Serie: „Die Spiegel-Affäre“ und „Bedingt abwehrbereit“ heute in der ARD, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Im Ablauf der „Spiegel-Affäre“ kann man zwei Stufen unterscheiden. Im Oktober 1962 wurde der Spiegel-Verleger Rudolf Augstein und einige Redakteure, darunter Conrad Ahlers, der den inkriminierten Artikel verfaßt hatte, wegen „Landesverrat“ verhaftet. Die Artikelüberschrift lautete BEDINGT ABWEHRBEREIT und brachte als Motto eine Äußerung des Franz-Josef Strauß vom 20. März 1958 im Deutschen Bundestag.

 

Dort hatte er geäußert: „Man kann amerikanische Politik nur dann beeinflussen, wenn man sie mit den Amerikanern macht und wenn man nicht Politik gegen die Amerikaner macht.“ Was das konkret bedeutet, zeigte dann der Anfangssatz des Artikels: „Der Kanzler verließ seine Hauptstadt Bonn. Wie der Führer zu Beginn des Westfeldzuges am 10. Mai 1940 frühmorgens, bezog er einen Befehlsbunker in der Eifel.“ Der Spiegel konnte sich solch deutliche politische Sprache, die wir heute übrigens vergebens irgendwo suchen, leisten, weil die Spiegeljournalisten vor einer Veröffentlichung detaillierte Spurensuche betrieben hatten und in dem, was man Recherche und zwar äußerst gründliche Recherche, Spitze waren und von daher auch unangreifbar, weil sie von Wahrheiten schrieben, diese Wirklichkeit zudem genauesten analysieren konnten und somit im politischen Gestrüpp Schneisen schlagen konnten, die es möglich machten, daß ihnen die Leser folgten, ohne sich indoktriniert zu fühlen und ohne es zu sein.

 

Das ist wichtig zu wissen, denn schon im Vorfeld der dann ausbrechenden Landesverratsanklage hatten staatliche Stellen immer wieder Spiegelreportagen zu verbieten versucht. Auf der anderen Seite stand beim Spiegel zunehmend seit 1958 der Verteidigungsminister und CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß im Fokus des politischen Angriffs, begründet durch dessen Übergriffe, was an Stichwörtern wie „Onkel-Aloys-Affäre“ oder „Fibag-Affäre“ hängen blieb. Aber auch im Umgang mit Polizei oder Zollbeamten hatte Strauß nachweislich gefordert, daß für ihn beispielsweise die Kreuzung frei gemacht werden müsse und sein Gepäck beim Einreisen nicht kontrolliert werden dürfe. Dies nur als Hinweis darauf, wie stark ein Politiker der BRD sich damals als totalitärer Herrscher fühlen konnte. Mit Folgen eben. Die Spiegel-Affäre ist eine davon.

 

Die Veröffentlichung vom Artikel BEDINGT ABWEHRBEREIT am 10. Oktober 1962 kann man nur auf dem Hintergrund der geschichtlichen Situation würdigen. Es ging in der sich anbahnenden Kuba-Krise darum, daß die seit 1945 sich entwickelnden zwei Blöcke, die USA mit der Nato einerseits, die UdSSR mit dem Warschauer Pakt andererseits, sich einerseits lange im Status quo verhielten, durch ein Wettrüsten aber deutlich zeigten, daß dieser Status veränderbar ist. Als die von den USA total isolierte Insel Kuba, die nach den amerikanischen Wirtschaftssanktionen – echt: auch in Deutschland wurden die beliebten kubanischen Zigarren einzuführen verboten, wie auch der hervorragende Rum - allein nicht mehr lebensfähig war und sich vor einem militärischen Überfall der Amerikaner fürchtete, kamen per Schiff Ladungen von sowjetischen Mittelstreckenraketen nach Kuba, die dort stationiert eine Reichweite hatten bis über die USA hinaus nach Südkanada.

 

Wie die USA war die Bundesrepublik in militärischer Alarmbereitschaft und politischer Hysterie. Der Artikel nun legte offen, daß es mit der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr sehr dünn bestellt war, was vor allem an dem zu geringen Personal, also Soldaten liege. Dies nämlich sei genau das Ergebnis des NATO-Manövers im Herbst gewesen. Dabei ging es auch darum, daß die von Strauß beabsichtigte Atombewaffnung dieses Debakel nicht hätte lindern können. Die Informationen über die beim Manöver festgestellteTruppenschwäche konnte nur aus der Führung des Militärs gekommen sein, denen eine starke Bundeswehr sinnvoller schien, auf jeden Fall lieber war als von Strauß geliebte Atomwaffen. Fortsetzung folgt.