madSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. November 2023, Teil 10

Redaktion


Frankfurt am MaIn (Weltexpresso) - Ebla Mari (25) wurde in Syrien geboren. Sie arbeitet als Schauspiellehrerin in Majdal Shams, einem syrischen Dorf auf den Golan-Höhen, das unter israelischer Militärverwaltung steht. Die palästinensische Regisseurin Annemarie Jacir brachte sie mit Ken Loach in Verbindung, der sie für die Rolle ‚Yara‘, ihre erste Filmrolle, in THE OLD OAK besetzte.


Wie kam es dazu, dass Sie die Rolle in THE OLD OAK bekommen haben?

Im November 2021 sprach mich die palästinensische Regisseurin Annemarie Jacir an. Sie hatte meinen Kontakt durch einen Schauspieler, der aus dem gleichen syrischen Dorf stammt wie ich, aus Majdal Shams auf den Golanhöhen, die 1967 von Israel besetzt wurden. Ich leitete ihr ein Video von einem Theaterstück weiter, in dem ich gerade auf der Bühne stand, und hatte kurz darauf dann schon eine kurze Videokonferenz mit Ken [Loach] und der Casterin Kahleen Crawford. Wir sprachen darüber, woher ich komme - nicht sehr viel mehr. Mein erstes Vorsprechen war auch auf Zoom und lief nicht besonders gut, aber im März 2022 hatte ich dann mein erstes Live-Vorsprechen und vier Tage später fragte mich Ken, ob ich in seinem Film mitspielen will.


Was wussten Sie da über Ihre Rolle als Yara?

Nicht viel! Aber ich kannte die Situation, um die es geht. Ich habe viele syrische Flüchtlingsfamilien in England besucht und mit ihnen gesprochen. Ich kannte die Lage in Syrien und die schrecklichen, schrecklichen Geschichten, die passiert sind und immer noch passieren. n der Vorbereitung auf diese Rolle habe ich dann viele Dokumentarfilme über die Revolution in Syrien geschaut, über die weiteren Entwicklungen und die Schicksale syrischer Gefangener. Auch über den Alltag in den Flüchtlingslagern habe ich recherchiert, aber nicht darüber, wer Yara ist. Ich ging davon aus, dass Ken wollte, dass ich diese Yara als etwas andere Version meiner selbst spiele.

 
Wie genau trifft der Film das, was Yara und ihre Familie hinter sich gelassen haben?

Es ist eine sehr akkurate Darstellung. Paul und Ken haben sich die größte Mühe gegeben, alles so realitätsnah wie möglich zu erfassen. Sie haben mit vielen in England lebenden Syrern und Syrerinnen über ihre persönlichen Erfahrungen gesprochen. Die meisten von ihnen haben in syrischen Gefängnissen gesessen und wurden gefoltert, obwohl sie nichts getan hatten. All diese Gespräche sind in diese Geschichte mit eingeflossen, auch wenn es im Film ja nicht darum geht, was in Syrien passiert ist, sondern darum, wie zwei verschiedene leidende Gemeinschaften aufeinandertreffen.


Wer ist Yara?

Sie ist mit ihrer Familie aus Syrien geflüchtet und kam dann irgendwann nach England. Sie weiß nicht, wo ihr Vater ist, er wurde ins Gefängnis gesteckt und seitdem hat sie nichts mehr von ihm gehört. Es gibt viele Menschen, die mir genau solche Geschichten erzählt haben, die nicht wissen, wie es ihren nächsten Angehörigen geht. Yaras Vater hat ihr eine Kamera geschenkt, weil sie gerne fotografiert, und diese Kamera ist enorm wichtig für sie - als Erinnerungsstück und als Symbol dafür, dass er an sie geglaubt hat. Nach der Flucht vor dem Krieg lebten Yara und ihre Familie in einem Flüchtlingslager in Zaatari in Jordanien und kamen dann schließlich in den Nordosten Englands, wo sie erstmal vielen Anfeindungen ausgesetzt waren und sind. Nicht, weil einige der Menschen dort schlechte Menschen wären, sondern weil sie ebenfalls Opfer sind. Sie haben nichts und ihr Leben ist hart. Als Yara dann TJ kennenlernt, entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden, und Yara sieht es - ähnlich wie TJ - als ihre Aufgabe, Brücken zu bauen. In jedem Fall fühlt man mit ihr, weil sie mit viel Diskriminierung konfrontiert wird.


Und wie würden Sie Yaras Persönlichkeit beschreiben?

Ich glaube, sie ist mutig und steht für sich selbst ein. Yara ist geselliger als ich es bin und obwohl ich sehr wohl für mich einstehe, ist sie stärker als ich in der Hinsicht, was mir sehr an ihr gefällt. Ich könnte wahrscheinlich noch einiges von Yara lernen, wenn es darum geht, auf die Straße zu gehen und sich für wichtige Änderungen einzusetzen. Dabei ist sie allerdings respektvoll, ohne sich selbst jemals aufzugeben, was ich sehr mag. Sie ist eher eine moderne Frau, trägt keinen Hidschab und in ihrer Zeit im Flüchtlingslager arbeitete sie als freiwillige Helferin und lernte viele Menschen aus der ganzen Welt kennen, wodurch sich ihr Blick auf die Welt und unterschiedliche Lebensmodelle deutlich erweitert hat.


Was bedeutet die Fotografie für Yara und für die Geschichte?

Sie liebt die Fotografie und sicherlich spielt es auch eine Rolle, dass sie durch den Sucher und mit ihren Bildern versucht, hinter die Härten und Ungerechtigkeiten unserer Welt zu schauen und die Schönheit der Hoffnung zu entdecken. Die Kamera gibt Yara Hoffnung, darüber haben Ken und ich oft gesprochen. Außerdem ist das Fotografieren für sie eine Form des Widerstands und sie wartet darauf, dass ihr Vater zurückkommt, um ihm endlich ihre besten Bilder zeigen zu können.

EBLA MARI (Yara)
FILMOGRAPHIE

2023 THE OLD OAK Regie: Ken Loach

Foto:
© Verleih


Info:
THE OLD OAKLaufzeit: 114 Minuten Kinostart: 23. November 2023Im Verleih von Wild Bunch Germany

BESETZUNG
TJ Ballantyne.    Dave Turner 
Yara.                   Ebla Mari
Laura                  Claire Rodgerson 
Charlie                Trevor Fox
Vic.                     Chris McGlade        

 

STAB
Regie.   Ken Loach
Drehbuch. Paul Laverty


Abdruck aus dem Presseheft