die dreiSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 6. Juli 2023, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Von diesem Film habe ich geträumt. Nicht, direkt nachdem ich ihn sah, sondern gerade, bevor ich nämlich diese Rezension über den Film schreibe. Mein Unterbewußtsein wußte davon und übernahm Regie. Ich war eines der jungen Dinger, die schon nicht mehr die Rolle der Mütter übernehmen wollten, zu heiraten, möglichst ‚gut‘ zu heiraten, also einen Mann mit Geld. Nein, wir jungen Frauen setzten auf uns selbst, eine Berufsausbildung zu haben, gehörte dazu. Wir sind in den Dreißiger Jahren, wo junge Frauen selbstbewußt ins Leben starten, mit dieser hinreißenden Mode, den eleganten Kleidern, die wir selbst ironisch Fetzen nannten, weil sie so leicht, so beschwingt unser Lebensgefühl in Stoff wiedergaben.

Aber nein, nicht um meinen Traum, um diesen Film geht es, der nach dem flippigen Anfang dramatisch wird. Die beiden jungen Frauen Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz) und Pauline Mauléon (Rebecca Marder) sind solche jungen Frauen, die alles vom Leben erwarten, Madeleine ist Schauspielerin, Pauline Anwältin, sie sind Freundinnen und leben zusammen in einer Pariser Mansardenwohnung, erzählen sich ihre Erlebnisse und träumen von einem erfolgreichen Morgen. Doch gerade hat sich Madeleine ihre Karriere verbaut. Stimmt. Metoo gibt es nicht seit heute. Gerade in der Kino- und Theaterwelt waren und sind junge Frauen besonders gefährdet und als der Theaterproduzent Montferrand (Jean-Christophe Bouvet) zudringlich wird, klatscht sie ihm eine. Das war’s dann. Stimmt. Nur kommt es schlimmer, denn er wird kurz darauf ermordet vorgefunden und sie war die Letzte, die bei ihm war.

Das auch noch, eine sympathische wache junge Frau, die nun des Mordes angeklagt wird. Natürlich streitet sie alles ab, sie war es ja nicht. Nur hilft ihr das nicht, denn sie paßt einfach zu gut ins Bild, denn das sehen alle vor ihren eigenen Augen, wie der alte Lustmolch es auf das junge Ding abgesehen hat, diese ihre Ehre und sich retten will, sich wehrt und er halt draufgeht. Vor allem die Freundin Pauline sieht das alles vor ihren eigenen Augen und auch wie es ausgehen wird. Man scheut sich, es hinzuschreiben, denn das Aufregende an diesem Film ist eben auch, daß er diese riesengroße Überraschung serviert. Pauline überredet ihre Freundin, sich schuldig zu bekennen, sie als Anwältin wird sie vor Gericht vertreten und auf Notwehr plädieren. Dafür gibt es genug Zeugnisse aus der Vergangenheit, was der Tote von jungen Frauen für eine Rolle erwartete.

Die Gerichtsverhandlung wird also spannend und es kommt genauso, wie Pauline vorhergesagt: Madeleine wird freigesprochen, weil sie aus Notwehr gehandelt hat. Ihre Karriere ist gesichert, die von Pauline, die ihre Mandantin so clever vor dem Gefängnis bewahrte auch. Aber das ist nicht alles. Die Gerichtsverhandlung selbst zeigt, welche schauspielerischen Fähigkeiten in Madeleine schlummern, daß sie als kleines Blondchen falsch besetzt ist, sie ist eine Dramatikerin, wie sie die verfolgte Unschuld vor Gericht gibt und die Todesszene schildert, wie er sie antatschte, dieser Unhold und sie keine andere Möglichkeit mehr hatte, als….große Schauspielkunst.

Überhaupt sind die Gerichtsszenen und ihr Personal köstlich. Wir haben unterschlagen den Richter Rabusset (Fabrice Luchini), der seinen Teil zur Komödie hinzufügt, wie auch Fernand Palmarède (französischer Lieblingsschauspieler Dany Boon), der sich an Madeleine hängt, na und der reiche und lebenserfahrene Monsieur Bonnard (André Dussolier, eine der Theaterlegenden Frankreichs) und ganz besonders Odette Chaumette, die Isabelle Huppert gibt, als hätte sie ihr Leben lang auf diese Rolle gewartet.

Das ist ein Film, der einfach stimmt, der dicht eine Geschichte erzählt, wie sie mir nicht einmal im Traum einfiele. Dafür sind Stücke- und Drehbuchschreiber da!


Foto:
©Verleih

Info:
Schauspieler

Madeleine Verdier     Nadia TERESZKIEWICZ
Pauline Mauléon.      Rebecca MARDER
Odette Chaumette    Isabelle HUPPERT
Palmarède                Dany BOON
Richter Rabusset     Fabrice LUCHINI
Monsieur Bonnard   André DUSSOLLIER
André Bonnard        Édouard SULPICE

Stab
Regie        François OZON
Drehbuch in Zusammenarbeit mit François OZON Philippe PIAZZO
Frei nach dem Theaterstück „Mon Crime“ (1934)