a372ac50 4300 4f72 b2c0 14a2e5af34a4Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom Donnerstag, 6. Juli 2023, Teil 5

Dieter Berner

Wien (Weltexpresso) – Im Frühjahr 1912 lässt sich Alma Mahler (EMILY COX), eine Dame der bürgerlichen Wiener Gesellschaft, von Oskar Kokoschka (VALENTIN POSTLMAYR) portraitieren. Es reizt sie, den noch unerfahrenen jungen Künstler, der als „Enfant terrible“ der Kunstszene gilt, zu verführen. Was sie sich als kurzes Abenteuer vorgestellt hat, wird schnell zu einer leidenschaftlichen HassLiebe. Alma ist eine schöne, kluge und fordernde Geliebte. Gesellschaftliche Konventionen sind ihr egal. Oskar sieht in ihr seine Muse, was aber mehr seiner männlichen Fantasie entspricht als
ihrer tatsächlichen Rolle. Denn Alma ist selbst Künstlerin: sie ist Komponistin. Ein schwieriger Lebensplan für eine Frau in der damaligen Zeit. Für Oskar ist sie die erste große Liebe.

Der in aller Leidenschaft durchlebte Widerspruch zwischen Wunschvorstellung und Realität führt das Liebespaar an die Grenzen von Selbstzerstörung und hinterlässt nachhaltige Spuren in der  Kunstgeschichte: In Kokoschkas expressionistischen Dramen, seinen Gemälden und Zeichnungen, die seine Obsession, diese Frau vollständig besitzen zu wollen, dokumentieren, und in Almas Kompositionen, ihren Memoiren und in dem reichhaltigen Briefverkehr der beiden.

Für die Autorin des Romans „Die Windsbraut“, Hilde Berger, und für mich war es aufregend, in diesen Dokumenten zu entdecken, dass bereits am Beginn des vorigen Jahrhunderts mutige Frauen wie Alma Mahler die Dekonstruktion der traditionellen „Role Models“ von Frau und Mann in Angriff nahmen. Almas freizügige Lebensart, ihre offen gelebte Sexualität, ist ein Akt der Selbstbehauptung, durch den sie sich als Subjekt erlebt. Ihre Seitensprünge sind ein Befreiungsschlag, der ihr die Unabhängigkeit von ihren jeweiligen Geliebten und deren traditionellen Ansprüchen schafft. Romantisches Verschmelzen zweier Gleichgesinnter gibt es mit Alma nicht, stattdessen: Kampf der Geschlechter. Zu bedingungsloser Hingabe ist sie nicht bereit.

Die Darstellung der expliziten Liebesszenen, sowie die Gestaltung von Ausschnitten aus dem historischen Avantgarde-Theaterstück „Mörder, Hoffnung der Frauen“ von Oskar Kokoschka habe ich in die Hände einer Expertin, der Wiener Choreografin Doris Uhlich gelegt. Doris, die sich für ihren Umgang mit Nacktheit auf der Bühne international einen Namen gemacht hat, ist es gelungen, mit den Darsteller:innen die dafür notwendige Radikalität zu entfalten.

Foto:
©Verleih

Info:
BESETZUNG

Alma Mahler     EMILY COX
Oskar Kokoschka     VALENTIN POSTLMAYR
Lilly Lieser      TÁŇA PAUHOFOVÁ
Walter Gropius       ANTON VON LUCKE
Adolf Loos             WILFRIED HOCHHOLDINGER
Bessi                     VIRGINIA V. HARTMANN
Peter Altenberg            GERALD VOTAVA
Franz Ferdinand           CORNELIUS OBONYA
Bruno Walter           MEHMET ATEŞÇİ
Gustav Mahler          MARCELLO DE NARDO
Manon Gropius          JOHANNA ORSINI
Anna Moll                   BRIGITTE KARNER
Gucki Mahler              LILO GRÜN
Carl Moll                    ROLAND KOCH


STAB
Drehbuch      HILDE BERGER, DIETER BERNER
Basierend auf dem Roman „Die Windsbraut“ von HILDE BERGER
Regie            DIETER BERNER

Abdruck aus dem Presseheft