Ich erinnere mich, etwas über ihn gelesen zu haben, er sprach über diese Männer, die aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkamen und nie mehr dieselben waren, diese gewalttätigen und gestörten Väter. Damit ist er aufgewachsen.“

Diese Liebe zu Sam Shepard sollte die Inspiration für die Figur des Augie Steenbeck werden. Auch Augie ist auf dem Schlachtfeld gewesen, allerdings nicht als Soldat, sondern als Kriegsfotograf. Augies Schwiegervater Stanley trägt, obwohl er ein Mann der Muße ist, eine Pistole, deren Griff aus seinem Hosenbund herausschaut. In einem Interview mit dem Journalisten Matt Zoller Seitz deutet Anderson an, dass diese Angewohnheit bei Stanley, wie bei anderen Männern seiner Zeit, vielleicht im Krieg begann und sich im häuslichen Leben fortsetzte. Es ist genau die Art von Detail, die Anderson so nahtlos in sein Werk integriert: Die Aufmerksamkeit wird nie darauf gelenkt, es wird nie eine Erklärung angeboten, und doch sagt seine absichtliche Platzierung in einer Sekunde etwas über die Figur aus, was andernorts mit einer langwierigen Erklärung erschlagen würde.

1955 war der Krieg noch immer präsent in einem Land voller Veteranen, deren Familien und Kindern. Anderson stellt fest: „Es ist etwas passiert, die amerikanische Mittelschicht ist in die  Welt hinausgegangen und versehrt zurückgekommen. Verwundet, verzweifelt und verloren kollidiert es mit der Country-Club-Oberfläche, die das Land sich wünscht und schützen möchte. Es sind die zwei Seiten der Bahngleise. Obwohl nicht explosiv aufgeladen und von Schwartzman und Hanks sensibel gespielt, ist dieses Gefühl zwischen Augie und Stanley, der seinen Schwiegersohn nie für gut genug für seine Tochter hielt, offensichtlich. Im Gegensatz zu vielen Hollywood-Melodramen dieser Zeit gibt es jedoch keine große Tragödie, und aufgrund ihrer gemeinsamen Liebe für die vier Kinder bleiben sie eine Familie.Anderson und Coppola wussten, dass ihr langjähriger Weggefährte Schwartzman im Mittelpunkt des Films stehen musste. „Der Film wurde für Jason geschrieben“, sagt Anderson. „Hier ist eine Figur, die Jason noch nie zuvor gespielt hat, die sich auf Facetten dessen stützt, was wir von ihm kennen und was er leisten kann, und wir bauen einen ganzen Film darum herum.“ Schwartzman war oft Teil des Schreibprozesses und erinnert sich an den ersten Vorschlag von Anderson. „Im Grunde sagte er: ‚Ich habe eine Idee, und ich möchte mit Roman daran arbeiten, weil ich möchte, dass du ein Teil davon bist, und ich denke, dass es am besten wäre, wenn wir beide es schreiben und vorbereiten würden, und dann könntest du es als Ganzes lesen.‘“


Er war begierig darauf, einzusteigen. „Die Pandemie begann, es war eine Zeit des Chaos, der Ungewissheit und der Verwirrung“, sagt Schwartzman. „Und dieses Ding, das ich möglicherweise mit Wes machen würde, war fast wie ein Leuchtturm im Nebel von all dem. Ich wusste noch nicht einmal, was es war – es war einfach der Leuchtturm. Das ist alles, was ich weiß. Und es war wirklich hilfreich, das zu haben. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Schon bald nahmen die Figur des Augie Steenbeck und des Schauspielers, der ihn spielt, Jonas Hall, Gestalt an, beide werden im Film von Schwartzman dargestellt. Wie Schwartzman kürzlich in einem Interview verriet, hörte er sich Audioaufnahmen von Stanley Kubrick an, um den Tonfall eines zusammengebissenen Kiefers einzufangen, zudem kaufte er sich eine Dunkelkammer. Einige visuelle Anspielungen werden für die Zuschauer offensichtlicher sein, z. B. wenn Jones mit über das Kinn gezogenem Pullover zu sehen ist, eine Anspielung auf Roy Schatts legendäre „Torn-Sweater-Serie“ von James-Dean-Porträts.

Foto:
©Verleih

Info:

STAB
Regie.          WES ANDERSON
Drehbuch     WES ANDERSON
Basierend auf einer Idee von WES ANDERSON,
Produktion    WES ANDERSON,
Ausführende Produktion ROMAN COPPOLA , STEVEN RALES, JEREMY DAWSON ROMAN
Herstellungsleitung FRÉDÉRIC BLUM COPPOLA, HENNING MOLFENTER, CHRISTOPH FISSE, CHARLIE WOEBCKEN

Koproduktion OCTAVIA PEISSEL, JOHN PEET
Kamera ROBERT D. YEOMAN, A.S.C.
Szenenbild ADAM STOCKHAUSEN
Schnitt BARNEY PILLING, A.C.E.
Zusätzlicher Schnitt ANDREW WEISBLUM, A.C.E
KostümbildMILENA CANONERO
Musik ALEXANDRE DESPLAT

 

BESETZUNG
Rolle Schauspieler*in
Augie Steenbeck JASON SCHWARTZMAN
Midge Campbell SCARLETT JOHANSSON
Stanley Zak TOM HANKS
General Gibson JEFFREY WRIGHT
Dr. Hickenlooper TILDA SWINTON
Host BRYAN CRANSTON
Conrad Earp EDWARD NORTON
Schubert Green ADRIEN BRODY
J.J. Kellogg LIEV SCHREIBER
Sandy Borden HOPE DAVIS


TECHNISCHE DATEN

Länge:   105 Min 33 Sek
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren, feiertagsfrei
Bildformat: Scope 4K
Tonformat:  Dolby 5.1, 7.1,
Motionchair: N/A
Sprachfassungen: GV, OV, OmU
Barrierefrei: Greta & Starks
Prädikat:  Besonders wertvoll