Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 15. Mai, Teil 2

 

Corinne Elsesser

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Umgang mit unserer Lebenssubstanz Wasser ist allzu oft verschwenderisch und unbedacht. Sollten die Menschen nicht viel behutsamer mit einem Element umgehen, das unser Leben auf der Erde erst ermöglicht?

 

WATERMARK

 

In dem weltumspannend und global angelegten Dokumentarfilm „Watermark“ spürt Edward Burtynsky dem Thema Wasser auf verschiedenen Kontinenten nach. Versteht man den Titel im Sinne von „Wasserstandsmarke“, so zeigt der Film in unterschiedlichsten Regionen den jeweiligen Pegelstand auf, ausgedrückt in der (Aus-) Nutzung des Wassers.

 

Burtynsky stammt aus Kanada, ist von Hause aus Fotograf und wurde in den letzten Jahren mit grossformatigen Bildern von Industriebrachen bekannt. Er ist in zahlreichen Sammlungen und Museen vertreten. Gemeinsam mit der Dokumentarfilmerin Jennifer Baichwal und dem Kameramann Nicholas de Pencier legt er nun einen Dokumentarfilm vor, bei dem er zwar den Anspruch erhebt, einen Sachverhalt zu untersuchen, letztlich aber nur schöne Bilder hervorbringt. Bei einem Thema, das uns alle so grundlegend betrifft, muss dies ungenügend bleiben.

 

Das Dilemma fällt spätestens dann ins Auge, wenn lange und genüsslich die Wasserspiele über einem künstlichen Teich in Las Vegas gezeigt werden, während diese ihrerseits von Touristen fotografiert werden. Gleich darauf kommt eine Mexikanerin zu Wort, deren Ackerland das Wasser durch die Umleitung des Colorado River vollständig entzogen wurde. Das Flussdelta ist flächendeckend ausgetrocknet und zur Brache geworden. Anstatt hier auf einen Zusammenhang zu verweisen, fokussiert die Kamera auf das Muster der Risse im lehmigen trockenen Boden. Am Oberlauf des Stikine in den Bergen des kanadischen British Columbia trifft das Team einen Indianer. Er verweist auf den ewigen Kreislauf des Wassers, der in den vom Ozean kommenden Wolken zutage tritt, die sich hier in den Bergen abregnen, um wieder zum Meer zurückzufliessen. Bilder schöner und verwahrloster Landschaften werden kommentarlos aneinandergereiht und mit spannender elektronischer Musik hinterlegt. Dies erinnert an Bildstrecken in einschlägigen Fotomagazinen wie „National Geographic“ oder „Playboy“ - für die Burtynsky unter anderem tätig ist. Bilder um ihrer Schönheit willen.

 

Eindrucksvoll und schön sind auch die Aufnahmen einer Arbeitsstätte im indischen Dhaka. Die von Schweiss und Feuchtigkeit glänzenden Leiber der Arbeiter werden kontrastiert mit den satt leuchtenden Farben der Saris der Frauen. Sie stehen an riesigen Holzbottichen auf nassem Betonboden. Die Menschen gehören einer der zutiefst verachteten Kasten an, der der Ledergerber. Tag für Tag hantieren sie mit lebensgefährlichen Chemikalien. Mit Eisenstangen häufen sie bündelweise aufgeweichte, bestialisch stinkende Tierhäute auf und verfrachten sie in die Maschinen, wo sie gereinigt und gegerbt werden. „Wir benutzen viele Chemikalien“, merkt ein Vorarbeiter an. „Bei jedem Arbeitsgang. Viele chemische Substanzen.“ Hergestellt werden in dem Betrieb übrigens Herrenschuhe für europäische Firmen. Das Abwasser läuft floureszierend blau oder schlackenrot direkt in den nahegelegenen Fluss. Im Sonnenuntergang schön anzusehen. Unten am Ufer baden die Armen mit ihren Kindern und waschen ihre Wäsche. Ein Vater putzt seinem kleinen Sohn das Gesicht. Das Wasser wirkt jetzt in den Aufnahmen Burtynskys wie ein erfrischender Quell, reinigend und sauber. Noch immer wird nicht kommentiert.

 

Burtynsky lässt die Bilder stehen und zieht mit seinem Team weiter ins Innere des Xiolangdi-Staudamms in China, der sich im Bau befindet. Im noch leeren Stauraum führt der Fotograf ein jedes menschliche Maß übersteigendes technisches Monumentalbauwerk vor Augen. Es wird zu einem ästhetischen Objekt, das Überdimensionale zur Faszination. Zeigt sich doch gerade an diesem riesigen Staudamm die Kehrseite einer Technik, die immer weiter geht und immer Größeres und Unfaßbareres vermag und selbst die Natur zu überwältigen sucht, indem sie die Wasserkraft kanalisiert. Burtynsky nimmt einen ästhetischen Blickwinkel ein, der vor lauter Schönheit den kritischen Blick des Dokumentarfilmers verstellt, der angesichts des Themas gefordert wäre.

 

Dänische Forscher analysieren auf Grönland Eisschichten und suchen nach Rückschlüssen auf geologische Klimaphasen. Sie vertreten die Auffassung, dass die Ozeane einst durch vereiste Brocken aus dem Kosmos entstanden, die beim Eindringen in die Erdatmosphäre verdampften. Mit dem Dampf sei das Wasser und schliesslich die Ozeane entstanden. Stellt die Forschung damit tradierte Erklärungsmuster infrage? Auch hier bezieht Burtynsky nicht Stellung. Man könnte die Schlussfolgerungen ernsthafter Wissenschafter immerhin zur Diskussion stellen. Dem Regisseur genügt, dass die Forscher sich mit Wasser beschäftigen. Ganz abgesehen von den schönen Bildern, die man im hohen Norden machen kann. Der Dokumentarfilm wird zur Fotostrecke.

 

Info:

Watermark

Regie: Jennifer Baichwal und Edward Burtynsky

Kanada, 2013