Bildschirmfoto 2023 11 22 um 22.20.33Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. November 2023, Teil 3

Redaktion

Dublin (Weltexpresso) – Milena Aboyan, was für eine Geschichte wollten Sie mitwollten Sie mit ELAHAELAHA erzählen?

Mit ELAHA wollten wir die Geschichte einer Frau erzählen, die sich verpflichtet hat, niemals leise zu sein. Eine Frau, die Schwäche zulässt, ohne dabei schwach zu sein. Sie liebt ihre Familie, ihre Traditionen und ihre Kultur, aber sie ist mit einer Regel nicht einverstanden. Sie stellt sich gegen ein universelles Herrschaftssystem, das keine Rücksicht auf Herkunft nimmt.


Das Patriarchat zu thematisieren, gar zu durchbrechen - wie ist das möglich? 

In erster Linie müssen wir uns der Intersektionalität bewusstwerden und die Vielfalt der Unterdrückungsformen anerkennen. Der Film ELAHA fordert dazu auf, das Patriarchat als ein gemeinsames gesellschaftliches Problem zu erkennen. Wir thematisieren in dem Film ein spezifisches Problem, welches in einigen Communities gegenwärtig ist. Aber der Ursprung ist universell.


 In ELAHA wird der „Madonna und Hure“- Komplex durchbrochen.  Können Sie dies näher erläutern? 

Der „Madonna und Hure“-Komplex ist eine stereotype Sichtweise von Frauen, bei der sie in zwei Extreme unterteilt werden: die „Madonna,“ die als rein und tugendhaft idealisiert wird, und die „Hure,“ die als sexuell freizügig oder unmoralisch abgewertet wird. Es ist eine dualistische Sichtweise, die die Vielfalt von Frauen ignoriert. Grundsätzlich kann eine Frau oder Mensch niemals „unrein“ werden, und ELAHA betont diesen Fakt.


 Können Sie näher auf die Kritik im Film an der Kontrolle weiblicher Sexualitätan  und den Auswirkungen auf Frauen eingehen? 

Die Kontrolle über die Sexualität einer Frau ist eine extrem gewalttätige Form der Unterdrückung von Frauen. Auch Mütter werden gezwungen, die Sexualität ihrer Töchter zu kontrollieren, da sie andernfalls für den Ungehorsam ihrer Töchter verantwortlich gemacht werden. Die brutalen Strukturen des Patriarchats sind äußerst komplex. Mit der Geschichte von ELAHA wollten wir zeigen, dass alle Beteiligten unter
diesem System leiden, ohne von Opfern und Tätern zu sprechen.


Sie zeigen Elahas Klaustrophobie und  den Mangel an Privatsphäre mit einem 4:3-Bildseitenverhältnis.  Können Sie zu dieser Wahl Stellung nehmen? 

Vorrangig wollten wir keine soziale Studie über ein Milieu erstellen. Es sollte ein Porträt über eine Frau sein. Deshalb passte das Bildseitenverhältnis sehr gut. Gleichzeitig spiegelt es auch die äußerst engen Strukturen wider, in denen unsere Protagonistin lebt.


 Welche Herausforderungen gab es bei der Realisierung dieses Films?   Und welche kleinen Erfolge  konnten verbucht werden? 

Die größte Herausforderung bestand in der Besetzung. Fast zwei Jahre lang arbeiteten Constantin Hatz, mein Co-Drehbuchautor, und ich intensiv daran. Wir durchforsteten Schauspielschulen, sowohl national als auch europaweit. Gleichzeitig war es uns ein wichtiges Anliegen, einen Jungen für die Rolle von Elahas Bruder zu finden, der eine Gehbehinderung hat. So wollten wir auch Menschen mit Behinderungen
repräsentieren. Die Suche gestaltete sich äußerst fordernd. Der größte und schönste Moment war, als wir trotz zahlreicher Hindernisse den talentierten Réber Ibrahim für die Rolle des Sami gewinnen konnten.


Bist du Feministin?  Wenn ja, wie beeinflusst dies deine Arbeit im Bereich Filmproduktion? 

Es ist mir wichtig, Geschichten zu erzählen, in denen Frauen nicht sexualisiert werden. Wir können Gewalt gegen Frauen erzählen, ohne diese brutale Gewalt gegen Frauen zu zeigen. Frauen über 40 sollten in der Lage sein, mehr Hauptrollen zu spielen, ohne auf ihr Alter oder ihren Körper reduziert zu werden. Ich versuche immer sicherzustellen, dass es eine starke Präsenz von Frauen vor der Kamera gibt, aber auch hinter der Kamera.



MILENA ABOYAN

Milena Aboyan wurde 1992 als jesidische Kurdin in Armenien geboren. Im Jahr 2010 begann sie eine vierjährige Schauspielausbildung in Deutschland. Während ihrer Ausbildung wirkte sie in mehreren Theaterproduktionen mit. Nach ihrem Schauspieldiplom wechselte sie das Fach und konzentrierte sich auf das Schreiben. Sie begann als Dramaturgieassistentin für eine ARD-Vorabendserie zu arbeiten. 2019 wurde sie mit dem Emder Drehbuchpreis ausgezeichnet.
ELAHA ist ihr Abschlussfilm an der  Filmakademie Baden-Württemberg, der bereits auf dem Filmfestival Locarno mit dem Kaiju Cinema Diffusion Prize ausgezeichnet wurde.

2023 | ELAHA
– Spielfilm, Drehbuch und Regie
2018 | DER GRETELTRICK
– Kurzfilm, Drehbuch und Regie
2018 | WAS BLEIBT
– Kurzfilm, Drehbuch, Atelier
Ludwigsburg-Paris
2017 | SONNE SCHEINT ÜBER AUGUST
– Kurzfilm, Drehbuch
2016 | DIE VERTREIBUNG DER
ELEFANTEN

– Kurzfilm, Drehbuch


Fotos:
© Camino Filmverleih

Info:
Elaha“, D 2023, 110 Minuten, Filmstart 23. November 2023, Regie Milena Aboyan mit Bayan Layla, Derya Durmaz, NazmiKirik und anderen.

Abdruck aus dem Presseheft