the old oak day 3 143Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. November 2023, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn man den Worten glaubt, dann kann der Filmtitel, der nach der altehrwürdigen Kneipe im heruntergekommenen Ort in Nordengland, THE OLD OAK heißt, auch auf den 87jährigen Ken Loach gelten, der wie eine Eiche dem neoliberalen Sturm in der westlichen Welt trotzte und zumindest die Ergebnisse des ruinösen Verfalls von Sitten und Leben der Menschen im Film dokumentiert hat. Nicht nur filmisch, sondern auch historisch-soziologisch eine Großtat.

Das wäre allerdings nur akademisches Gerede, wenn es Ken Loach nicht in seinem – wie er äußerte: letzten - Film gelänge, wieder einmal gelänge, pralles Leben, echte Konflikte, dramatischen Streit, viele geleerte Biere, Liebe, Haß, Eifersucht, Lebensüberdruß, Neid und so vieles mehr an menschlichen Grundhaltungen durch Menschen auf die Leinwand zu bringen, die uns mit jedem Schlenker Authentizität in die Seele brennt.

Ja, er ist der Anwalt der Zukurzgekommenen, der Abgehängten, der Verlierer, was ja nicht nur für Menschen gilt, sondern wie hier auch für ganze Landstriche, die einst blühende waren, als Kohle noch die Grundlage unseres Heizens und industrieller Energie war. Ja, damals war nicht nur die Welt noch in Ordnung für die hiesige Bergarbeitersiedlung, sondern die Bewohner konnten sich noch in ihren spezifischen Pubs immer dasselbe in wohlmeinende Ohren erzählen. Beim Bier. Nun aber ist der Niedergang ja auch daran zu erkennen, daß mit THE OLD OAK der einzige Pub am Ort überlebt hat. Bisher. Dort treffen sich die, die nun genug Zeit haben, diese totzuschlagen: die Rentner.

Wir steigen ein im Jahr 2016 mit einem wütenden Hausbesitzer, Charlie (den man so gut verstehen kann. Das war und ist seine Lebensleistung, ein eigenes Haus erworben zu haben und immer noch abzuzahlen. Und was geschieht derzeit? Im Internet werden Nachbarhäuser in einer Onlineauktion versteigert. Die neuen Eigner sitzen in Zypern und sie haben für die Häuser nur ein Fünftes des Preises bezahlt, für den er sein Haus gekauft hat. Turbokapitalismus.

Das hat es schon einmal gegeben, hier im Ort, daß die Welt in Unordnung war, es liegt 30 Jahre zurück, als 1985/86 der große Bergarbeiterstreik die Welt teilte, als die britische hard-boiled Premierministerin Thatcher jegliche Industrie privatisieren und die hiesigen Mienen stilllegen wollten und eine Welle von Solidarität die Einwohner zusammenschweißte. Das zeigen die Fotos im großen Gemeinschaftsraum der Kneipe, die der Onkel des Besitzers Tommy Joe Ballantyne (Dave Turner), kurz TJ genannt, damals geknipst hatte und die sich gerade die junge Syrerin Yara (Ebla Mari) mit großem Interesse anschaut, denn sie ähneln ihren eigenen Aufnahmen.

Und damit sind wir bei der Parallelhandlung, die einsetzt, als im Ort ein Bus mit Syrienflüchtlingen ankommt. Schon beim Aussteigen werden die Flüchtlinge von Teilen der Bevölkerung angepöbelt und die Burschen schämen sich nicht, der jungen Yara ihren Fotoapparat aus der Hand zu schlagen, der am Boden liegend erst einmal kaputt ist. Sie kommt in die Kneipe, weil sie gesehen hatte, daß TJ den Täter gesehen hatte und nun von ihm den Namen wissen will zwecks Reparaturkosten.

Nein, erst mal gibt er den Namen nicht preis, aber leid tut ihm die junge Frau schon und das war der Anlaß, warum er sie in den großen, schon wegen Renovierungsbedarf geschlossenen großen Saal führte, wo noch Fotoapparate seines Onkels liegen, die er ihn anbietet.

Dieser Saal nun wird zum Politikum, denn die Flüchtlingsgegner, das Stammpublikum im Pub, will dort eine große öffentliche Versammlung zur Vertreibung dieser Flüchtlinge aus ihrem Ort abhalten. Die Spaltung der Bevölkerung wird nun Thema, denn es gibt einige, die den Flüchtlingen helfen wollen wie Laura (Claire Rodgerson), die zusammen mit Yara ein großes gemeinsames Essen im großen Saal der Kneipe für das Dorf veranstalten will. Nun ist der Saal ja wegen seines Zustands geschlossen und das war gerade das Argument von TJ gegenüber den rechten Spießgesellen die dort den Aufruhr gegen die Flüchtlinge organisieren wollten.

Bisher hatte sich der Kneipier aus allem herausgehalten – höchste Zeit, auf dessen bewundernswerte stoische Darstellung des Dave Turner zu verweisen - , und nur insgeheim Yara geholfen, jetzt aber bekennt er Farbe und überläßt dem Festkommittee den Saal, der nun durch viele Handwerker auf Vordermann gebracht wird, allerdings mit einem Pferdefuß.

Und dann gibt es einen Toten und erst der bewirkt ein Einhalten, den Haß aufeinander wenigstens jetzt zu vergessen oder zu verdrängen, und so etwas wie eine Gemeinschaft zu bilden.
Wer soll in Zukunft solche Filme drehen, dieser basiert zudem auf einem raffinierten Drehbuch, weil Paul Laverty ein kongenialer Partner von Ken Loach ist.


Foto:
©Verleih


Info:
THE OLD OAKLaufzeit: 114 Minuten Kinostart: 23. November 2023Im Verleih von Wild Bunch Germany

BESETZUNG
TJ Ballantyne.    Dave Turner 
Yara.                   Ebla Mari
Laura                  Claire Rodgerson 
Charlie                Trevor Fox
Vic.                     Chris McGlade        

 

STAB
Regie.   Ken Loach
Drehbuch. Paul Laverty