Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. August 2023, Teil 5
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tom Harris (Gerard Butler) ist ein freiberuflicher Undercover-Agent. Gerade hat er zusammen mit Oliver Alterman (Tom Rhys Harries) von der CIA den Auftrag, als Außendienstmitarbeiter eines Schweizer Kommunikationsunternehmens eine Störsoftware in eine iranische Nuklearforschungsanlage einzuschleusen. Diese Malware führt dann auch zur Zerstörung der Anlage.
Durch einen Whistleblower aus der CIA wird die britische Journalistin Luna Cujai (Nina Toussaint-White) darüber informiert, sie gibt ihre Informationen an ihre Zeitung weiter. Als die Nuklearanlage wirklich zerstört wird, wird sie vom iranischen Geheimdienst verhaftet.
Inzwischen hat Tom Harris den Iran verlassen, ist in Dubai eingetroffen und möchte zur Schulabschlussfeier seiner Tochter nach London fliegen. Da sich sein Weiterflug nach London verspätet, trifft er sich mit dem CIA-Mitarbeiter Roman Chalmers (Travis Fimmel), der ihm ein finanziell sehr lukratives Angebot macht, zusammen mit dem Dolmetscher Mohammad "Mo" Doud (Navid Negahban) einen Job in Herat, Afghanistan anzunehmen.
Doch während Harris mit seinem Dolmetscher unterwegs ist, wird seine Identität enthüllt. Er hat nur eine Chance, er muss zusammen mit seinem Dolmetscher versuchen, innerhalb von 30 Stunden in die 400 Meilen entfernte Stadt Kandahar zu kommen, da dort noch ein letztes britisches Flugzeug starten wird. Auch wenn Tom ein Überlebenskünstler ist und sich sehr gut ausgerüstet hat, ist er in dem lebensfeindlichen Gebiet auf die Hilfe seines Übersetzers Mo angewiesen. Doch auch der hat eine Vergangenheit, denn sein Sohn wurde von afghanischen Warlords getötet. Er selbst lebt jetzt mit seiner Familie in Baltimore, sucht aber nach dem Verbleib der Schwester seiner Frau, verabscheut das Blutvergießen und gibt allerdings den Warlords und den westlichen Streitkräften die Schuld daran, dass noch immer überall Blut vergossen wird.
Jetzt sind nicht nur Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden unter der Leitung von Farzad Asadi (Bahador Foladi) hinter ihm her, sondern auch der eiskalte pakistanische Auftrags-Killer Kahil Nasir (Ali Fazal) wurde engagiert, Harris unter allen Umständen auszuschalten.
Auch wenn jede ihrer Bewegungen von der CIA aus der Luft verfolgt werden kann, ist eigentlich allen klar, dass ihnen kaum jemand helfen kann. Tom Harris und Mohammad Doud müssen sich zusammen schließen, um sich nach Kandahar durchzuschlagen, immer in der Hoffnung, dass sie pünktlich ankommen und das Flugzeug auch wirklich abfliegen kann…
″Kandahar″ ist nach ″Plane″ der zweite Film mit Gerard Butler in der Hauptrolle, der in diesem Jahr in die Kinos kommt. Bei ″Kandahar″ führt Ric Roman Waugh Regie, der bereits bei den Gerard Butler Filmen ″Angel Has Fallen″ (2019) und ″Greenland″ (2020) als Regisseur tätig war. Das Drehbuch stammt von Mitchell LaFortune, der im Film eine kleine Rolle als SCIF Analyst übernommen hat.
Der Großteil der Dreharbeiten fanden im Dezember 2021 und Januar 2022 in Al-Ula und Jeddah statt. Damit war ″Kandahar″ der erste amerikanische Spielfilm mit großem Budget, der in Saudi-Arabien gedreht wurde.
Wie in ″Plane″ liefert Gerard Butler (der auch als Produzent bei diesem Film mitwirkt) auch in ″Kandahar″ einen schnörkellosen Genrefilm mit ihm in der Hauptrolle ab, in dem ohne Probleme politische Aussagen mit Action vermischt werden. Dabei erinnert der Actioner doch recht stark an Guy Ritchies jüngsten Kriegsfilm ″The Covenant″ (2023) mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle, der zwar in den USA bereits angelaufen ist, in Deutschland aber erst im Laufe des Jahres beim Streamingdienst Amazon Prime erscheinen wird. Das mag natürlich auch damit zusammenhängen, dass das Thema gerade recht aktuell ist, denn schließlich haben es die meisten westlichen Länder immer noch nicht geschafft, ihr einheimisches gefährdetes Personal aus Afghanistan auszufliegen.
Dabei kann man Butler bei ″Kandahar″ aber nicht vorwerfen, dass er hier – im Gegensatz zu ″Plane″ - die Bösen nur auf der einen Seite und die Guten auf der anderen Seite sieht. Denn der Film zeigt auch, dass es viele Seiten gibt, die Tom Harris töten wollen, aber da sie alle nicht miteinander auskommen, kann er immer wieder entkommen oder wird befreit.
Ganz sicher ist ″Kandahar″ dann am faszinierendsten, wenn der Film versucht, die Unterschiede zwischen diesen Fraktionen zu veranschaulichen. Dabei werden die Taliban am Deutlichsten verurteilt, wenn z.B. der pakistanische Auftragskiller Kahil den Taliban Rasoul (Hakeem Jomah) während eines Meetings warnt, dass seine extremistischen Landsleute nicht noch einmal ihren ″verrückten Mist″ durchziehen sollten – wie Köpfe abschlagen, Frauen in der Öffentlichkeit schlagen und dabei Selfies machen. Kalil ist sicher die schillerndste Figur des Films, denn er predigt zwar einen modernen Islam, handelt aber als Auftragskiller ganz entgegen seiner eigenen Aussagen. Doch eine so klare Aussage gibt es nicht immer im Film, denn an vielen Stellen wird die politische Haltung den Action-Szenen untergeordnet.
Regisseur Ric Roman Waugh lässt Tom Harris und seinen Dolmetscher Mo auf ihrer Flucht immer wieder gegen eine Schar von Gegnern antreten, bei diesen Aktionen wird die Spannung immer hoch gehalten. Den Höhepunkt dabei bildet sicher ein nächtliches Duell im Niemandsland zwischen Tom und einem von Farzad Asadi geführten iranischen Hubschrauber, das mit einem cleveren Granatenwurftrick und einer unvergesslichen Zeitlupenszene endet, in der ein Mensch über eine ihm überlegene Maschine triumphiert.
Doch Ric Roman Waugh und sein Drehbuchautor Mitchell LaFortune vergessen bei ihrer Geschichte nie, dass Tom Harris zwar kein Superheld ist, er aber doch das Richtige tut und letztendlich aus jedem Gefecht als Sieger hervorgehen muss. Dabei überlebt er und sein Dolmetscher mehr als einmal mit knapper Not, häufig auch dank der Bemühungen unterstützender auch recht dubioser Retter oder unterschiedlicher Interessen seiner Gegner. Es ist ganz sicher auch dem Charisma des schottischen Schauspielers zu verdanken, dass er die Herzlichkeit und Selbstlosigkeit seines Protagonisten gekonnt zum Ausdruck bringt.
Doch der wichtigste Pluspunkt des Films ist die Besetzung der Hauptcharaktere, denn Gerard Butler ist wirklich großartig in seiner Rolle als freiberuflicher Undercover-Agent, der im Nahen Osten um sein Überleben kämpft. Der indische Schauspieler Ali Fazal spielt als pakistanischen Auftragskiller Kahil seine Rolle absolut perfekt. Travis Fimmel rockt als Roman Chalmers und Navid Negahban spielt den Dolmetscher Mohammad ″Mo″ Doud mit einer eigenen Vergangenheit wirklich hervorragend.
Insgesamt ist ″Kandahar″ ein gelungener Actionfilm mit ein paar unerwarteten Wendungen, bei dem aber die grundlegenden Handlungsdetails wie erwartet funktionieren. Dabei werden nebenbei einige bekannte oder weniger bekannte Aspekte von typischen Konflikten im Nahen Osten im Film aufgezeigt. All das macht den Film nicht nur spannend, sondern auch unbedingt sehenswert.
Foto 1: Gerard Butler als Tom Harris © LEONINE Distribution GmbH
Foto 2: Travis Fimmel als Roman Chalmers © LEONINE Distribution GmbH
Foto 3: Gerard Butler als Tom Harris und Navid Negahban als Mohammad ″Mo″ Doud © LEONINE Distribution GmbH
Foto 4: Ali Fazal als Kahil Nazir © LEONINE Distribution GmbH
Info:
Kandahar (USA 2023)
Originaltitel: Kandahar
Genre: Action, Thriller, Abenteuer
Filmlänge: ca. 119 Minuten
Regie: Ric Roman Waugh
Drehbuch: Mitchell LaFortune
Darsteller: Gerard Butler, Navid Negahban, Ali Fazal, Bahador Foladi,Travis Fimmel, Nina Toussaint-White, Tom Rhys Harries, Hakeem Jomah u.a.
Verleih: LEONINE Distribution GmbH
FSK: ab 16 Jahren
Kinostart: 17.08.2023