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Bildschirmfoto 2024 02 02 um 23.53.24Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. Februar 2024, Teil 10

Karin Schiefer

Wien (Weltexpresso) - »Er transportiert das Melancholische, das Zynische, aber auch Hoffnungsvolle.« Rickerl hat eine alte Gitarre und großes Talent. Leider auch einen Vater, der es versteht, seinen fragilen Glauben an sich selbst immer wieder zu demontieren. Adrian Goiginger ließ sich für RICKERL – MUSIK IS HÖCHSTENS A HOBBY von seiner Liebe zum Austropop leiten und von den Songs und in manchem auch von der Lebensgeschichte seines Hauptdarstellers Voodoo Jürgens inspirieren, um den zutiefst wienerischen Sound einer Geschichte von Vätern und Söhnen zu treffen.


 
Noch bevor man das erste Bild von RICKERL – MUSIK IS HÖCHSTENS A HOBBY sieht, fällt einem als Zuschauer eine Sprache auf, die wie in allen Filmen von Ihnen eindeutig lokal gefärbt ist. War es in „Die beste aller Welten“, „Märzengrund“ und in einem Teil von „Der Fuchs“ eine österreichische Sprachfärbung aus den Bundesländern, so ist es diesmal der Wiener Dialekt. Und es ist gleich mal klar, dass es in diesem Film auch ums Hören geht. Die Sprache ist eines, die Musik ein anderer Aspekt. Was hat Sie für dieses Projekt nach Wien geführt?


Adrian Goiginger: 2017 war ich alleine für „Die beste aller Welten“ auf Kino-Premierentour in  Deutschland unterwegs. Um eine Verbindung zur ‚Heimat‘ zu behalten, habe ich sehr viel Austropop gehört und bin so auf Voodoo Jürgens‘ erstes Album »Ansa Woar« gestoßen und hab mich sofort in
Musik, Texte und dieses Gefühl, das drinnen steckt, verliebt. Ich hab mir seine Musikvideos und Konzertmitschnitte angeschaut und dabei auch gesehen, dass er ein Showman ist, Ausstrahlung und Präsenz hat. Daraufhin habe ich mal anfragt, ob er grundsätzlich an einem Filmprojekt Interesse hätte. Mich hat es auch deshalb gereizt, weil ich immer – gerade was die Sprache betrifft – ein Fan des Wienerischen war. Ich bin mit Serien wie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ oder „Kaisermühlenblues“ oder auch mit „Alltagsgeschichten“, der DokuSerie von Elizabeth T. Spira aufgewachsen und wollte in diesem Milieu schon lange etwas machen. Außerdem war ich immer
ein großer Austropop-Fan – Wolfgang Ambros, Rainhard Fendrich, Georg Danzer, Ludwig Hirsch. Sie sind ältere Semester oder nicht mehr da. Voodoo Jürgens ist für mich der Musiker der jüngeren Generation, der am stärksten diesen Spirit, das Melancholische, das Zynische, aber auch Hoffnungsvolle transportiert. Voodoo Jürgens‘ Reaktion auf meine Anfrage war positiv, wir haben uns zu einem Casting getroffen. Die Arbeit vor der Kamera hat auch sehr gut funktioniert, wir haben einen Teaser aus diesem ersten Material geschnitten und so ist es losgegangen.



Für RICKERL war also zuerst die zentrale Figur da, ehe es eine Geschichte gab.

Adrian Goiginger: Absolut. Bei der Geschichte hat es dann auch länger gedauert. Das war zunächst ein Probieren. Es hat auch eine frühe Fassung gegeben, die Voodoo gar nicht gefallen hat. Wir haben
uns nochmals zusammengesetzt, man kann aber keinesfalls sagen, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, aber vieles, was er erzählt hat, hat mich inspiriert. Voodoo hat in der Tat wie auch zu Beginn des Films auf einem Friedhof gearbeitet, er hat auch erst relativ spät seine Karriere gestartet und es sind viele Anekdoten aus seinem Leben eingeflossen. Es war ein sehr lustiger Prozess, die Story herauszufinden.



Kann man sich die Drehbucharbeit auf mehreren Säulen aufbauend vorstellen: Die fiktive Geschichte von Rickerl – die reale Geschichte des Musikers Voodoo Jürgens und die Live-Musik / seine Songs, die wiederum in die Geschichte passen mussten? Wie haben diese Elemente ineinandergegriffen?

Adrian Goiginger: Ich habe in einem ersten Schritt mit Voodoo sehr ausführliche Gespräche über sein Leben und seinen Werdegang geführt, mich dafür interessiert, welche Gefühle diesen Weg bestimmt haben, damit ich sowohl die Figur als auch das Milieu gut verstehen konnte. Dann habe ich von allen Liedern die Texte im Detail analysiert, viel auch nachgefragt, was mit bestimmten Dingen genau gemeint war. Da ist er sehr offen Rede und Antwort gestanden. Irgendwann standen wir vor der Frage nach dem Plot. Wir haben gemeinsam entschieden, dass es ein Kind geben sollte. Da Voodoo im echten Leben eine Tochter hat, wollte er, dass es im Film ein Sohn ist, damit wir nicht zu nahe am Biografischen waren.

Für mich als Drehbuchautor war der Durchbruch in dem Moment geschafft, als sich die Vater-Sohn-Geschichte herauskristallisiert hat, in ähnlich gespiegelter Weise wie in „Der Fuchs“. Irgendwie zieht es mich immer wieder zu den Vätern hin. Meine Dramaturgin Franziska Buch hat mal analysiert, dass der Umstand, dass ich selbst die ersten Jahre meines Lebens ohne Vater aufgewachsen bin, damit zu tun hat, dass es bei mir oft um Väter geht, die nicht da sind oder die etwas lernen müssen. Dieses Verhältnis spiegelt sich in RICKERL durch die Figur von Rickerls Vater, der der Antagonist ist, der ihn immer runterdrückt, sodass man versteht, warum ihm der Mut fehlt, mit seiner Musik wirklich etwas zu machen. Rickerl muss diese Hürden selbst überwinden, um ein guter Vater für seinen Sohn sein zu können. So haben wir den Plot aufgebaut und ich habe versucht, die Lieder gut einzubauen, damit man das Gefühl bekommt, dass es sich nicht nur einfach um schöne Lieder handelt, sondern dass sie die Welt, in der er lebt, reflektieren und erklären.


Die Lieder haben also nicht nur eine musikalische und emotionale Ebene in den Film gebracht. Wenn der Text im Detail eine so wichtige Rolle spielt, dann wohl auch eine inhaltliche. Wie ist die Wahl auf die Songs gefallen, die nun drinnen sind?

Adrian Goiginger: Die Auswahl haben wir gemeinsam getroffen. Ich habe Vorschläge gemacht und Voodoo hat mir sein Feedback gegeben. Für mich war z.B. der Song »Ollas nimma deins« vom zweiten Album »‘S klane Glücksspiel« ein unumgängliches Lied. Das brauchten wir, weil es seine Nostalgie und Liebe zur Vergangenheit zeigt. Vergangenheit ist ein großes Thema dieses Films. Rickerl lebt ja in der Vergangenheit, hat Freunde, die älter sind als er und in einer anderen Zeit groß geworden sind. Er hat kein Smartphone, er kann im Film so viel rauchen, wie man es in den neunziger Jahren konnte. Wir haben versucht, die Vergangenheit festzuhalten, damit deutlich wird, dass er sich in der Gegenwart unwohl fühlt. In der Stammtischrunde wird einmal »auf die Vergangenheit, wo alles noch weniger Oasch war.« angestoßen. Das ist eine Art Leitsatz für die Figur geworden. »Drei Gschichtn ausm Café
Fesch« kommt vor, das ist textlich mein Lieblingslied. Mit »Weh au Weh« wird seine Phase mit dem Job am Friedhof verarbeitet. Sein persönlichstes Lied ist »Tulln«.


Ich habe den Film immer auch als Musikfilm – nicht als Musical gepitcht. Bei der Aufnahme war es unser Ziel, dass die Musik am Set aufgenommen und nichts nachvertont wird. Das ist eher unüblich
und sehr aufwändig. Wir hatten ein vergleichsweise großes Ton-Department, bei der Wahl der Locations musste daher sehr Acht gegeben werden. Und wir haben auch stark Voodoos Wünsche
berücksichtigt, damit er ganz befreit spielen konnte. Wir haben die Songs auch immer in der vollen Länge aufgenommen, damit ein Flow gegeben war und entsprechend dann geschnitten. Allgemein muss ich sagen, dass Voodoo Jürgens wahnsinnig professionell und diszipliniert als Schauspieler war. Er musste jeden Drehtag auf der Matte stehen und der ganze Film hängt an ihm. Obwohl er keine schauspielerische Ausbildung hat, hat er wirklich abgeliefert.


Rickerl ist eine Figur, die eine Verbindung zwischen zwei Welten herstellt, auch wenn er fast zu jung scheint, um mit Kassetten-Recorder und Schreibmaschine einen vertrauten Umgang zu haben. Wie sehr ist Voodoo Jürgens ein Musiker, der die frühe Tradition des Austropops mit der aktuellen verbindet? Warum gibt es auch Ihrerseits diese Nostalgie zur alten Welt?


Adrian Goiginger: Es gibt sehr viele Parallelen zwischen meinem und Voodoos Leben. Wir sind beide in schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen und es war uns beiden Musik immer besonders wichtig. Interessanterweise sind wir beide mit derselben Musik aufgewachsen, obwohl er ein bisschen älter ist als ich. Wolfgang Ambros ist ein großer Verknüpfungspunkt zwischen uns beiden. Voodoo hat sich das Plakat des jungen Ambros im Film gewünscht und es stand für uns beide fest, dass die Abspannmusik von Wolfgang Ambros kommen musste.Wir sind dann auf einen relativ unbekannten Ambros-Song gestoßen. Voodoo hat auch sehr viel dazu beigetragen, dass wir noch andere Austropop-Songs im Film platzieren: u.a. Hans Orsolics, Heinrich Walcher, STS. Wir mögen beide das Milieu, das wir erzählen. Einer der Gründe, warum er mitgemacht hat, war auch mein erster Film „Die beste aller Welten“, der ihm sehr gut gefallen hat. Es verbindet uns sehr viel und wir hatten eine gleiche kreative Ebene, von der aus wir starten konnten.

FORTSETZUNG FOLGT

Foto:
©Verleih

Info:

BESETZUNG

Erich "Rickerl" Bohacek     Voodoo Jürgens
Dominik                Ben Winkler
Viki                       Agnes Hausmann
Kurti                     Claudius von Stolzmann
Rickerls Vater       Rudi Larsen
Frau König           Nicole Beutler
als er selbst.        Der Nino aus Wien

STAB
Regie, Drehbuch        Adrian Goiginger
Kamera                       Paul Sprinz

Abdruck aus dem Presseheft

Interview: Karin Schiefer im September 2023
www.austrianfilms.com