Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Mai, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Episodenfilm nennt man solche Filme, in denen verschiedene Regisseure unter einem Thema Unterschiedliches vorstellen: hier KATHEDRALEN DER KULTUR, was sagen will, daß sechs Gehäuse von Kultureinrichtungen auf der ganzen Welt von sechs Regisseuren vorgestellt werden, wobei zumindest ein Gebäude von sich selbst erzählt.

 

 

KATHEDRALEN DER KULTUR in 3D

 

Wim Wenders hat die Idee gehabt und gedacht war an eine zehnteilige Fernsehserie von RBB und Arte, woraus ein Kinofilm wurde mit einer Länge von fast drei Stunden, die uns nicht zu lang wurden. Für Filmkritiker gibt es ja Pressekonferenzen und immer wieder entwickeln sich nach Vorführungen Diskussionen, die zeigen, wie unterschiedlich die einzelnen Filme erleben. Hier kommt dazu, daß auch der Film selbst durch die sechs Regisseure Unterschiedliches zeigt. Das hat natürlich auch damit zu tun, daß jeder der sechs ein eigenes Gebäude vorstellt, aber eben auch mit der Art und Weise, wie er das tut.

 

Dabei wird deutlich, daß einem das eine mehr als das andere gefällt, aber gefallen hat uns alles, wobei wir zweieinhalb Gebäude einfach schon so prominent fanden, daß man viel über sie weiß: das ist die in Berlin Schwangere Auster genannte Philharmonie, die Wim Wenders zu Wort kommen ließ, das Centre Pompidou in Paris von Karim Ainouz und mit dem halben meinen wir die Oper in Oslo, die Margreth Olin vorstellte und die wir schon zweimal besichtigten konnten, von außen und von innen. Immer aber sind es die Gebäude selbst, die mit uns, dem Zuschauer sprechen, aber auch von ihren Besuchern und Zuschauern erzählen. Die Perspektive einmal umgedreht.

 

Das Hintergrundwissen über den Architekten der Berliner Philharmonie, Hans Scharoun, liefert uns also der Bau selber, der mit der Stimme von Meret Becker spricht, für uns der, wenngleich etwas gewollte bildungsbürgerliche, besondere Ton, denn diese Stimme wirkt körperlos in einem weitschwingenden Gebäude, das etwas vom Geist der Musik vermittelt, wo es keinen Anfang und kein Ende gibt, nur Töne. Doch, das hat uns gefallen und auch einige neue wissenswerte Details gebracht. Weiter kommen die Musiker zu Wort. Allen voran Chefdirigent Simon Rattle und Helmut Stern, der wirklich vom Geiger Isaak Stern in Jerusalem entdeckt wurde und lange Erster Geiger, also Konzertmeister des Orchesters war.

 

Eindeutig der schönste Beitrag war uns Michael Glawoggers Russische Nationalbibliothek in Sankt Petersburg, die wir sahen, bevor der 1959 geborene Österreicher am 22. April bei Dreharbeiten in Liberia an Malaria starb. In der Bibliothek sprechen nicht die Steine, sondern die Bücher, das ist eine schöne Idee, auch wenn man das Russisch nicht versteht, weder akustisch, denn es ist ein Raunen, noch übersetzen könnte. Aber die alten Bücher, ein Prachtexemplar nach dem anderen, die ohne Handschuhe in die Hände genommen werden (!) und die Unendlichkeit der Bücherregale erzeugen geradezu ein Ewigkeitsgefühl, was dadurch gefördert wird, daß dies ein altes Gemäuer ist. Die Bibliothek selbst ist schon von Katharina II. 1795 aus ihren privaten Sammlungen konstituiert worden, die aus den von ihr aufgekauften Bibliotheken von Voltaire und Diderot bestanden. Bis heute eine Sensation im Haus, das 1814 nach Carlo Rossi fertiggestellt wurde und einfach Bücher atmet.

 

Robert Redford hat das Salk Institute in La Jolla, einem Vorort von San Diego in Kalifornien, ausgewählt, das Louis Kahn für Biologische Studien 1962/63 baute und wo eine Reihe von Nobelpreisträgern wirkten. Die Gebäude sind sehr eigen, erst einmal Fremdkörper in einer Landschaft und doch die Landschaft in sich aufnehmend mit vielen Durchsichten und Blicken ins Weite. Aber der Beitrag hat doch leicht enttäuscht, was nur ganz wenig für das ungewöhnlichste Projekt gilt: das Gefängnis im norwegischen Halden von Michael Madsen. Es ist ein Mustergefängnis, ein Reformgefängnis, aber eben doch ein Gefängnis und der Gegensatz von Reform und Eingesperrtsein macht einen leicht kirre, zumal dann Experimente wie das Zusammenführen von Familien kurz vor der Entlassung in einem eigenen Heim schon ganz schön surreal erscheint.

 

Bleibt die Osloer Oper, die von Margreth Olin geboten wird, wobei das Leben rund um dies Haus in Oslo so lebendig ist, daß der Film über die Oper wenig mehr als die Optik brachte. Und nun haben wir doch das Centre Pompidou vergessen, über dessen Beitrag von Karim Ainouz wir heftig diskutierten. Uns bot er nichts Neues, andere zeigten sich von den Filmaufnahmen, den Bildern hingerissen. Eine Kathedrale der Kultur stellt es allemal dar.