Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. Dezember 2023, Teil 4
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Schwestern Thomasina ″Thom″ (Emma Appleton) und Martha ″Mars″ Hanbury (Stefanie Martini) leben 1941 in einem einsamen Haus etwas außerhalb von London. Sie sind durch ihren verstorbenen Vater technikbegeistert und haben eine Maschine erschaffen, die Funkwellen einfangen und sichtbar machen kann. Dadurch können sie Radio- und Fernsehsendungen aus der Zukunft empfangen. Sie nennen die Maschine LOLA – nach ihrer verstorbenen Mutter.
Der primitive Monitor zeigt ihnen Ereignisse bevor sie überhaupt passiert sind. Die Schwestern nutzen die Maschine zunächst für kleinere Unternehmungen, so platzieren sie todsichere Wetten und hören Popmusik der 1970er Jahre wie David Bowies ″Space Oddity″, bevor sie geschrieben wird oder bevor der Musiker überhaupt geboren wurde.
Den Schwestern wird recht bald klar, dass die Maschine verhindern kann, dass Menschen getötet werden, wenn sie ihnen vorher eine Nachricht zukommen lassen, damit sie sich in die Bunker gegeben können. Deshalb beschließen die Schwestern, LOLA für einen guten Zweck zu nutzen und fangen militärische Informationen aus der Zukunft ab.
Doch der Geheimdienst kommt hinter diese Nachrichten und versucht die Quelle zu lokalisieren. Dies gelingt mehr zufällig dem jungen Lt. Sebastian Holloway (Rory Fleck Byrne) als der Mars dabei beobachtet wie sie auf einem Wasserturm eine Antenne ausrichtet.
Nicht ganz freiwillig beschließen die Schwestern, die Maschine ab sofort zu nutzen, um Informationen aus der Zukunft abzufangen, die dem militärischen Geheimdienst helfen könnten und die damit der Schlüssel zum Sieg über die Nazis sein könnte. Ihr Verbindungsoffizier ist Major Henry Cobcroft (Aaron Monaghan), während Lt. Holloway im Haus der Schwestern bleibt und Mars und er sich ineinander verlieben.
Doch jetzt beginnen die beiden nicht nur die Bevölkerung vor Angriffen zu warnen, sondern sie können auch tatsächlich Einfluss auf den Zweiten Weltkrieg nehmen. Dabei entpuppt sich LOLA zunächst als großer Erfolg, der das Blatt für die Engländer in diesem Krieg zu ihren Gunsten zu wenden verspricht.
Aber dann beginnt Thom, sich zunehmend von der Macht, die die Maschine über die Zukunft hat, mitreißen zu lassen. Doch LOLA ist nicht unfehlbar und zu spät entdecken die Schwestern die weltverändernden Konsequenzen ihres Handelns. Denn die Zukunft, die LOLA zeigt, wird nicht notwendigerweise auch so eintreten.
Als Mars entdeckt, dass David Bowies Musik verschwunden ist und dass stattdessen kriegsverherrlichende Lieder gesungen werden, versteht sie die fatalen Konsequenzen ihres Spiels mit der Zeit erst als es bereits zu spät ist. Denn es war nicht DIE Zukunft, die LOLA ihnen gezeigt hat, sondern nur eine mögliche Zukunft, die sich aus einer veränderten Gegenwart entwickelt hat. Denn ändert sich die Vergangenheit, dann ändert sich auch die Zukunft.
Denn durch eine fatale Fehleinschätzung in der Gegenwart, die Thom zur Last gelegt wurde, verläuft die Zukunft anders als geplant. Die deutsche Wehrmacht kann in Großbritannien landen und der nächste Premierminister ist nicht mehr Winston Churchill sondern Oswald Mosley…
Regisseur von ″LOLA″ ist der Andrew Legge in seinem ersten abendfüllenden Film. Er hat zusammen mit Angeli Macfarlane nach einer Story von Henrietta Ashworth und Jessica Ashworth das Drehbuch geschrieben. Bereits 2009 hat er mit ″The Chronoscope″ einen Kurzfilm über die (fiktive) irische Wissenschaftlerin Charlotte Keppel veröffentlicht, die eine Maschine entwickelt hatte, mit der man in die Vergangenheit sehen konnte.
Andrew Legges Langfilmdebüt beginnt mit dem Auffinden von Filmmaterial im Jahre 2021 in einem Keller, vermutlich in der alten Villa der Hanbury Schwestern. Deshalb spielt der Film komplett in Schwarzweiß und im 4:3-Bildformat. Dabei hat er auch Schrammen, Kratzer und weiße Stellen, aber auch viele Klebestellen sowie einer Tonspur, die wie die Qualität der 1940er-Jahre wirkt. Dadurch wirken die gespenstischen Schwarz-Weiß-Bilder schlecht erhalten, zerkratzt und an manchen Stellen auch verbrannt.
Passend dazu sind dann plötzlich nicht mehr die Songs von David Bowie oder Bob Dylan zu hören, sondern kriegsverherrlichende Lieder. Dazu setzt Andrew Legge geschickt die vom Nordirischen Musiker und Songwriter Neil Hannon komponierte Musik als eine erschreckende autoritäre Zukunft in der Popmusik ein.
Durch die Musikauswahl und durch das Verwenden von realem Archivmaterial der 1940er Jahre und manipulierten, alten Wochenschauen kann man sich als Zuschauer hervorragend in die Story einfinden und kann sehr gut nachvollziehen an welcher Stelle und warum sich die Zukunft so verändert haben könnte. Dadurch demonstriert der Regisseur, was alles passieren kann, wenn man auf den Lauf der Zeit Einfluss zu nehmen versucht. Es kann sein, dass sich dadurch die Zukunft an der einen Seite zwar zum Besseren wendet, aber gleichzeitig kann es an der anderen Seite zu einer Katastrophe kommen.
Insgesamt treibt der britisch-irische Science-Fiction Film ein nachdenkenswertes aber auch selbstironisches Spiel mit Zeit und Wahrheit. Dadurch fühlt sich ″LOLA″ auf jeden Fall topaktuell an und lässt den Zuschauer darüber nachdenken, was man aus der Vergangenheit lernen kann. Das macht den Film auf jeden Fall sehenswert, auch wenn es durch das etwas ″zerstörte″ Material nicht immer einfach ist, dem Film zu folgen.
Foto 1: Thomasina ″Thom″ Hanbury (Emma Appleton) und Martha ″Mars″ Hanbury (Stefanie Martini) mit LOLA © Neue Visionen Filmverleih
Foto 2: Martha "Mars" Hanbury (Stefanie Martini) und Lt. Sebastian Holloway (Rory Fleck Byrne) © Neue Visionen Filmverleih
Foto 3: Thomasina "Thom" Hanbury (Emma Appleton) © Neue Visionen Filmverleih
Info:
LOLA (Irland, Großbritannien 2023)
Originaltitel: LOLA
Genre: Science-Fiction, Drama, 2. Weltkrieg
Filmlänge: ca. 80 Min.
Regie: Andrew Legge
Drehbuch: Andrew Legge und Angeli Macfarlane nach einer Story von Henrietta Ashworth und Jessica Ashworth
Darsteller: Emma Appleton, Stefanie Martini, Rory Fleck Byrne, Aaron Monaghan u.a.
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 28.12.2023