Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 6. Juli 2023, Teil 2
Nadia Tereszkiewicz
Paris (Weltexpresso) - Mir gefiel die Idee, eine Schauspielerin zu verkörpern, die ständig schauspielert. Wie drückt man seine Aufrichtigkeit aus, wenn man schauspielert und somit lügt? Das ist die Frage, die sich alle Schauspieler stellen. Meine Antwort war, immer auf Madeleines Seite zu sein, aufrichtig in jeder Situation. Ich glaube an sie. Sie ist spontan, sie plant nie etwas im Voraus. Sie geht ihren Weg, so gut sie kann: in einem Moment selbstmordgefährdet, im nächsten fröhlich und vorfreudig auf dem Weg ins Kino. Wir sehen sie verliebt, schelmisch, sogar manipulativ, aber immer für eine gute Sache. Sie ist rein, auf ihre Art.
Ein Jahr vor dem Dreh von MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN übernahm ich in Valeria Bruni Tedeschis Film FOREVER YOUNG die Rolle einer Schauspielschülerin in den 1980ern. Die Figur von Madeleine, die zwar in den 30er Jahren angesiedelt ist, unterscheidet sich gar nicht so sehr von ihr. In beiden Filmen ist die Schauspielerei eine absolute Notwendigkeit. Auch Madeleines Einsatz beim Spiel ist – egal, ob sie für den Richter spielt, um ihr Leben zu retten, oder ob sie auf der Bühne auftritt – immer der gleiche: absolut.
Madeleine ist jung und noch ein bisschen zu verträumt, was ihre Rollen angeht, aber sie wird von einer Kraft angetrieben, die sie nicht bändigen kann. Schauspielerin zu sein bedeutet, sich bewusst zu machen, dass das Leben selbst im Mittelpunkt steht, auch wenn man schauspielert, auch wenn man in einer Lüge steckt. Während ihres Gerichtsprozesses trägt Madeleine einen Text vor, den sie auswendig gelernt hat, aber letztlich sagt sie nur, was sie wirklich glaubt: „Ist es nicht möglich, 1935 ein Leben als Frau mit einer eigenen Karriere in vollkommener Freiheit und Gleichberechtigung zu führen?
Madeleine ist opportunistisch und sucht Aufmerksamkeit, aber sie erkennt auch, dass sie dazu beitragen könnte, die Stellung der Frau zu verbessern. Zunächst mit einer gewissen Unschuld, dann mit Überzeugung wird sie zu einer modernen Sprecherin in einer patriarchalen Gesellschaft, in der Frauen nicht einmal das Wahlrecht oder ein eigenes Konto besitzen. In den 30ern hatten Frauen im Grunde nur die Wahl, eine rechtmäßige Ehefrau oder eine heimliche Mätresse zu sein. Madeleine und Pauline wollen diesem Zustand entkommen. Sie tun alles, was nötig ist, um ihre weibliche Autonomie zu erlangen. Sie kämpfen, so gut sie können, mit den Waffen, die ihnen zur Verfügung stehen, instinktiv, manipulativ, aber ohne Zynismus oder Bosheit. Sie könnten unsympathisch erscheinen, und doch sind wir auf ihrer Seite.
Sie verteidigen eine Sache, ihre Sache. Die Sache der Frauen. In seiner Adaption des Originalstücks unterstreicht François die überraschenden Resonanzen mit unserer Zeit. Sein Film ist zutiefst feministisch. Als ich das Drehbuch las, hat mich die schwesterliche Beziehung zwischen Madeleine und Pauline sehr bewegt. Sie ist stark, unzerstörbar. Sie wollen es schaffen – zusammen! Sie halten sich gegenseitig den Rücken frei. Und sie solidarisieren sich mit Odette Chaumette, obwohl sie diese als Bedrohung sehen könnten, die es auszuschalten gilt. Stattdessen bieten sie ihr ein Comeback an. Es gibt keine Eifersucht. Ihre gemeinsame Emanzipation ist alles, was zählt.
Als Ensemble mussten wir den richtigen Rhythmus und die richtige Balance finden. Dies ist ein Film über die Schauspielerei, über das Leben und die Arbeit von Schauspielern, also waren auch wir permanent am Spielen, was ein Riesenspaß war! Es war so anregend und ein Traum, mit all den großartigen Kollegen zu arbeiten, die François zusammengebracht hat: Isabelle Huppert, André Dussollier, Fabrice Luchini, Michel Fau... Wir sind alle sehr zusammengewachsen. Diese modernen Aspekte in einer Komödie zu spielen, die in den 30ern angesiedelt ist, war eine Herausforderung und auch ein großer Spaß.
Über NADIA TERESZKIEWICZ
Geboren wurde die finnisch-französische Schauspielerin Nadia Tereszkiewicz 1996 in Versailles. Im Alter von vier Jahren wurde sie an der renommierten Tanzschule Ecole Supérieure de Danse de Cannes Rosella Hightower aufgenommen, welche sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr besuchte. Im Anschluss begann sie ihre schauspielerische Ausbildung an der Cours Florent in Paris. 2016 gab Nadia Tereszkiewicz ihr Langfilmdebüt in DIE TÄNZERIN. Für ihre erste Hauptrolle in der Literaturverfilmung DIE VERSCHWUNDENE wurde sie 2019 als Beste Schauspielerin beim Tokyo International Film Festival ausgezeichnet und 2020 für einen César nominiert.
Im selben Jahr spielte Nadia Tereszkiewicz neben Reda Kateb in der französischen Miniserie „Possessions“ und wurde dadurch einem breiteren Publikum bekannt. 2022 übernahm sie die weibliche
Hauptrolle in FOREVER YOUNG unter der Regie von Valeria Bruni Tedeschi, der in Cannes Premiere feierte, und gewann dafür den César als Beste Nachwuchsschauspielerin.
FILMOGRAPHIE (Auswahl)
2023 MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN
2022 BABYSITTER
2022 FOREVER YOUNG
2020 POSSESSIONS (TV)
2019 DIE VERSCHWUNDENE
Foto:
©Verleih
Info:
Schauspieler
Madeleine Verdier Nadia TERESZKIEWICZ
Pauline Mauléon. Rebecca MARDER
Odette Chaumette Isabelle HUPPERT
Palmarède Dany BOON
Richter Rabusset Fabrice LUCHINI
Monsieur Bonnard André DUSSOLLIER
André Bonnard Édouard SULPICE
Stab
Regie François OZON
Drehbuch in Zusammenarbeit mit François OZON Philippe PIAZZO
Frei nach dem Theaterstück „Mon Crime“ (1934)
Abdruck aus dem Presseheft
Was die Hauptdarstellerin zu ihrer Rolle der Madeleine Verdier meint
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- Kategorie: Film & Fernsehen