Serie: „Die Spiegel-Affäre“ und „Bedingt abwehrbereit“ heute in der ARD, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen, sowohl die der Verlagsräume wie auch der Privaträume des wichtigsten Spiegelpersonals, angefangen mit dem Herausgeber Augstein und Artikelverfasser Ahlers, geschahen in einer konzertierten Aktion in der Nacht des 26. und des 27./28. Oktobers 1962. Tatsächlich wurden sehr viele Unterlagen beschlagnahmt und auch viele Redakteure verhaftet.

 

Im Mittelpunkt stand dabei in der Berichterstattung der Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein, dessen Verhaftung und Abführung durch zwei Polizisten sozusagen zum Bild des Jahres wurde, und im kulturellen Gedächtnis der Bundesrepublik verankert ist. Ganze 103 Tage blieb Rudolf Augstein in Untersuchungshaft. Zwei Bundeswehrangehörige wurden später ebenfalls verhaftet, Oberst Adolf Wicht und Oberst Alfred Martin, zusammen mit Josef Augstein, dem Bruder des Herausgebers, der als Anwalt fungierte und das Gespräch über das Nato-Manöver vermittelt hatte. Was von Anfang an offensichtlich wurde, war, daß dies kein normales Verfahren war.

 

Die Justiz zeigte sich anfänglich nicht als Dritte Kraft, sondern holte sich vom Militär die Gutachter. Erst später berief das Gericht unabhängige Gutachter. Schon damals ahnte man, daß der Militärische Abschirmdienst in den Ermittlungen die Finger drin hatte. Heute weiß man das genau und weiß auch, daß der BND seine Spitzel in der Redaktion hatte, tatsächlich also die Redaktion des Spiegel damals wie feindliches Ausland oder Vaterlandsfeinde überwacht und ausgespäht wurden. Der Geheimdienst wiederum unterstand dem Verteidigungsminister Strauß. Das macht von heute her die Spiegel-Affäre noch interessanter, gelang doch trotz dieser Ausspähung der Spiegelredaktion ein journalistisches Husarenstück.

 

Später stellte sich auch heraus, daß die durch die Staatsanwaltschaft befohlenen Durchsuchungen – übrigens waren die Redaktionsräume wochenlang 'beschlagnahmt, also fürs Zeitungsmachen blockiert – von Polizei u.a. weit über den durch den Haftbefehl gesetzten Rahmen hinausgingen. Bei der Gelegenheit hat sich diese Staatsmafia mal so richtig in den Redaktionsräumen und Archiven umgesehen und bedient, nämlich, was man noch mitgehen lassen kann. Zu einer Sonderaktion wurde die Festnahme von Conrad Ahlers, dem Verfasser des Artikels. Der hielt sich in Spanien im Urlaub auf und wurde durch einen Anruf von Strauß persönlich festgenommen, in dem dieser über den deutschen Militärattaché den Befehl zur Festnahme erteilte, mit dem Hinweis, dieses sei mit dem Bundeskanzler Konrad Adenauer abgesprochen. Damals herrschte in Spanien Franco, nicht zu vergessen.

 

Welche Rolle Konrad Adenauer, ein schlauer Fuchs im politischen Geschäft, wirklich spielte, ist nicht völlig aufklärbar. Aber nachweislich hatte Strauß mit Adenauer weder über die Festnahme von Ahlers in Spanien, noch über die folgende Unterlassung gesprochen oder gar die Order vom Bundeskanzler erhalten, den damaligen Justizminister Wolfgang Stammberger über die Polizeiaktion vom 26. Oktober zuvor zu informieren. Darüber hinaus behauptete Strauß auch noch, Rudolf Augstein sei auf dem Wege, sich nach Kuba abzusetzen, eine so falsche wie dümmliche Aussage, die jedoch wegen angeblicher Fluchtgefahr aus Augstein einen besonders bewachten Verhafteten machten.

Die Öffentlichkeit verwahrte sich nicht nur gegen die Verhaftungen und Durchsuchungen von Redaktionsräumen, sondern hatte ziemlich unmittelbar den Verdacht, daß es Franz-Josef Strauß gar nicht mal um den Sachverhalt des Landesverrats selber ging, sondern daß er gegen die unliebsame Spiegelredaktion und den ungeliebten Spiegel nun mit dem Vaterlandsverrat eine Begründung hätte, endlich einen Rachefeldzug zu unternehmen. Der zeitliche Zusammenhang mit der Fibag-Affäre legt dies nahe. In Spiegelveröffentlichungen war Strauß vorgehalten worden, er habe bei der Vergabe von Großaufträgen für die Bundeswehr persönliche Freund bevorzugt. Zwar hatte die Mehrheit von CDU/CSU und FDP dies im Bundestag zurückgewiesen, aber auch aus diesen Fraktionen wurden nun Abgeordnete gegenüber Strauß mißtrauisch und forderten genauere Überprüfungen seines Handelns. Fortsetzung folgt.